Sich von der Masse abheben: Das gelingt dem französischen Premium-Hersteller mit dem Modell 490 LJ auf jeden Fall. Doch was hat der Yacht-Caravan drauf? Ist er nur extravagant oder auch gut?
Sich von der Masse abheben: Das gelingt dem französischen Premium-Hersteller mit dem Modell 490 LJ auf jeden Fall. Doch was hat der Yacht-Caravan drauf? Ist er nur extravagant oder auch gut?
Erstmals ans deutsche Publikum herangetastet hat sich die französische Premiummarke La Mancelle auf dem Caravan Salon 2019. Dann startete in Deutschland der Verkauf. Unter den vier Baureihen des in Le Mans ansässigen Herstellers aus dem Trigano-Imperium sind es fraglos die Liberty-Modelle, die Gesicht und Image der Marke prägen. Dafür sorgen der einzigartig geformte Bug und zahlreiche Individualisierungsmöglichkeiten innen wie außen.
Spötter behaupten ja, der Liberty sähe aus wie ein Pferdetransporter oder ähnele gar einem gekenterten Boot. Doch es gibt sicherlich Schlimmeres, als mit Segel- und Reitsport in Verbindung gebracht zu werden.
Das Topmodell der Baureihe geht optisch jedenfalls eigensinnige Wege – sowohl was die Bugform als auch die seitlich angeschlagenen Fenster betrifft, die an Bullaugen erinnern. Den maritimen Touch verstärkt die "Plaisance"-Folierung des Testwagens (350 Euro) aus der Ausstellung von Importeur Kreppel. Wem Holz zu elitär wirkt, der bekommt für 480 Euro Aufpreis auch Blümchen-, Sternchen- oder Pünktchen-Muster.
Die Extravaganz des Liberty schlägt sich aber auch auf die Preise nieder. So kostet der kleinste Liberty 400 DD stattliche 25.990 Euro. Unser Testwagen, ein 490 LJ, ist ohne Extras 30.490 Euro teuer. Bei diesen Preisen sind die Erwartungen natürlich hoch. Herauszufinden, ob der La Mancelle sie erfüllt, ist Aufgabe dieses in Deutschland ersten, exklusiven Tests.
Bei der Konstruktion der Sandwichs für Dach, Wände, Bug, Heck und Boden lässt sich La Mancelle nicht lumpen. Zwar setzt der Hersteller auf einen Holzrahmen, allerdings kommen durchweg hochwertige XPS-Isolierung sowie hagel- und steinschlagsicheres GFK zum Einsatz. Nicht recht zum durchgestylten Outfit passen die zwar funktionalen, aber simplen Rangiergriffe. Immerhin trägt der Liberty einen dreiteiligen Heckleuchtenträger, der die Reparaturkosten im Falle kleiner Rempler gering hält.
Komfortabel geht es in der ovalen Rundsitzgruppe zu. Dafür sorgen bequeme, 40 Zentimeter tiefe Sitzpolster und hohe Rückenlehnen. Die Tischplatte des stabilen Einbeinhubtisches lässt sich verschieben. Das erleichtert den Zugang zu den hinteren Plätzen sowie das Öffnen des großen, bis in den Dachbereich gezogenen Bugfensters. Ebenso sind die ausstellbaren Seitenfenster, die man bei Regen allerdings tunlichst schließen sollte, auf diese Weise gut zu erreichen. Die Verdunklung der Seitenfenster übernehmen vorgesetzte Kassetten mit Plissee- und Gazerollos.
Weniger überzeugend ist die Verdunklung am Bugfenster. Hier hängen rechts und links Vorhänge, die zugezogen und mit Druckknöpfen fixiert werden müssen. Was nach einer schnellen Sache klingt, ist in der Praxis eine ziemlich mühsame und nicht gerade premiumlike Angelegenheit.
Als Ablagen hängen an den Seiten der Sitzgruppe zwei geräumige Regale, die vor der Fahrt leergeräumt werden müssen. Dem Eingang gegenüber steht ein Schrank mit Schublade und Tür für alles, was nicht offen rumliegen soll. Zeitschriften lassen sich zwischen Schrankwand und Sitzbank rutschsicher einsortieren.
Praktisch ist die klappbare Abstellplatte am Küchenblock, die ihre Dienste wahlweise für die Sitzgruppe oder beim Kochen anbietet. Der Küchenblock ist mit einem dreiflammigen Herd und Rundspüle ausgestattet – der Verzicht auf Piezozünder ist dieser Preisklasse unangemessen.
Wer mag, lässt sich unter dem linken der beiden Oberschränke eine kräftige Dunstabzugshaube (460 Euro) montieren. Und für 340 Euro kann eine Mikrowelle geordert werden. Etwas entschärfen lässt sich die angespannte Arbeitsflächensituation durch die Spülenabdeckung und die erwähnte Klapperweiterung.
Geradezu großzügig sind die Platzverhältnisse vor dem Kühlschrank (146 Liter mit 18 Liter Gefrierfach), der das Fußende des rechten Betts flankiert: Zum gegenüberliegenden Kleiderschrank bleibt ein knapper Meter Platz. So beschickt man den Kühlschrank mühelos mit Proviant und Getränken und bekommt das Ganze auch bequem wieder heraus.
Überzeugend ist das Stauraumangebot der Küche: Töpfe, Pfannen, Gewürze und Lebensmittel verstaut man im geräumigen Unterschrank in drei stabilen Schubladen, einem Apothekerauszug, beides mit Selbsteinzug, und dem weniger gut erreichbaren Staufach ganz unten. Sicher verriegelt werden Auszüge und Tür mit Pushlock-Schlössern. Fehlt eigentlich nur ein Müllbehälter, den man aber nicht auf der Optionsliste findet.
Mondän präsentiert sich das Bad. Dank Schwenkmechanismus, bei dem das schicke Rundwaschbecken über der Drehtoiletteverschwindet, herrschen im Variobad Platzverhältnisse wie in einem Raumbad. Selbst Duschen ist ohne Verrenkungen möglich.
Licht kommt von zwei Deckenspots und über das Fenster von draußen. Frisieren und rasieren ist vor dem großen Spiegel mit viel Bewegungsraum möglich. Alle Utensilien nehmen ein Hängeschrank mit sicherer Pushlock-Verriegelung und zwei Regale auf.
Geschlafen wird in Einzelbetten. Die zwölf Zentimeter dicken Matratzen liegen auf Holzlattenrosten mit Stahlrahmen. Allerdings reichen diese nur bis zur Hüfte. Ab dort liegt die Matraze auf dem nackten Staukasten, was den Schlafkomfort schmälert. Praktisch: Wer ein Doppelbett präferiert, baut es sich mit einem Holzelement zum Einlegen und zwei Zusatzpolstern – V-Betten waren bislang ein Alleinstellungsmerkmal von Eriba.
Beim soliden Möbelbau kommen Metallscharniere zum Einsatz, Türen und Schubladen halten Pushlocks sicher zu. Die Klappen der Oberschränke, außer in der Küche, müssen jedoch ohne Verriegelung auskommen. Die Zuhaltekraft der Scharniere muss ausreichen. Mechanische Verschlüsse würden eher zum Premiumanspruch passen.
Das Stauraumangebot unter Sitzgruppe und Betten ist gut. Jedoch sind die Sitztruhendeckel nur lose aufgelegt und klein, weshalb man schwer überall hinkommt. Über eine Klappe von außen erreichbar ist nur der rechte Bettkasten. Licht liefern LED-Deckenleuchten und LED-Lesespots. Letztere sind an den Betten jedoch zu tief montiert. Lehnt man sich an, verschwinden sie hinter dem Kopfkissen.
Zum Beheizen der zwölf Quadratmeter Wohnfläche installiert La Mancelle eine Gas-Gebläseheizung des Typs Truma S 3004 samt 230-Volt-Warmwasserbereiter: simple Technik aus der Einsteigerklasse. Luxus ist die starke Druckpumpe, die den 45-Liter-Tank ruckzuck leersaugt. Darum kauft man besser den 80-Liter-Tank. Ein Manko für GanzjahrescamperInnen hat auch der Gaskasten unter dem Bett: Es passen nur Fünf-Kilo-Flaschen rein. Auf Wunsch baut La Mancelle einen für Elf-Kilo-Flaschen ein. Dann bekommt das Bett eine Trittstufe, weil es höher steht.
Klappbad: Bislang einzigartig im Caravan-Bereich, wird sonst eher bei Campingbussen verwendet.
V-förmige Einzelbetten, die so nur im Eriba Nova 530 zu finden sind
aerodynamisches Design, das sich günstig auf die Fahreigenschaften auswirkt
gemütliche U-Bugsitzgruppe mit tollem Panoramafenster
Die Dunstabszugshaube gehört in dieser Saison noch zur Serie. Danach kostet sie 460 Euro extra.
Beinahe ein Meter breit ist der Gang an dieser Stelle: Viel Platz zum Ein- und Auspacken.
der kleine Klapptisch am Küchenblock lässt sich für Sitzgruppe und Küche gleichermaßen nutzen.
Das Hantieren mit Holzboden und Zusatzpolstern beim Umbau zum Doppelbett kostet Kraft.
V-förmiges Fenster vorne ist nur mit einem Druckknopf-Vorhang schließbar. Das ist nicht so komfortabel bedienbar und lichtdicht wie ein Rollo. Ein Kassettenrolle inklusive Moskitonetz kostet 850 Euro Aufpreis.
Nur ein dünner Vorhang trennt das Bett vom Rest des Innenraums ab und bietet wenig Privatsphäre.
Kleiner Spalt im Fach der Toilettenkassette: Sollte hier mal etwas daneben gehen, wäre es sehr schwierig zu reinigen.
Die Seitenfenster vorne am Bug sind aufgrund der geschwungenen Außenwand nur vorgehängt. Sonst wurden hochwertigere Rahmenfenster verbaut.
Die Arbeitsfläche in der Küche ist sehr klein. Abhilfe schafft nur die Spülenabdeckung.
Schlafplätze: 3+1
Zul. Gesamtgewicht: 1600 kg
Gesamtlänge/Breite/Höhe: 6,71/2,25/2,58 m
Grundpreis ab: 30.490 Euro
TÜV/Zulassungsbescheinigung II: 150 Euro
Überführungspauschale: 990 Euro
Testwagenpreis: 31.630 Euro
Im Testwagen enthalten
Karosserie
Aufbau: Sandwichbauweise mit XPS-Schaumisolierung und GfK-Beschichtung von Dach, Wänden und Boden. Dachstärke 29,5 mm, Stärke der Seitenwände, Bug/Heck 29,5 mm, Bodenstärke 38,5 mm. Deichsel mit ABS-Verkleidung. Zweiteilige Aufbautür 170 x 49 cm mit Fenster, Einstiegshöhe 54 cm. Serviceklappe 100 x 40 cm.
Anbauteile: dreiteiliger Heckleuchtenträger. Bugelemente aus ABS, aufgesetzte Rangiergriffe vorn und hinten.
Fenster/Hauben: 6 Ausstellfenster mit Rohraufstellern und Duoplissee-Verdunkelung. Panoramafenster am Bug. 2 Dachluken.
Möbel
Material/Beschläge: Sperrholzmöbel mit Metallscharnieren, integrierten Federaufstellern, Softclose-Funktion, Pushlock- Verriegelung Oberschränke Küche, Oberschränke Schlaf- und Wohnbereich ohne Verriegelung, Pushlock-Verriegelung Schubladen Küchenunter-, Wäsche-, Kleiderschrank. Schubladen mit Selbsteinzug. Bad mit Kunststoffschiebetür.
Bordtechnik
Gas/Heizung: Gasheizung Truma S 3004, 12-Volt-Gebläse, 7 Ausströmer (3 x Sitzgruppe, 1 x Eingang, 1 x Bad, 2 x Betten).
Wasseranlage: 45-Liter-Frischwassertank, Tauchpumpe, 5-Liter-Truma-Therme.
Elektrik: Umformer Nordelettronica NE 324, 270 W. 6 Steckdosen (1 x TV-Platz, 2 x Sitzgruppe, 1 x Küche, 2 x Betten). 1 12-V-Steckdose, 6 USB-Anschlüsse (2 x Sitzgruppe, 4 x Bett).
Beleuchtung: 1 Deckenleuchte, 5 Halogen-Lesespots, 4 Leuchtstäbe (Oberschränke, Sitzgruppe). Küche: 2 LED-Spots, Lesespot, Dunstabzugshaube mit Licht, 2 Halogen-Deckenspots im Bad, 3 im Schlafzimmer. Vorzeltleuchte.
Küchenausstattung: Dreiflammkocher, Rundspüle mit Hebelmischer, Glasabdeckung. Kühlschrank Thetford T 1152 mit 146 Liter Nutzinhalt, 18 Liter Gefrierfach.
Sanitär: Thetford-Drehtoilette. Rundwaschbecken mit Hebelmischer.
maximal 5 Punkte möglich
Ohne Gleichen. Der Preis des La Mancelle Liberty 490 LJ ist ambitioniert: Denn die technische Ausstattung mit S-Heizung, Therme und Kocher ohne Zünder erreicht allenfalls Einsteigerniveau. Auch lose aufliegende Sitztruhendeckel und Oberschrankklappen ohne Verschluss passen nicht ins Bild eines Premiumwagens. Die Fertigung des hochwertigen Aufbaus dagegen ist aufwendig und teuer, auch die Robustheit des Möbelbaus und vor allem die Gestaltung des innovativen Variobads überzeugen. Unvergleichlich ist der Franzose obendrein.