Fendt Bianco Selection 465 SFB
Kühl Kalkuliert

Obwohl sich die Caravans der Marke verkaufen wie geschnitten Brot, legt Fendt ein Sondermodell mit Bonus-Ausstattung inklusive Klimaanlage auf. Ist der Bianco Selection 465 SFB mehr als ein günstiger Lockvogel?

Fendt Bianco Selection 465 SFB: Seitenansicht
Foto: MotorPresseStuttgart

Ein wenig exklusiver Schmuck darf es bei Fendt schon sein. Zum Beispiel eine Dachreling, die aber keine tragende Rolle übernehmen kann, weil die Dachklimaanlage von Dometic zwischen ihren Holmen sitzt. Das Kühlaggregat ist der teuerste Posten der Extras, die diesen Fendt Bianco 465 SFB zum Sondermodell Selection adeln.

Außen trägt er verchromte Aluminiumräder und eine elegante silberne Bauchbinde, innen Teppich, TV-Schwenkarm, spezielles Polsterdekor samt Zierkissen und Tischtuch sowie eine Komfortmatratze. 19 784 Euro kostet der Bianco Selection – 2380 Euro weniger als ein per Einzeloptionen identisch ausstaffierter Serien-465er, dessen Grundriss der Selection übernimmt.

Weil Fendt zurzeit keine Probleme hat, seine acht  Baureihen zum Listenpreis unters Volk zu bringen, darf der Selection als neuer Vorstoß in fremdes Revier gedeutet werden. Oder etwas friedlicher: als Verlockung für Marken-Enthusiasten, die ihrem luxuriösen Saison-Domizil einen wendigen, komfortablen Reisewagen zur Seite stellen wollen.

Gekleidet ist auch das Sondermodell in bester Fendt-Manier. Nichts an der Karosserie erlaubt den Schluss, dass es sich bei der Baureihe Bianco um die zweitgünstigste nach dem Saphir handelt. Hier macht sich die jahrelang gepflegte Ein-Klassen-Strategie be-zahlt. Also trägt auch der Bianco Selection Außenwände aus feinnarbigem Hammerschlag-Aluminium und pieksauber angebrachte Kederleisten. Und dass sämtliche Anbauteile aus Kunststoff, einschließlich des stabilen Gaskastendeckels, vorbildlich angepasst wurden.

Zudem sind alle Kurbelstützen sehr gut erreichbar, die Rangiergriffe fest und an der richtigen Stelle montiert. Die Fenster verfügen über Sicherungsknöpfe an den Riegeln, und die hochwertige Aufbautür trägt beim Sondermodell ein Fenster. Deshalb gibt es nur eins zu bemängeln: Fendt montiert die Seitenbegrenzungsleuchten in den Wänden. Dadurch entstehen nicht nur Kältebrücken, sondern es könnte über die Zeit auch Feuchtigkeit in das mit Styropor isolierte und von Hartholzeinlegern durchzogene Sandwich des Aufbaus eindringen.

Bei der Definition des Begriffs Komfort spielt der Grundriss die entscheidendere Rolle als die Ausstattung. Die Vor- und Nachteile der klassischen Raumaufteilung des Modells liegen auf der Hand.

Weil das Längsbett im Bug von einem geschlossenen Toilettenraum und einer offenen Waschzeile flankiert wird und der Bianco 465 SFB die Reisewagen-Breite von 2,32 Meter einhält, muss sich das Bett mit 1,34 Metern bescheiden. Zum Fußende hin zieht sich die bequeme Matratze, die auf einem hochwertigen und verstellbaren Lattenrost liegt, auf 1,15 Meter Breite zurück. Das ist kein ungewöhnliches Maß, aber eben nicht für jeden genug. Immerhin ist das Bett fast zwei Meter lang. Eine Plisseetür zwischen Bett, Bad und Wohnraum schafft ein wenig Privatsphäre.

Im geschlossenen Toilettenraum – er ist mit einer gründlich verfugten Duschtasse, nicht aber mit Dusche ausgerüstet – bleiben 85 Zentimeter Schulterbeite. Genug, um sich ohne Wandkontakt auf der Toilette niederzulassen. Sie informiert per Leuchtdioden über die Füllstände des eigenen Spülwassertanks und der 19 Liter fassenden Fäkalienkassette.

Die Rundsitzgruppe dominiert das Heck. In ihrer Mitte: eine ausreichend große Tischplatte, getragen von einem stufenlos höhenverstellbaren, soliden Teleskopbein mit einem breitem Standfuß.

Die straffen Sitzpolster liegen satt auf den Klappdeckeln der Truhen. Trotz vierarmiger Deckenlampe, LED-Lichtband über den Schränken und zwei Lesespots wird es in der Sitzgruppe nicht so richtig hell.

Sogar regelrecht duster ist der Waschbereich. Das Spiegelsegment – leicht verschiebbar vor dem großen Badschrank eingebaut, um seine linke Hälfte reisesicher zu verschließen –   liegt im fahlen Schein dreier Halogenbirnchen mit winzigen Reflektoren. Zudem ragt der Alibert über das kleine Waschbecken. Das verlangt Geschick, um beim Zähneputzen zielsicher auszuspucken.

An die Waschzeile schließt der große zweitürige Kleiderschrank an. Vom Kaminrohr der Standardheizung Truma S 3002 erwärmt, trocknet er feuchte Kleidung in Minutenschnelle. Außerdem installiert Fendt im Schrankkorpus den kräftigen 400-Watt-Umformer sowie zwei 230-Volt-Steckdosen. Letztere speisen Fernseher und Satelliten-Receiver, falls vorhanden. Der Boden für Fernsehvergnügen ist dank Antennenkabel und TV-Schwenkarm ab Werk bereitet.
Weil Fendt den schmalen  und dennoch sehr gut nutzbaren Hochkühlschrank von Dometic inklusive weiterem Unterschrank als Trennelement zwischen Bugbett und Küchenblock einsetzt, entsteht im Küchenblock Stauraum en masse. Er verteilt sich auf drei selbsteinziehende Schubladen und einen hohen Korbauszug. Jede Lade ist mit zehn Kilogramm belastbar und mit Drucktastenschlössern ausgerüstet.

Ein Rätsel bleibt, warum Fendt die beiden schmalen Unterfachklappen mit Schlössern, die Klappen der großen Oberschränke jedoch mit einfachen Rollen-Schnappverschlüssen versieht. An allen anderen Oberschränken im Wohn- und Schlafbereich, in denen vorrangig Leichtes verstaut wird, genügt diese Art von Verschluss.

Beim Beladen des Selection 465 SFB fällt zudem auf, dass sämtliche großen Stauräume mit Ausnahme des Kleiderschranks links angeordnet sind. So ergibt sich automatisch ein Ungleichgewicht bei den Radlasten. Gut, dass Fendt auf hochwertige Markenreifen  mit großen Traglastreserven vertraut, die auch beim Test-465er genügen.

Eine serienmäßige Serviceklappe stellt sicher, dass  Gepäck einfach unter den großen Bettstauraum verladen werden kann. Wie es sich gehört, machen Warmluftleitungen und die parallel dazu verlegten Wasserleitungen einen Bogen um sie. Allerdings verlegt Fendt  Stromkabel in einem Kunststoff-Kanal unterhalb der Luke – an ihm kann man beim Be- und Entladen hängenbleiben. Auch muss der Selection-Eigner aufpassen, dass rutschende Ladung im Bettkasten nicht die empfindlichen Warmluftleitungen an der Bugwand trifft.
Bei der Konstruktion des Mobiliars wählt Fendt einen klaren Weg: Robustheit vor Detailverliebtheit. Kritische Geister mögen hier und da etwas breitere Spalten oder minimal fransige Schnittkanten ent-decken, zum Beispiel an den Seitenteilen des Regals über dem Kopfteil des Betts. Aber es gibt keinen Anlass, grundsätzlich an Qualität und Haltbarkeit der Konstruktion zu zweifeln. Auch bei der Ausgestaltung des Interieurs mit Fächern und offenen Ablagen, Steckdosen und Schaltern beweisen die Konstrukteure Sinn für die Praxis.

Deutlich ungewöhnlicher als Grundriss und Ausstattungsfülle des Fendt Bianco Selection 465 SFB ist seine Größe. Kaum ein Wettbewerber setzt noch auf fünf Meter Innenlänge. Vergleichbare Wagen ähnlichen Zuschnitts gibt es zwar in Fülle. Tabbert Da Vinci, Wilk Sento, Knaus Südwind und Hymer Sporting Style rangieren jedoch in der 450er- oder 490er-Klasse mit 4,5 und rund 5,30 Metern Nutzlänge. Nur LMC setzt mit dem Musica 470 ebenfalls auf das Fünf-Meter-Maß.

Der Bianco Selection ist  ein solider Reisecaravan mit viel Bewegungs- und Stauraum. Ein kühles Angebot für kühl kalkulierende Käufer, die eine Klimaanlage und diesen Grundriss wollen. Alle anderen werden auch mit dem Standard-Bianco glücklich.

Daten und Fakten: Fendt Bianco Selection 465 SFB

Grundpreis: 19.784 Euro
Aufbaulänge: 5,55 m
Schlafplätze: 4
Zulässiges Gesamtgewicht: 1500 kg
Baureihe: Die Baureihe Bianco rangiert knapp oberhalb des Saphir, beschränkt sich aber auf kompakte Grundrisse. Neben dem Bianco und dem Selection umfasst die Baureihe zwei eher hell dekorierte Sportivo-Modelle.

Hersteller: Fendt Caravan, Telefon 090 78/96 88-0, www.fendt-caravan.com

Kompakt-Info: Fendt Bianco Selection 465 SFB

Auf- und Ausbau
Karosserie:
Wand: 31 mm (Aluminium, 27 mm Styropor, Sperrholz). Dach: 39 mm (Aluminium, 31 mm Styropor, Sperrholz). Boden: 47 mm (Sperrholz, 35 mm Styropor, Sperrholz, PVC). 6 Ausstellfenster, Tür mit Fenster, 1 Midi-Heki.

Möbel:
Material: Sperrholz. Beschläge: Metallscharniere und Doppelrollen-Schnappverschlüsse. Drucktasten an Küchenschubladen, -ablagen und an 2 Toilettenraumfächern. Drehstangenschloss am Kleiderschrank.

Bordtechnik:
Heizung Trumatic S 3002 mit 230-V-Gebläse, 5 Ausströmer. Umformer 400 Watt, FI-Schutzschalter. Halogenbeleuchtung. Vorzeltleuchte.

Preise und Ausstattung

  • Grundpreis: 19.784 Euro
  • TÜV/Zulassungsbescheinigung II: 135 Euro
  • Wagenheber (5 kg): 153 Euro
  • Reserverad (22 kg): 195 Euro
  • Flachbildschirm und Receiver (10 kg): 754 Euro
  • Duscheinrichtung (1 kg): 388 Euro
 
Fahrwerk und Gewichte


Fahrwerk:
Alko-Chassis mit Schräglenkerachse und Stoßdämpfern, Anti-Schlinger-Kupplung Alko AKS 3004, Deichselabdeckung, Sützlastwaage an Stützrad, Schwerlast-Kurbelstützen, Reifen Semperit Van Life, 205/55 R 15 C, Tragfähigkeit 850 kg.

Maße im fahrbereiten Zustand*:1425 kg
Zulässiges Gesamtgewicht: 1500 kg
Normzuladung (abzügl. pers. Ausrüstung**): 75 kg
Radlasten fahrbereit links: 580 kg
Radlasten fahrbereit rechts: 640 kg
Stützlast fahrbereit: 80 kg
Maximale Stützlast: 100 kg

*Eigengewicht des getesteten Caravans nach EU-Richtlinie 97/27/EG (einschließlich Gas, Wasser, Elektrik);
  **für vier Personen nach der Formel: M (kg) = 10 N (Summe der Betten) + 10 L (Aufbaulänge in Meter) + 30.
 

Fazit

Das hohe Niveau bei Verarbeitung und Ausführung überzeugt. Doch zaubern kann Fendt nicht. Einige Kritik geht auf das Konto des Grundrisses, andere ist dem Preisdruck geschuldet, der wohl auch in der 20 000-Euro-Klasse herrscht. Fehlende Drucktastenschlösser am Küchenoberschrank? Diffuses Licht? Hier kann auch Fendt noch nachbessern.

Die aktuelle Ausgabe
Caravaning 06 / 2023

Erscheinungsdatum 09.05.2023

92 Seiten