Was kommt dabei raus, wenn man einfach mal die Jungen ranlässt? Die knappe Antwort: ein geräumiger und variabler Reisecaravan, der mit kleinen Abstrichen sogar Familien taugt.
Was kommt dabei raus, wenn man einfach mal die Jungen ranlässt? Die knappe Antwort: ein geräumiger und variabler Reisecaravan, der mit kleinen Abstrichen sogar Familien taugt.
Experimente? Nicht bei Fendt. Tiefgreifendere Änderungen schleichen sich erst in Produkte und Prospekte, wenn Chefetage, Entwicklungs-, Vertriebs- und Marketingabteilung sicher sind, dass sie weder Kundschaft noch Markenkern erschüttern. Aber man kann das ja verstehen. Wer sägt schon ohne Not am dicken Ast, auf dem man gerade so komfortabel sitzt?
Doch hin und wieder probieren die Strategen aus Mertingen sogar was aus. Zum Beispiel die Zusammenarbeit mit der FH Rosenheim. Wie viele Entwürfe zur effektiven Raumnutzung in einem Caravan in den jungen, unvoreingenommenen Köpfen der Studierenden entstanden sind, verrät die Pressemitteilung vom Juni 2018 nicht. Wohl aber, dass sich einer durchgesetzt hat. Und der wurde zum Serienmodell entwickelt und Bianco Emotion 445 FH getauft. Was den jungen Erfindern wichtig war, erschließt sich rasch: reisetaugliche Abmessungen trotz Garage für Fahrräder – und enormes Raumgefühl trotz reisetauglicher Abmessungen. Dass Vollwert-Versionen von Küche, Bad, Bett und Sitzgruppe dazugehören, versteht sich bei einem Fendt von selbst.
Umso überraschender ist, dass die Anordnung der Wohn- und Funktionsmodule gar nicht neu ist: Den quasi identischen Grundriss mit hochgesetztem Bett, Garage darunter und Dinette davor, mit Heckküche respektive -bad gibt es im deutlich kompakteren Adria Action seit vielen Jahren. Was also ist besonders am Bianco Emotion? Es sind die Details. Schon von außen fallen zwei davon auf: die hohen Seitenfenster und die an die Bugform angepasste Garagentür. Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen: Mit Oberschränken wären Fenster dieses Formats nicht zu realisieren. Und tatsächlich: Drinnen schlagen LED-Lichtleisten statt Schrankreihen die Brücke zwischen Bug und Eingang beziehungsweise Bad. Der Effekt ist frappierend. Selbst im Stehen blickt man aus dem lichtdurchfluteten Emotion in die Welt hinaus. Wir behaupten: Kein anderer Caravan dieser Größe offeriert ein derartig großzügiges Raumgefühl.
Stellt sich die Frage, was der Verzicht auf Dachschränke für das Stauraumvolumen bedeutet. Lässt man den Bugfrachtraum außer Betracht, lautet die Antwort: Es ist nicht überbordend und will überlegt genutzt werden. Einen vollformatigen Kleiderschrank gibt es nämlich nicht. Im Schränkchen zwischen linker Sitzbank und Bad ist zwar eine Kleiderstange montiert, doch die ist nur nutzbar, wenn die drei Fachböden entnommen werden. Dann allerdings bleiben für Wäsche die vier Schlafzimmer-Oberschränke und die zwei stabilen Schubladen unterhalb des Ausziehtischs übrig. Die Truhen der Längsbänke stehen natürlich auch für Gepäck bereit. Der 45-Liter-Wassertank (229 Euro, Serie: 25 Liter) rechts und die 55-Ah-Batterie des Autark-Pakets links lassen ausreichend Platz. Weiteren willkommenen Stauraum offeriert die Kommode im Eingang. Dort eingebaut ist auch das Radio, das gemessen am saftigen Preis (695 Euro) zu schlapp klingt und empfängt.
Der wichtigste und prägendste Stauraum ist freilich die Garage. Zu ihrer Ausstattung zählen das Rohr an der Bugseite, in das sich Fahrradhalter klemmen lassen, zwei Aluschienen mit Einschraub-Verzurrösen am Boden und Regalfächer – Fendt nutzt wirklich jeden Winkel. Doch dieses Bestreben birgt auch Nachteile. Das geht damit los, dass die der Bugform folgende Garagentür just an jener Stelle schmaler wird, durch die der Fahrradlenker gefädelt werden muss. Man sollte also den Lenker drehen. Zudem steht die Heizung im hinteren Bereich so weit in den Schacht, dass ein ausgewachsenes zweites Bike zu lang sein kann, um hinter dem ersten geparkt zu werden. E-Radler indes freuen sich über die Möglichkeit, ihr Akkuladegerät im Garagenregal zu deponieren und dort einzustecken. Um den Matsch von den G(e)räten zu spülen, ragt im Türbereich eine Mischarmatur samt Brause in den Türausschnitt – und mahnt zu erhöhter Vorsicht vor Material- und Wasserschäden. Ein Pumpenschalter wäre die sicherste Lösung.
Die Gewichtsverteilung des Bianco Emotion ist auf frontlastige Beladung abgestimmt: 40 Kilogramm beträgt die Stützlast ohne Flaschen, jedoch mit Ersatzrad (280 Euro) im Gaskasten. So bleiben Reserven bis zur maximalen Stützlast. Erst recht, wenn die Heckküche beladen und dadurch die Stützlast weiter verringert ist. Doch auch diese Medaille hat eine Kehrseite: Der unbeladene, mit zwei Alu-Gasflaschen ausstaffierte Emotion ist ein Zappelphilipp, macht sich selbst hinter einer Mercedes E-Klasse durch nervösen Geradeauslauf bemerkbar. Das teure elektronische Stabilisierungssystem ATC ist darum eine klare Empfehlung.
Weil der Absorberkühlschrank ein Abluftgitter in der Wand bedingt, fehlt der Küche ein Fenster – ein Kompressorgerät könnte diesem Grundriss guttun. Der tadellosen Konzeption und Konstruktion der Kombüse tut der fehlende Ausblick jedoch keinen Abbruch. Auch das Bad überzeugt durch gute Nutzbarkeit, Bewegungsfreiheit und viel Stauraum. Nur die Einteilung des Schranks über der Banktoilette könnte durch zusätzliche Einlegeböden verbessert werden: Seine drei Fächer sind zu hoch, um sie sinnvoll zu füllen.
Das raumgreifende Ensemble aus großer Sitzgruppe und Hochbett im Bug ist das Herzstück des Emotion. Dass der Tisch unters Bett eingeschoben als schmale, platzsparende Ablage und voll ausgezogen und vom Tischbein gestützt auch als Tafel für sechs Personen taugt, begeistert ebenso wie die mannigfaltigen Möglichkeiten, auf den straffen, perfekt geschnittenen Polstern zu sitzen oder zu fläzen. Die Füße streckt man dabei in den Tunnel unter dem Bettstauraum. Kleiner Wermutstropfen: Dem Fernseher dreht man in dieser Position den Rücken zu.
Gut, dass sich der Sofa-Polsterkeil auf die Bettseite vor dem Tunnel stellen lässt – auch wenn die Bank so ein bisschen kürzer wird. Doch durch den aufstellbaren Lattenrost kann man übrigens auch aus dem Bugbett ein bequemes Sofa bauen. Die Freude über den hohen Liegekomfort auf den beiden 7-Zonen-Kaltschaummatratzen schmälert jedoch der Spalt dazwischen. Leicht sinkt man mit dem Ellenbogen ein. Ein Verbindungsreißverschluss würde verhindern, dass das passiert – und die vordere Matratze ließe sich dennoch auf die andere legen, um den Rost für volle Ladehöhe aufzuklappen.
Der Polsterkeil passt auch bettseitig – ideal zum Fernsehen. Ein zweiter wäre aber auch schön.
Heizung mit Boiler, fernsteuerbar mit iNet-Box – aber direkt unter dem Bettkopfende.
Die serienmäßige Außendusche ist eine feine Sache – nur kann man versehentlich dranstoßen.
Für volle Ladehöhe muss eine Matratze weg und der Rost hochgezogen oder -gestemmt werden.
In den Spalt zwischen Matratzen und Lattenrosten sinkt man beim Abstützen auf dem Arm ein.
Alle Angaben (L x B bzw. B x H x T)
Kleider-/Wäscheschrank
31 x 104 x 63 cm mit Kleiderstange und 3 herausnehmbaren Einlegeböden. Kommode mit 2 Regalen und Radio neben Eingang.
Dinette
198 x 53 cm, darunter Bordbatterie und Moversteuerung, 165 x 53 cm, darunter Wassertank. Bänke münden in Tunnel unter Bett. Liegefläche: 213 x 158/125 cm, 3 verstärkte Zusatzpolster nötig. Zweistufig ausziehbarer Tisch mit Klappbein. 95 x 71 cm. Darunter 2 Schubladen.
Küchenblock
138 x 93 x 67/73 cm. Unterschrank mit 3 Schubladen, Unterbaukühlschrank, 2 Hängeschränke (links breit, rechts schmal), Wandschiene mit 3 verschiebbaren Haken.
Querbett
205 x 138 cm, zwei 7-Zonen-Kaltschaummatratzenauf zweigeteiltem und härteverstellbarem Holzlattenrost. Vorderer Teil nach hinten aufklappbar (mit Rastaufstellern). Darunter Garage mit Fahrradhaltevorbereitung, Zurrschienen, Regalablagen, Heizung und Truma iNet-Box.
Sanitärraum
73 x 194 x 112 cm, Heckschrank mit 3 Fächern, Ablage über Fenster, Ablage unter Waschbecken, 1 Spiegel, 3 Wandschienen, darin 2 Becherhalter und 2 Haken. Toilettenpapierhalter.
Karosserie
Aufbau: Sandwichbauweise mit EPS-Isolierung. Dach Alu (39 mm), Wände Hammerschlag (31 mm). Boden Sperrholz (47 mm). Gaskasten ABS mit Parallelogramm-Beschlag. Tür 182 x 54 cm mit Fenster, Mülleimer, Plisseeverdunkelung und Fliegenschutztür, integrierte Einstiegsstufe, Höhe 38 cm. Anbauteile: 3-teiliger Heckleuchtenträger. Bugelemente aus LFI, integr. Rangiergriffe.
Fenster/Hauben: 3 Ausstellfenster mit Rastaufstellern und Rastrollo-Verdunkelung,Panoramafenster. 1 Midi-Heki.
Möbel
Material/Beschläge: Sperrholzmöbel mit Metallscharnieren und integrierten Federaufstellern. Pushlock-Verriegelung an Küchenschränken, Schubladen mit Selbsteinzug. Badtür mit Fallenschloss.
Bordtechnik
Gas/Heizung: Truma Duocontrol mit Crashsensor und Gasfiltern. Gasheizung Truma Combi 4 mit CP-Plus-Bedienteil und 12-Volt-Gebläse, 4 Ausströmer (1 x Sitzgruppe, 1 x Eingang, 1 x Bad, 1 x Garage). Steuerung via iNet-Box. Batterie 55 Ah.
Wasseranlage: 45-Liter-Frischwassertank, Tauchpumpe, 10-Liter-Boiler in Heizung. Außendusche Garage. Abwassertank rollbar in Gaskasten.
Elektrik: Umformer/Ladegerät Dometic SMP 301,350 W. 8 Steckdosen, Batterie-/Tankanzeige. TV-Kabelverlegung.
Beleuchtung: 1 Deckenleuchte, 2 Leuchtleisten über Sitzgruppe, 2 Leseleuchten Bett, Leuchtstäbe Küchenarbeitslicht, indirekte Beleuchtung über und unter allen Oberschränken in Bug und Küche, Bad 2 Spots und Leuchtstab. Vorzeltleuchte. Leuchtstab in Garage.
Küchenausstattung: Dreiflammkocher mit Zündhilfe und Gussrost, Rechteckspüle mit integriertem Hebelmischer, Glasabdeckungen. Kühlschrank Dometic RMS 8550 mit 106 Liter Nutzinhalt und herausnehmbarem 12-Liter-Gefrierfach.
Sanitär: Thetford-Banktoilette C200 mit Keramikeinsatz. Kunststoff-Eckwaschbecken mit Hebelmischer.
Grundpreis: 21.390 Euro
Testwagenpreis: 34.124 Euro
Wohnen 3,7
Betten 3,7
Sitzgruppe 3,8
Küche 3,7
Sanitärraum 3,5
Möbelbau 3,9
Beladen 4,2
Stauräume 3,3
Zuladung 5,0
Technik 3,9
Aufbau 3,8
Sicherheit 4,0
Bordtechnik 3,9
Verarbeitung 4,0
Beleuchtung 4,0
Wintertauglichkeit 3,8
Fahren 3,4
Fahreindruck 3,5
Fahrsicherheit 3,3
Preis & Service: 3,9
Preis/Leistung: 3,8
Garantie: 3,7
Servicenetz: 4,6
*von jeweils 5 möglichen Punkten.
Für und Wider reichen sich im Emotion oft die Hand: Der Verzicht auf Dachschränke sorgt für enormes Raumgefühl, verknappt aber den Stauraum im Wohnbereich. Um die Sitztruhen frei zu halten und Einbaubestimmungen zu erfüllen, rückt die Heizung weit in die Garage – wodurch zwei Bikes dort nur knapp und mit gedrehten Lenkern reinpassen. Und trotzdem zieht der Emotion in den Bann. Weil er viel Wohlfühlraum offeriert. Weil er variabel ist. Und weil das Ganze in bewährter Fendt-Qualität dargeboten wird.