Was ist lang, weiß und hat vier Räder? Nein, eine Stretch-Limo aus einem Hollywood-Hochzeitsfilm ist nicht gemeint – die Antwort lautet „Tandemachser“. Womit schon einmal ein wichtiges Charakteristikum der vierräderigen Caravans genannt ist: Die Dinger sind lang. Und schwer. So lang und schwer, dass zwei Reifen mit der Last überfordert wären und es außerdem schwierig würde, den Anhänger vernünftig auszubalancieren.
Knapp sechseinhalb Meter Aufbaulänge und 1700 Kilo Gewicht sind die Grenze, ab der die zweite Achse nötig wird – mit leichten Abweichungen von Hersteller zu Hersteller. Das maximal mögliche Gesamtgewicht der Tandemachser liegt bei gut zwei Tonnen, in einigen Fällen auch darüber (z. B. Knaus Azur 750 FU: auflastbar bis 2,5 t).
Der Sinn des Ganzen ist offensichtlich: Je größer der Caravan dimensioniert ist, desto mehr Wohnraum bietet er. Eigentlich ’ne prima Idee – wären da nicht gewisse Nachteile, die der stolze Groß-Caravaner in Kauf nehmen muss.
Mit dem Auto fängt es an: Nicht jeder Pkw mit Anhängerkupplung lässt sich vor einen Zwei-Tonnen-Caravan spannen. Nur wenige Fahrzeuge haben die Motorkraft, den schweren Anhänger zügig und stressfrei zum Urlaubsort zu befördern (siehe Infokasten S. 42). Dass sich ein 13 Meter langes Gespann nicht so locker durch südeuropäische Städtchen dirigieren lässt wie die Paarung aus New Beetle und T@b, dürfte sowieso klar sein.
Was die Fahreigenschaften angeht, ergibt sich ein anderes Bild. Hier bieten die Dickschiffe eindeutig Vorteile. Pendelbewegungen, wie sie etwa durch den Sog eines überholenden Busses ausgelöst werden, fallen beim Tandemachser deutlich schwächer aus. Der Sicherheitsaspekt ist auch nicht zu vernachlässigen, so Thomas Kamm von Fendt:
„Während ein geplatzter Reifen beim Monoachser in der Regel zum Ausbrechen des Caravans führt, gibt’s beim Tandemachser einen zweiten Pneu als Sicherheitsreserve." Kamm merkt an, die Doppelachse sei auch beim Durchfahren von Schlaglöchern überlegen: Wenn das erste Rad in einer Bodenwelle versinkt, hält das zweite den Caravan waagerecht. Da ein Caravan mit vier Reifen eine größere Bremsfläche aufweist, können Verzögerungskräfte besser übertragen werden. Bei Notbremsungen wird das vordere Reifenpaar jedoch stark belastet. Nicht vergessen darf man, dass sich ein schwerer Doppelachser weniger leicht abbremsen lässt als ein leichterer Caravan.
Während die Doppelachse auf der Straße Vorteile bietet, kann sie einen beim Rangieren auf dem Campingplatz schon mal zur Verzweiflung bringen. Denn wo sich der Monoachser relativ problemlos auf der Stelle drehen lässt, muss ein zweiachsiger Caravan mühevoll hin und her geschoben werden, bis er an seinem Platz ist. Eingeschworene Tandemfans lassen sich davon natürlich nicht abschrecken. Was sind die paar Minuten Mehraufwand beim Rangieren schon gegen die überlegenen Nachlaufeigenschaften bei der stundenlangen Autobahnfahrt? Zumal das Einparken eine gute Gelegenheit ist, um hilfreiche Platznachbarn kennen zu lernen. Außerdem schwören echte Doppelachser-Fahrer auf die besseren Rangiereigenschaften der Tandemachser auf schlechtem Untergrund. Während sich das „Einrad" leicht im Morast eingräbt, geht die Tandemachse gut über Hindernisse hinweg. Mit dem Zweiten rollt man besser. Der typische Einsatzbereich der Doppelachser lässt jedoch darauf schließen, dass Fahr- und Rangierverhalten nur selten die Kaufentscheidung bestimmen.
„Tandemachser sind in der Regel Standcaravans“, weiß Holger Schulz von Hobby. Mit dem monumentalen Landhaus – acht Meter Aufbaulänge und ein zulässiges Gesamtgewicht von 2,2 Tonnen – bieten die Fockbeker die ultimative Behausung für Dauercamper an. Auch Michael Winter von TEC sieht den Tandemachser als Reisecaravan als „absolute Ausnahme“; allein, weil die meisten Pkw nicht über die nötige Anhängelast verfügen: „Die zwei Tonnen, die Sie brauchen, hat kaum ein Fahrzeug." Und bei LMC, mit über 20 Modellen der Tandemachser-Krösus, schätzt man, dass von den Doppelachsern (etwa 25 Prozent aller verkauften LMC-Fahrzeuge) 75 bis 80 Prozent als Standcaravans genutzt werden. Dem widerspricht die Einschätzung von Klaus-Peter Bolz. Der erfahrene Camper sieht seine Bürstner-Tandemachser oft auf der Straße, genau wie Hubert Brandl, der mit Tabbert ebenfalls eine der führenden Tandemachser-Marken vertritt. Ursula Ruppe, Marketingchefin von Eriba-Hymer, hat mit den zwei Doppelachsern im Eriba-Programm unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
Der Eriba Nova 620 werde als reines Stand„fahrzeug" gekauft, während der Moving 620 immerhin noch zum Urlaubsort geschleppt werde, wo er dann drei oder vier Wochen an Ort und Stelle bleibe. Der zweiachsige Exquisit 585 der Firma Beisl dagegen wird wegen seiner guten Fahreigenschaften vor allem als Reisecaravan verkauft, so Ursula Beisl: „Der 585 liegt sagenhaft gut auf der Straße – wie ein Brett." Ab einer bestimmten Länge wären die Fahreigenschaften eines Einachsers nicht mehr gut genug. Andererseits würden zu kurze Tandemachser (siehe Kas-ten S. 38) unruhiger laufen als ebenso lange Monoachser. Dass die meisten Reisenden den kompakteren Monoachser bevorzugen, auch wenn er sich auf der Straße weniger kooperativ verhält als sein vierräderiger Bruder, hat auch finanzielle Gründe. Tandemachser sind nun mal teurer, zum einen, weil der konstruktive Mehraufwand bezahlt werden muss, zum anderen, weil mit dem zusätzlichen Raum eine hochwertigere Ausstattung einhergeht. Erst wenn der zweiachsige „Volks-Caravan" in Serie geht und wieder mehr Doppelachser auf der Straße unterwegs sind, wird man bei „lang, weiß und vierräderig" instinktiv an Tandems denken.