100 km/h-Zulassung für den Dauertest-Caravan
Willkommen im Tempo-100-Club

Mit neuen Bremsen und frischen Reifen ist Ferdi Fendt endlich bereit für die ersehnte 100-Km/h-Zulassung. Bevor aber die gesiegelte Plakette aufs Heck kommt, steht der Besuch der Prüforganisation und der lokalen Zulassungsstelle an.

Tempo 100 Zulassung
Foto: Philipp Heise

Schritt 1: Die Prüfung

Wie sagt man so schön: Mit dem Wohnwagen beginnt der Urlaub schon vor der Haustür. Aber mal ehrlich, wer will schon mit 80 km/h in die Ferien zuckeln, während zeitdruckgeplagte Trucker mit 90 Sachen von hinten schieben? Eine Lösung für dieses Problem liefert die neunte Ausnahmeverordnung der deutschen Straßenverkehrsordnung. Sie besagt, dass Gespanne, die gewisse Bedingungen erfüllen, auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen 100 km/h schnell fahren dürfen.

Ferdinand Fendt

Zu diesen Bedingungen zählen für den Caravan neben Auflaufbremse, Radstoßdämpfer und Plakette am Heck auch Reifen, die jünger als sechs Jahre alt und mindestens für Tempo 120 km/h zugelassen sind (Geschwindigkeitsindex L und höher). Ist zusätzlich eine Antischlingerkupplung an Bord, wirkt sich dies begünstigend auf die vorgeschriebenen Massenverhältnisse von Zugwagen und Caravan aus.

Tempo 100 Zulassung
Philipp Heise
In einem ersten Schritt überprüft der Fachmann, ob die vorgeschriebene Antischlingerkupplung vorhanden und auch in Ordnung ist.

Beim Zugfahrzeug greift, zusätzlich zu den technischen Rahmenbedingungen (Anti-Blockier-System ABS und Gewichtsobergrenze von 3,5 Tonnen), auch das angesprochene Gewichtsverhältnis. Entscheidend hierbei ist das in den Papieren angegebene Leergewicht des Zugwagens: Hat der Caravan also eine Antischlingerkupplung, darf seine zulässiges Gesamtmasse das Leergewicht des Autos nicht übersteigen (Gewichtsverhältnis 1 : 1). Ohne Schlingerkupplung gilt der Berechnungsfaktor 1 :0,8: Die zulässige Gesamtmasse des Caravans darf also nur das 0,8-Fache des Zugwagen-Leergewichts betragen.

Der Dauertester und das DIY-Projekt der CARAVANING-Redaktion erfüllt die Bedingungen, daher ist die Prüfung kein Problem. Im Grunde handelt es sich um eine Sichtkontrolle von Stoßdämpfern, Reifenalter sowie Auflaufbremse samt Schlingerkupplung. Anschließend stellt der Prüfer die Bescheinigung aus.

Schritt 2: Die Zulassung

Nach bestandener Prüfung und mit der Bestätigung in der Tasche steht als Nächstes ein Besuch bei der lokalen KFZ-Zulassungsstelle an. Hier sollte man vorab die Öffnungszeiten prüfen und gegebenenfalls Wartezeit einplanen.

Für eine reibungslose Eintragung werden neben der Bestätigung auch der Fahrzeugschein (Teil I), der aktuelle HU-Bericht und der Fahrzeugschein Teil II (umgangssprachlich Fahrzeugbrief) benötigt. Sind diese Unterlagen komplett, wird der von der Prüforganisation vorgegebene Text aus dem Bestätigungsschreiben in das Bemerkungsfeld des künftigen Fahrzeugscheins übertragen. Der aktuelle Fahrzeugschein Teil I verliert in diesem Zuge seine Gültigkeit und wird entsorgt.

Tempo 100 Zulassung
Philipp Heise
Mit neuen Bremsen und frischen Reifen ist Ferdi Fendt endlich bereit für die ersehnte 100-Km/h-Zulassung.

Auch wenn die 100-km/h-Zulassung keine klassische Do-it-yourself-Arbeit ist, so liefert sie doch die Erfahrung, dass immer etwas schiefgehen kann. In unserem Fall lautete der Originaltext im neuen Fahrzeugschein sinngemäß: Das Zugfahrzeug muss mindestens 1875 Kilogramm (Berechnungsfaktor 0,8) wiegen, wenn es nicht mit einem im Fahrzeugschein des Zugfahrzeugs vermerkten Anhänger-ESP ausgestattet ist. Dieser Punkt brachte uns natürlich ins Grübeln, da wir von einem Berechnungsfaktor 1,0 ausgegangen waren.

Nach einigen Recherchen und Telefonaten fand sich der Ursprung des Fehlers eher zufällig: Der Prüfer hatte auf dem vierseitigen Bestätigungsschreiben ein Häkchen ausgelassen, das die Antischlingerkupplung bestätigt. Als Folgefehler waren sowohl die Vorgabe als auch die Eintragung selbst fehlerhaft. Auf Rückfrage wird unsere 100er-Bestätigung kostenfrei korrigiert. Um einen zweiten Besuch auf dem Amt kommen wir trotzdem nicht herum. Dafür dürfen anschließend alle Zugfahrzeuge von Ferdinand ab einem Leergewicht von 1500 Kilogramm die neunte Ausnahmeverordnung nutzen.

Zusammenfassung:
Berechnungen & Bedingungen für die 100-Km/h-Zulassung

Bedingungen für den Caravan

  1. Auflaufbremse und hydraulische Schwingungsdämpfer (Stoßdämpfer).
  2. Die Caravan-Reifen müssen zum Zeitpunkt der jeweiligen Fahrt jünger als sechs Jahre und mindestens mit der Geschwindigkeitskategorie L (= 120 km/h) gekennzeichnet sein.
  3. Eine gesiegelte Tempo-100-km/h-Plakette am Heck des Caravans.
  4. Die eingestellte Stützlast sollte sich an der größtmöglichen Stützlast des Zugfahrzeugs oder des Anhängers orientieren, wobei als Obergrenze der kleinere Wert gilt.
  5. Ist eine Antischlingerkupplung verbaut (üblich), verbessert sich der Berechnungsfaktor für das Gespanngewicht.

Bedingungen für das Zugfahrzeug

  1. Ein maximal zulässiges Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen.
  2. Das Zugfahrzeug muss mit einem automatischen Blockierverhinderer (kurz ABV oder ABS) ausgerüstet sein

Berechnung der zulässigen Anhängelast

Zulässige Gesamtmasse des Caravans ≤ Berechnungsfaktor a x Leermasse des Zugfahrzeugs

  • Auflaufbremse + Stoßdämpfer: a=0,8
  • Auflaufbremse + Stoßdämpfer + Antischlingerkupplung: a=1,0
  • Auflaufbremse + Stoßdämpfer + Anhänger-ESP: a=1,0
CARAVANING

Kosten & Zeitaufwand für die Zulassung

  • Prüfung und Ausstellung der Bescheinigung: 62,00 Euro
  • 1. Eintragung und Papiere (Zulassungsstelle): 11,70 Euro
  • 2. 100-km/h-Aufkleber mit Siegel (Zulassungsstelle): 3,60 Euro

= 77,30 Euro

Die auf dem Amt anfallenden Kosten sind mit 15,30 Euro deutlich geringer als die für die vorangegangene Prüfung. Die Einzelpreise können allerdings, je nach Bundesland, Region und Prüforganisation, leicht schwanken.

Zeit: Mit Termin bei der Prüforganisation, unter Berücksichtigung der Amts-Öffnungszeiten, ist die 100er-Zulassung an einem Tag möglich.

Achtung: Viele Caravanhersteller vermerken die Eignung direkt bei der Erstzulassung im Fahrzeugschein. Mit dieser Eintragung entfallen die Prüfung und ihre Kosten.

Tempo 100 Zulassung
Philipp Heise
Am Ausgabeschalter werden uns ein druckfrischer Fahrzeugschein Teil I und eine gesiegelte 100-km/h-Plakette ausgehändigt.

Fazit

20 km/h mehr klingen erstmal wenig, sind aber das fehlende Quäntchen, um hin und wieder aus der Brummi-Kolonne auszubrechen und legal zu überholen. Vielreisende Caravaner wissen diesen Luxus zu schätzen, da er die Monotonie des 80-km/h-Trotts durchbricht. Kritiker der Plakette argumentieren dagegen mit dem begrenzten Reifenalter von sechs Jahren (unattraktiv für Langzeitcamper) und der eingeschränkten Nutzbarkeit, da die Plakette im Ausland nicht gilt. Für unseren Ferdinand, der neben seinen Umbauten auch artgerecht bewegt wird, ist die 100er-Zulassung eine wirkliche Bereicherung.

Die aktuelle Ausgabe
Caravaning 06 / 2023

Erscheinungsdatum 09.05.2023

92 Seiten