Fendt wird 50 und erneuert seine Spitzenbaureihe radikal. Wir haben das einzige Modell mit Doppelbett zum Supertest geladen und herausgefunden, wie es sich im neuen Diamant wohnt.
Fendt wird 50 und erneuert seine Spitzenbaureihe radikal. Wir haben das einzige Modell mit Doppelbett zum Supertest geladen und herausgefunden, wie es sich im neuen Diamant wohnt.
Wenn Fendt was Neues bringt, muss der Schuss sitzen. Experimente? Niemals. Und so tastet man sich Jahr für Jahr auf der Basis von bewährten Grundrissen und Materialien in eine neue Saison. Wenn sich dann der Diamant des Jahrgangs 2021 ins Bild schiebt, könnte man denken, in Mertingen hätte man nicht nur insgesamt 16 Grundrisse, sondern auch etliche Prinzipien über Bord geworfen: Mit scharf gezeichneten, sportlichen LED-Rückleuchten-Bändern samt angedeutetem Carbon-Diffusor hinten (Kenner sehen gar Ähnlichkeiten mit dem Modell DB 11 von Aston Martin) und der breiten, eher eleganten Chromspange im ebenfalls neu gezeichneten Bug macht der Diamant einen überraschend großen Schritt.
Man liegt vermutlich nicht falsch, wenn man behauptet, dass er die Designsprache aller künftiger Fendt-Modelle vorwegnimmt. Aber: Hinter der Fassade bleibt sich Fendt treu – in manchen Punkten sogar zu treu. So behält das Topmodell den Aufbau mit Hammerschlag-Alu und Styropor im Holzfachwerk. Dafür gibt es nun GfK statt Alu auf dem Dach – gegen Aufpreis. Doch aus dem Boden verschwindet der Kunststoff sogar wieder ganz. Auch die Tradition der hohen Stützlasten führt der neue Diamant konsequent fort. Dennoch: Die Stärken des Fendt überwiegen im Supertest klar.
Nachdem die Brillant-Baureihe im letzten Jahr eingestellt wurde, ist nun der Diamant das Flaggschiff aus Mertingen. In diesem Zusammenhang wundert es kaum, dass für die Saison 2021 der einzige 2,30 Meter breite Grundriss (550 SG) entfällt. Dank eigenständigem Außendesign hebt sich die höchste Baureihe stark vom Einheitslook ab, den Fendt in den letzten Jahren kräftig forciert hat. Größter der drei Grundrisse ist der Tandemachser 650 SG. Er kommt mit Einzelbetten im Bug und bringt es auf 7,46 Meter Aufbau- respektive 8,64 Meter Gesamtlänge. Damit ist er nochmals spürbar größer als das aktuelle Supertestmodell Diamant 560 SF.
Man kann über weißes Echtleder auf Sitzgruppen trefflich streiten. Unstrittig ist dagegen der erstklassige Sitzkomfort im Diamant, egal welcher Bezug die Federkernpolster(!) ziert. Das liegt neben ausgeformten Oberschenkelauflagen und Lordosenstützen auch an den beiden Kopfstützen, die sich für einen gemütlichen Fernsehabend in der Höhe verstellen lassen. Der dazu notwendige Fernseher, hier das 24-Zoll-Gerät für 624 Euro aus der Fendt-Preisliste, hängt im harmonisch geschwungenen Möbel neben dem Eingang an einem serienmäßigen Schwenkarm und ist deshalb auch vom Doppelbett aus gut zu sehen.
Über den tief montierten Mehrfachschalter unterhalb des Fernsehers lässt sich das Hauptlicht komfortabel von draußen schalten. Drinnen ist das höher montierte Panel am gegenüberliegenden Oberschrank die bessere Alternative zur Steuerung der aufwendigen Beleuchtung, denn hier sind alle Lichtszenarien mit Piktogrammen dargestellt, was die Treffsicherheit erhöht und die Bedienung vereinfacht. Angrenzend an den TV-Schrank ist der nun CI-fähige Dometic-Kühlschrank mitdoppeltem Türanschlag, exzellenter Beleuchtung und separatem Frischefach untergebracht, der den Hobby-/Fendt-exklusiven150-Liter-Slim-Tower ersetzt. Aber: Das digitale Bedienfeld braucht immer Strom. Ohne Bordbatterie, Zugwagen oder 230-Volt-Einspeisung kühlt der Dometic nicht mal mit Gas.
Der Küche spendiert Fendt einen serienmäßigen Backofen und eine ansprechend hinterleuchtete Rückwandblende. Nicht überzeugt hat die billige Klapparmatur des Spülbeckens. Schwergängig schwenkend und schlecht entgratet, ist der leichte Kunststoffhahn dem Qualitäts- und Preisniveau des Diamant nicht würdig.
Ein gutes Beispiel für die sehr gute Qualität und hohe Verarbeitungsgüte ist der Möbelbau. Öffnet man eine der drei Küchen-Oberschrankklappen, so fällt auf, dass diese an drei massiven Softclose-Scharnieren schwenkt, die wiederum mit insgesamt 30 Schrauben befestigt sind. Auch im Unterschrank überzeugen die Schubladen mit sauber gleitenden Auszügen, solider Machart und sicherer Verriegelung. Einzig die unverblendeten Schraubenköpfe unterhalb der Sitzgruppen-Oberschränke trüben das Bild. Aber das ist wirklich Nörgeln auf sehr hohem Niveau.
Fast alles richtig gemacht hat Fendt beim Bett. Für erstklassigen Schlafkomfort sorgt die 18 Zentimeter dicke 7-Zonen-Komfortschaummatratze auf einem härteverstellbaren Holzlattenrost. Aber warum beginnt der Absatz mit "fast" und nicht mit "alles"? Weil sich das Kopfteil des Lattenrosts nicht aufstellen lässt und das Regal am Kopfende gemütliches Anlehnen vereitelt – nur damit gibt’s oder vielmehr gäbe es beim Supertest die Bestnote. Die abgebildete Bettwäsche liegt übrigens als Schlafwelt-Paket für 355 Euro bei. Ein gelungenes Detail mit Doppelnutzen ist die Garderobe am Fußende. Dank ihr lässt sich der äußere Schlafplatz des Doppelbettes auch ohne Kletterpartien über den Partner erreichen.
Als Ablage fungiert das bereits erwähnte Regal am Kopfende, das von einem kleinen Schränkchen flankiert wird. Letzteres schließt leider recht laut und enttäuscht zudem mit geringer Tiefe. Den triftigen Grund dafür erfahren Sie links unter "Nachgefragt". Ebenfalls nicht optimal ist der einfache Stoff-Raumtrenner, weil er nicht lichtdicht ist. In der Oberklasse wären feste Schiebetrennwände, wie sie in den beiden Einzelbettmodellen des Diamant vorhanden sind, schon angemessen.
Zweigeteilt, wie bei diesem Grundrissklassiker üblich, schmiegt sich das Bad an das Doppelbett. Der Waschbereich punktet mit guter Abdichtung, gelungener Ausleuchtung und jeder Menge Stauraum. Edel mattiert, gefällt der weiße Waschtisch und auch die aufgesetzte Armatur wird dem Oberklasseanspruch gerecht. Im Toilettenraum spart sich Fendt die Abdichtung der elf Zentimeter hohen Duschwanne, wenn kein Duschpaket (935 Euro) an Bord ist. Durch seine 2,50 Meter Aufbaubreite und das große Fenster sind Platz und Belüftungmöglichkeit gegeben. Utensilien wie Toilettenpapier oder Sanitärzusätze finden entweder in zwei offenen Fächern samt Herausfallschutz oder in zwei Klappenstaufächern Platz.
Trotz der aktuellen Mehrwertsteuersenkung sind alle Preise in diesem Supertest mit 19 % angegeben, da eine Auslieferung bis Ende des Jahres eher unwahrscheinlich ist. Klimaanlage und GfK-Dach sind zwei von mehreren guten Argumenten für das knapp 3.700 Euro teure 50-Jahre-Fendt-Paket. Dafür ist bereits die Polstervariante Medina oder das weiße Echtleder (Einzelpreis 2.199 Euro) enthalten. Der 386 Euro teure Fahrrad-Deichselträger ist aufgrund der hohen Stützlast keine Option. Besser angelegt ist das Geld im verhältnismäßig günstigen Safety-Paket für 770 Euro. Es enthält das überarbeitete ATC 2.0 (Schleuderschutz), einen Crashsensor samt Filter für die Gasanlage und eine Radkralle als Diebstahlschutz.
Grundpreis: 35.700 Euro* mit TÜV und Zulassungsbescheinigung II (178 Euro)
Testwagenpreis: 40.814 Euro
✘ Auflastung auf 2.000 kg ✔186 Euro
✘ 50-Jahre-Fendt-Paket✔ (Echtlederpolster, Klimaanlage, GfK-Dach) (55 kg) 3.690 Euro
✘ Schlafwelt-Paket (Spannbetttuch, 2 Kopfkissen, 2 Bettdecken, Bettbezug zweiteilig) (7 kg) 355 Euro
✘ Fernseher 24" (4,2 kg) 624 Euro
✘ Vorzeltsteckdose (230 V, 12 V, TV) (0,5 kg) 259 Euro
Autarkpaket III ✔ (22 kg) 999 Euro
Safety-Paket (ATC 2.0, Duo Control mit Crashsensor, Diebstahlsicherung Radkralle) (11,8 kg) ✔ 770 Euro
Duschpaket (Vorhang, City-Wasseranschluss, Truma Combi 6E) (4,5 kg) 935 Euro
Sound-Paket (DAB-/CD-Radio, 2 Lautsprecher) (1,5 kg) 733 Euro
GPS-Tracker mit USB-Anschluss (0,8 kg) ✔199 Euro
Kosten und Service
Für zwei Personen sind Stauraumangebot und Zuladung üppig. Zudem ist die Auflastung auf den Maximalwert von zwei Tonnen verhältnismäßig günstig (186 Euro). Schweres Gepäck sollte aber nicht nur wegen der großen Außenstauklappe und des weit aufschwingenden Doppelbetts möglichst weit nach hinten. Grund ist die hohe Stützlast, die allein mit zwei Gasflaschen und dem optionalen Reserverad die 100-Kilo-Grenze reißt (118,5 kg). In Folge ist der robust ausgekleidete Gaskasten, trotz Platzreserven, für Kabeltrommel und Ähnliches tabu.
Auch der 45-Liter-Frischwassertank vor der Achse sollte bei der Fahrt lieber leer bleiben, damit sich seine Masse nicht zur Stützlast addiert. Gewichtsgünstig auf der Achse finden sich dagegen Wäsche- und Kleiderschrank. Beide bieten reichlich Platz, wobei sich der Wäscheschrank durch seine flexiblen Zwischenböden anpassen lässt. Weiterer Stauraum findet sich in den soliden Oberschränken, deren Klappen von starken Softclose-Scharnieren und Schnäppern zugehalten werden. Durchdacht sind hier die Aussparungen in den Eck-Trennwänden. Sie sorgen dafür, dass selbst verrutschte Ladung erreichbar bleibt.
Einem schweren Elektrofahrzeug läuft der Caravan brav nach. Zieht dagegen ein konventionelles Fahrzeug wie der Skoda Superb Scout den getrimmten und beladenen Diamant, wird dieser ab etwa 95 km/h unruhig. Das empfehlenswerte Safety-Paket mit ATC 2.0, Crashsensor für die Gasanlage und Radkralle für 770 Euro* ist daher eine lohnenswerte Investition in die Fahrsicherheit.
Stringent ist der Einsatz von GfK bei Fendt noch nicht: Gab es im 2020er Diamant noch einen GfK-beschichteten Boden serienmäßig, so ist dieser 2021 plötzlich verschwunden. Warum, haben wir nachgefragt und eine erstaunliche Antwort erhalten. Dafür löst nun ein optionales GfK-Dach die Alufiber-Variante ab – allerdings nur beim Diamant.
Nichts Neues gibt es beim Wandaufbau: Grober Hammerschlag ist ebenso alternativlos wie der Sandwichaufbau mit Styroporschaumisolierung im Holzfachwerk. An Bug und Heck kommen auch weiterhin hochwertige LFI-Elemente (Faserverstärkter Kunststoff) zum Einsatz. Einzig die neuen Rangier- griffe sind aufgrund ihrer Größe nicht optimal zu umgreifen und verwinden sich unter Last spürbar. Auf die Dichtigkeit des Aufbaus gibt Fendt beachtliche zwölf Jahre Garantie – die jährliche Kontrolle vorausgesetzt.
Dem Diamant vorbehalten ist das Bedienpanel in Glasoptik im Eingang, das über den CI-Bus-Standard die verschiedensten Geräte vernetzt. Hier laufen die Fäden für Steuerung (Klimaanlage, Kühlschrank, Licht, Fußbodenerwärmung und Heizung) und Abfragen (Frischwassertank, Ladestand und Temperaturen) zusammen. Fragwürdig ist der Zweck der Kühlschranksteuerung, da dieser ja nur eine Armlänge entfernt steht.
Die gelungene und fein verarbeitete Beleuchtung im Diamant lässt sich grob in die drei Ebenen Hauptlicht sowie direktes und indirektes Ambientelicht gliedern. Haupt- und indirektes Ambientelicht sind warmweiß und in je zwölf Stufen dimmbar. Die direkte Variante unterhalb der Oberschränke schimmert kaltweiß und kennt nur an oder aus. Separiert davon reagieren die Lichter in Küche und Bad nur auf zwei Doppelschalter.
Gut gelöst ist der Mehrfachschalter am Bett, mit dessen Hilfe sich unter anderem das Licht im Wohnbereich löschen lässt. Außen kann der Diamantbesitzer zwischen punktuellem Licht durch die Vorzeltleuchte oder flächiger Beleuchtung durch die Kederleiste wählen. Zusätzlich gibt es einen Schalter für eine Unterbodenbeleuchtung, die der Testwagen nicht hatte.
angelehnt an DIN EN 12464-1
Die Kurbelstützen sind vorn und hinten verlängert und somit immer hervorragend erreichbar.
30 Schrauben pro Oberschrankklappe stehen für einen soliden Möbelbau auf höchstem Niveau.
Gut, eine Waage zu haben, 118 Kilogramm ohne Reisegepäck sind trotzdem entschieden zu viel.
Der Stoffraumtrenner ist in dieser Fahrzeugklasse fehl am Platz und zudem nicht einmal lichtdicht.
Thomas Kamm, Leiter Marketing bei Fendt-Caravan, nimmt Stellung ...
... zum GfK-Boden, den es nicht mehr gibt: Wir haben uns aus ökologischen und qualitativen Gründen dazu entschieden, wieder auf unseren traditionellen und bewährten Sperrholz- Sandwichboden zurückzugreifen. ... zur hohen Stützlast im Auslieferungszustand: Die besten Staumöglichkeiten sind bei diesem Modell unter dem Bett im Heck und auf der Achse. Wir werden dies aber vor dem Start der Serienproduktion nochmals prüfen.
... zum billigen Küchenwasserhahn: Wir haben hierzu bisher kein negatives Feedback bekommen. Wir werden das Thema im Auge behalten, obgleich die Vielfalt bei den Klapparmaturen leider nicht sehr umfangreich ist.
... zur geringen Tiefe des Bett-Schränkchens: Die Kontur der Aufbauform ist an dieser Stelle gebogen und durch den integrierten Rangiergriff ist das Platzangebot nicht so üppig wie in der Mitte. Außerdem haben wir hier eine Belüftung zur besseren Zirkulation eingebaut.
Wohnen: 3,9
Genialer Sitzkomfort in der Rundsitzgruppe.
Backofen und Kühlschrank mit doppeltem Türanschlag serienmäßig.
Gelungenes Bett mit sehr hochwertigen und komfortablen Matratzen.
Viel Tageslicht dank dreiteiligem Dachfenster über der Sitzgruppe.
Viel Stauraum im Sanitärbereich.
Lichtdurchlässiger Stoff-Raumtrenner zwischen Schlaf- und Wohnraum.
Polsterfixierung der Sitzgruppenrückenlehnen nicht ausreichend.
Dem Schrank am Kopfende des Bettes fehlt es an Tiefe.
Preis & Service: 4,2
Sehr lange Dichtigkeitsgarantie.
Günstiges Sicherheits-/Safety-Paket.
Kein Glattblech und keine Rahmenfenster erhältlich.
Beladen: 4,6
Zusätzliche Holzstütze hilft, das schwere Bett zum Beladen aufzuhalten.
Viel Zuladung durch Auflastung.
Kurze Deckel erlauben das Beladen der Sitztruhen bei angehobenem Polster.
Gute USB-Schrankbeleuchtung, aber keine passende Ladedose im Fahrzeug.
Oberschränke ohne umlaufende Ablagen.
Fahren: 3,4
Serienmäßiges Deichselrad mit Stützlastwaage.
Das Safety-Paket macht Sicherheitsausstattung verhältnismäßig günstig.
Positionsleuchten funktionieren gut als erhöhte Bremslichter.
Stützlast auch ohne Reisegepäck zu hoch.
Reifen rechts ein Jahr älter als links.
Mit 2,50 Meter Aufbaubreite ist der Diamant nichts für schmale Straßen und enge Kurven.
Technik: 4,0
Weitestgehend selbsterklärendes Bedienpanel.
Vielschichtige, gut verarbeitete Beleuchtung.
Neuer CI-Bus-fähiger Kühlschrank mit doppeltem Türanschlag.
Konventioneller Aufbau mit Styroporschaumisolierung und Holzfachwerk im Sandwich.
Ein Schmuckstück: Der neue Diamant glänzt nicht nur mit seinem neuen Außendesign, sondern auch mit einem erstklassigen Möbelbau und zeitgemäßer Steuerung. In den Kernkriterien Sitz- und Schlafkomfort überzeugt er auf ganzer Linie. Zu den Schattenseiten gehört die hohe Stützlast des 560 SF, die für die Unterflurmontage des Reserverades spricht.
Kritik ernten ansonsten nur Details wie der billige Wasserhahn in der Küche, die Standard-Gasanlage oder der lichtdurchlässige Raumtrenner. Ein wenig bedauerlich ist auch, dass Fendt die Neuauflage nicht genutzt hat, um Glattblech oder Rahmenfenster einzuführen. Dafür gibt es aber zwölf Jahre Dichtigkeitsgarantie auf das insgesamt wirklich gelungene Oberklasse-Fahrzeug.