Fast 61 Jahre lang war der alters- und klassenlose Grundstein des Hymer-Imperiums quasi immun gegen jeden Wachstumstrend – und jetzt kreuzt da eine Super-Landyacht unter Touring-Flagge, die 1,5 mal länger, 1,2 mal höher, 1,95 mal schwerer und – Achtung, festhalten – 3,45 mal teurer ist als der Troll 535, das bislang größte und mit 23.190 Euro teuerste aller Touring-Modelle. 74.990 Euro Grundpreis ruft Eriba ergo für den Touring 820 auf – ja, liebe Strategen in Bad Waldsee, da müssen höchste Erwartungen an Stil, Qualität und Ausstattung erfüllt sein.

Die Sache mit dem Stil erledigt der 820er quasi im Vorbeirollen. Er konserviert trotz kapitaler Maße den Charme des Touring, dekoriert die ikonische Grundform mit ein paar, nun, typisch amerikanischen Details. Aber das ist ja statthaft. Auch was die Ausstattung angeht, hat Eribas Aushängeschild in der Tat etliches Nützliches und Schönes vorzuweisen. Die überzeugenderen Beispiele aus der 76 Punkte umfassenden Liste der Serienausstattung, auf die es allerdings auch der Besteckeinsatz in der Küchenschublade schafft, sind die Warmwasser-Raum- und Bodenheizung, die Dachklimaanlage, die toll funktionierende Hydraulik-Stützenanlage mit automatischer Nivellierung und die CI-BUS-basierte, an Borddisplay und Smartphone steuerbare Bordtechnik. Dank 95-Ah-AGM-Batterie und 152-Liter-Kompressorkühlschrank ist der 820 außerdem kurzzeitautark. Diese Fülle ergänzt Eriba mit effektvoller Außen- und feudaler, weil vielfältiger, dimmbarer, stimmungsvoller und sehr modern designter Innenbeleuchtung.
Und dennoch ist der Touring 820 der Euro-Sechsstelligkeit näher, als man denken würde. Denn unter den Optionen finden sich etliche Dinge, die man bei einem Caravan dieser Kragenweite entweder in der Serienausstattung erwartet oder ohnehin mitbestellt. Zur ersten Kategorie zählt zum Beispiel das elektronische Fahrstabilitätssystem ATC, das der 2276-Kilo-Koloss (wir haben ihn vor Ort gewogen) trotz satter Stützlast nötig zu haben scheint. Dieses Urteil erlauben wir uns nach 100 Kilometern Fahrt mit einem Nissan Navara im Joch. Auch das GfK-Dach (990 Euro) kann helfen, die Freude am Touring 820 zu verlängern. Dass der 50-Liter-Abwassertank, der im Fotowagen wie der gleich große Frischwasserbehälter isoliert, beheizt und platzsparend im GfK-Boden eingelassen ist, stolze 695 Euro Aufpreis kostet, passt nicht zum Wesen des autarken Reiseriesen. Die zweite Stauraumklappe für den Bettstauraum und die Vorzelt-TV-Steckdose dürften ebenfalls gerne im hohen Preis inbegriffen sein.

Dass der viermotorige Truma Mover, die Markise und das penibel installierte Autark-Paket aus zusätzlichem 135-Ah-Lithium-Speicher und weiterem 95-Ah-AGM-Akku, die beiden je 90 Watt starken Solarmodule, der Spannungswandler sowie das Multi-Media-Paket mit Sat-Schüssel, TV und Radio extra berechnet werden, ist legitim. Und schwups stehen am Ende 99.528 Euro auf dem Preisschild des Fotowagens.
Auch wenn wir jetzt seitenweise über den leckeren Kontrast zwischen modernem Innen- und klassischem Außendesign, über massive, schön verarbeitete Chrom-Anbauteile und die Show-Beleuchtung schwadronieren könnten – am Schluss entscheidet schon auch der Gegenwert des Super-Touring, ob er den ein oder anderen Airstream-, Kabe-, Eriba-Nova-S-Interessenten oder sogar Wohnmobilisten auf seine Seite ziehen kann.
Überzeugende Innenausstattung mit einigen Mankos

Gelingen könnte ihm das. Zum Beispiel mit der wuchtigen Bugsitzgruppe aus zwei breiten Längsbänken und dem stabilen Einhängetisch mit seinem genialen Winkelbein zur flotten Nachtabsenkung (die Polster für den Bettumbau gibt’s allerdings nur gegen Aufpreis), von der aus man einen herrlichen Panoramablick genießt. Oder mit dem geräumigen Duschbad, das sich in Hymer-Reisemobilen bereits zigfach bewährt hat. Oder mit der funktionalen, stauraumreichen Küche, deren vier stabile Auszüge zentralverriegelt sind, die einen Kaffeemaschinenlift und ein Kapsel-Magazin im Oberschrank hat und die neben ihrem tollen Design mit einer kaum sichtbaren Silikonabdichtung zwischen Arbeitsplatte und Wandverkleidung begeistert. Und natürlich mit dem riesigen Heckbett, dessen Fußenden sich mit Einlegebrett und -polster vereinen lassen – falls einem der Platz so nicht reichen sollte.
Ja, man sieht, dass der Touring 820 aus gutem Hause kommt, in dem man nicht erst seit gestern Caravans baut. Und dennoch gibt es noch eine ganze Reihe Auffälligkeiten, die, formulieren wir es mal so, zeigen, welch enorme Herausforderung es ist, einen Touring XXL auf die Räder zu stellen. Die Alubahnen, die um den riesigen, selbsttragenden Stahlkäfig (in dieser Hinsicht trägt der 820 den Namen Touring völlig zu Recht) gezogen und gespannt werden, schlagen weithin sichtbare Wellen.
Unter sämtlichen Umleimern der weißen Möbelklappen quillt brauner (warum eigentlich ausgerechnet braun?) Kleber hervor. Die schicke, stoffbezogene Verblendung des linken vorderen Seitenfensters schlackert noch, und wenn man die Bug-Dachschränke öffnet, erkennt man zwar, dass sich die hochwertigen Scharniere und Verschlüsse in stabile Aluprofile krallen, aber auch, wie die GfK-Bugverkleidung mit dem Aufbau verschraubt ist. Die erhabene Schwelle der soliden einteiligen Tür sieht schon bei diesem Neuwagen aus, als hätte sie etliche Ausstellungen hinter sich. Auch freut man sich darüber, dass man die Lattenroste samt Matratzen zum Erreichen des Bettstauraums einzeln aufklappen kann. Aber man wundert sich darüber, dass dort, wo man sich beim Lesen aufstützt, ein Spalt entsteht.

Bei aller Sympathie für diesen mutigen, mächtigen und unverwechselbaren Wohnwagen mit seiner aufwendigen Bordtechnik und seinem luxuriösen Wohnkomfort: Der Eriba Touring 820 braucht noch Feinschliff, um seinen enormen Preis mit breiter Brust verteidigen zu können. Denn was die kleinen Touring seit über 60 Jahren beweisen, muss der große erst noch zeigen: dass er nicht nur einen zeitlosen Stil hat, sondern auch lange hält. Und natürlich, dass er am Markt ankommt. Es wäre doch zu schade, wenn der Touring 820 schon bald als Prestigeobjekt im Erwin-Hymer-Museum landen würde – und nicht erst in 60 Jahren.
Grundinformationen Eriba Touring 820
Schlafplätze: 2+2
Zul. Gesamtgewicht: 2500 kg
Aufbaulänge/Breite/Höhe: 7,07/2,36/2,79 m
Grundpreis ab: 74.990 Euro
Daten und Preise
Aufbau
Selbsttragender Stahlrahmen. Alu-Dach (30 mm), Alu-Seitenwände (30 mm). Boden GfK-Sandwich (51 mm) mit Bodenwannen für 50-Liter-Frischwassertank. Einteilige Aufbautür.
Ausbau
Sperrholzmöbel mit Metallscharnieren, Hakenschnäpper, Aluprofile für deren Befestigung,Küchenschubladen mit Selbsteinzug und mechanischer Zentralverriegelung.
Bordtechnik
Warmwasser-Raum- und -Fußbodenheizung Alde Compact 3020. Kompressorkühlschrank 152 L, Dachklimaanlage.
Chassis
Alko-Chassis mit Längslenkerachsen, selbstnachstellende Bremsen, Schlingerdämpfer Alko AKS 3004. Hydraulische, selbstnivellierende Stützenanlage mit 2 Achsstempeln/4 Stützen.
Maße und Gewichte
Länge x Breite x Höhe 848 x 236 x 279 cm, zulässiges Gesamtgewicht 2800 kg (mit Auflastung), Masse in fahrbereitem Zustand (Werksangabe mit Extras): 2300 kg.
Preise und Ausstattungen
Grundpreis 74.990 Euro, Auflastung 650 Euro, Rangiersystem Truma Mover XT 4490 Euro, Alko ATC 995 Euro, Multimedia-Paket Single (32-Zoll-TV, Antenne, Radio etc.) 3690 Euro,Hybrid-Batteriesystem mit 135-Ah-Lithium-Akku 2990 Euro,Markise1595 Euro,Solaranlage 1690 Euro, Wechselrichter 1690 Euro, Abwassertank unterfl. 695 Euro, Reserverad 450 Euro, Fahrradträger Deichsel 395 Euro, Polster f. Bettenbau 195 Euro, Truma Duocontrol CS mit Eis-Ex 545 Euro, Universalsteckdose außen 270 Euro, Gas-Außensteckd. 195 Euro, City-Wasseranschluss 295 Euro.
Wertung
Schlafen: 4,5 von 5 Punkten
Sitzgruppe: 4,5 von 5 Punkten
Küche: 4 von 5 Punkten
Sanitär: 4 von 5 Punkten
Möbelbau: 4 von 5 Punkten