Der E-Antrieb findet auch Einzug in die Caravanbranche. Wir zeigen drei elektrifizierte Caravan-Chassis von Dethleffs und ZF, Knaus und Bosch sowie Alko und Huber.
Der E-Antrieb findet auch Einzug in die Caravanbranche. Wir zeigen drei elektrifizierte Caravan-Chassis von Dethleffs und ZF, Knaus und Bosch sowie Alko und Huber.
Der Elektrotrend ist allgegenwärtig und macht auch vor der Freizeitbranche nicht halt. So wurde im Reisemobilbereich 2019 ein E-Wohnmobil von Iridium präsentiert und Dethleffs hat mit dem Globevan den ersten Plug-In-Hybrid-Campingbus auf den Markt gebracht. Und in der Caravanbranche? Da tüfteln die Entwicklern am E-Wohnwagen-Chassis.
Schon 2010 hatte Knaus ein angetriebenes Caravan-Chassis gezeigt – wenn auch nur als nicht funktionsfähigen Ideengeber. Dann wurde es rasch und lange still um das Thema, bis es im Zuge der Abgas- und Umweltdebatte wieder an Bedeutung gewann und Dethleffs 2018 schließlich die Studie E-Home Coco mit elektrischer Antriebseinheit samt forschem Versprechen präsentierte: "Im Sommer 2020 fahren wir mit einem E-Zugwagen und dem E-Coco von Isny zum Gardasee – ohne nachzuladen."
Drei elektrifizierte Caravan-Chassis waren auf dem Caravan Salon 2019 zu sehen. Vorreiter Dethleffs hat gemeinsam mit ZF seinen Coco E-Home mit 400-Volt-Technik einen Schritt weiterentwickelt. Aber damit nicht genug: Alko und Knaus zeigen gemeinsam mit deren Entwicklungspartnern Huber Automotive AG und Bosch Engineering 48-Volt-Antriebssysteme, die eher als Stromgeneratoren und Traktionshilfe im niedrigeren Geschwindigkeitsbereich denn als Reichweitenverlängerer gedacht sind.
Alko und Huber stellen darüber hinaus einige Zusatzfunktionen in Aussicht, beispielsweise einen Diebstahlschutz durch elektrische Wegfahrsperre, GPS-Tracking, die Aufzeichnung gefahrener Gespannkilometer und das Auslesen des Batterieladezustands. Auch Kamerasysteme, die das Ankuppeln, Rangieren und Einparken erleichtern sollen, seien vorstellbar. Diese Features könnten dann über die vorhandene Smartphone-App gesteuert werden. Dethleffs träumt sogar vom mobilen Energiespeicher: Die Akkus des E-Home Coco sollen, wenn der Wagen neben dem Haus steht, Überschussenergie von Solarzellen oder Blockheizkraftwerken speichern und bei Bedarf wieder ins Hausnetz einspeisen.
Bei Knaus und Bosch steht die Modularität im Vordergrund: Das 48-Volt-System setzt auf die Kombination fester und tragbarer Batterien. Vernetzung spielt ebenfalls eine Rolle. Per Datenübertragung soll über ein mobiles Endgerät beispielsweise die Stärke der Rekuperation während der Fahrt justiert werden können.
Zwischenzeitlich aber unterscheiden sich Technik und Konzepte der Hersteller stärker als noch im Sommer 2019 auf dem Caravan Salon. CARAVANING hat sich die Systeme genau angesehen und zeigt, wie die Wohnwagen-Hersteller den E-Antrieb ans Chassis bringen wollen.
Als größter Chassis-Lieferant der Branche hat Alko seine Entwicklungsrichtung neu justiert. Laut Hans Posthumus, Marketing-Chef des Unternehmens, ist das Hauptziel nicht länger der elektrische Antrieb: "Wir haben Gespann-Testfahrten mit diversen Elektrozugfahrzeugen gemacht und dabei festgestellt, dass das Thema Rekuperation wegen des hohen Luftwiderstandes gar keine Rolle spielt." Kurz: Der Wind bremst so stark, dass kaum Energie zurückgewonnen werden kann. Auch seien, so Posthumus, die Verkaufspreise für einen elektrischen Anhängerantrieb zu hoch. Zum jetzigen Zeitpunkt wolle man keine Entwicklung vorantreiben, von der nur Elektrofahrzeuge profitieren, die aktuell gerade knapp zwei Prozent der Zulassungszahlen ausmachen. Vielmehr richte man den Fokus auf praktikable und bezahlbare Technologien, die alle Antriebsarten nutzen, beispielsweise durch Gewichtsreduzierung und die Verbesserung der Aerodynamik. "Auf alles über dem Chassis haben wir keinen Einfluss", räumt Posthumus ein, "aber wir können den Unterboden verkleiden und das Chassis leichter machen."
Der Elektromotor aber, der im Demo-Chassis zu sehen war, könnte so oder zumindest so ähnlich trotzdem kommen: nicht als permanenter Antrieb, sondern als "richtig geiles Rangiersystem", zeigt sich Posthumus begeistert, das mit Sensoren vernetzt autonom manövrieren und einparken soll. "Es ist ja nicht so, dass wir keine E-Antriebe bauen könnten", sagt er augenzwinkernd in Anspielung auf das neue Alko-Werk, in dem im Auftrag von Abt e-Line Elektro-Transporter auf VW-Basis gefertigt werden. Zum exakten Stand der Entwicklung hüllt man sich zwar noch in Schweigen, stellt aber rechtzeitig zum Caravan Salon realitätsnahe und umsetzbare Lösungen in Aussicht — und hält bei all dem am 48-Volt-System fest, das in erster Linie weiterhin den Strombedarf an Bord decken soll.
Das System von Knaus und Kooperationspartner Bosch Engineering besteht aus drei Komponenten: E-Achse, Senoren und Akkus; alles unabhängig vom Zugfahrzeug. Rekuperation, also die Bremsenergierückgewinnung, ist eines der Hauptziele bei der Entwicklung vom 48-V-System. 48 Volt, weil die E-Maschine am Chassis mit einem 48-V-Generator betrieben wird.
In naher Zukunft sollen das System aber noch viel mehr leisten: Elektrisches Heizen, Klimatisieren und längere autarke Standzeiten sind hier nur einige Beispiele. Auf die Frage nach dem Mehrgewicht gibt es bei allen Herstellern ähnliche Antworten: Durch das elektrifizierte Chassis samt Antrieb könne man sich Rangiersystem, Bordbatterie und Antischleudersystem sparen. Damit würde sich das Mehrgewicht größtenteils relativieren.
Doch auch bei Knaus und Bosch wird der Motor weiterhin eine Rolle spielen, "Energie wieder in Richtung Straße zurückleiten" nennt Gölder das. Und zwar als Rangierantrieb oder — und das scheint Knaus und Alko zu unterscheiden — als kurzzeitiger Boost, also kurzer Anschubser für Situationen, in denen eine Leistungsspritze oder mehr Traktion gebraucht werden.
Eine Besonderheit des geplanten Bosch-Systems ist sein modularer Aufbau: Die Energie liefern bis zu acht fest eingebaute, je 15 Kilogramm schwere 48-Volt-Lithium-Ionen-Akkus à 2,4 kWh, die um tragbare Akkupacks mit je 1,6 kWh ergänzt werden können. Diese mobilen Batterien können sowohl im Chassis als auch extern geladen werden.
Daten und Gewichte kann Bosch deshalb so unverblümt und exakt nennen, weil die Akkus bereits anderswo im Einsatz sind: Die festeingebauten arbeiten in der neoklassischen Elektro-Schwalbe, die mobilen mit Tragegriff beflügeln den Elektro-Roller Peugeot E-Ludix. Selbst die Motoren stammen aus der Zweiradsparte des Konzerns, nicht zu verwechseln mit der Fahrrad-Division von Bosch. Und so verwundert auch das Festhalten am 48-Volt-System nicht, zumal die Niedrigspannung weitere Vorteile hat, obendrein berührsicher ist und auch günstiger als Hochspannungssysteme. Darüber hinaus ist eine Connectivity Unit angedacht, mit der Camper über eine App die Rekuperation des eigenen E-Chassis einstellen können.
Das Machbare ausloten will die Erwin Hymer Group mit dem Dethleffs E-Home Coco. Der Konzern und ZF arbeiten mit einem Hochvolt-System. Die Hochvolt-Technik biete den Vorteil, dass geringere Kabelquerschnitte und kleinere, leichtere und fertig entwickelte Motoren aus der Großserie verwendet werden könnten. Außerdem erlaubt das 400-Volt-System laut Freimann schnelleres Aufladen an den für Elektrofahrzeuge konzipierten Schnellladesäulen. Apropos: Statt einer kommen zwei E-Maschinen zum Einsatz, um den Caravan per "Torque Vectoring" stabilisieren zu können. Außerdem soll der Coco nicht nur bei niedriger Geschwindigkeit als Traktionshilfe dienen, sondern dauerhaft antreiben.
Da Wohnanhänger nicht schieben dürfen, misst ein Kraftsensor des Zugentlastungsmoduls, wie stark der Motor arbeiten muss, damit die Anhängelast konstant bei einem niedrigen definierten Wert bleibt. Was sich verändert hat? Die Lithium-Batterien sitzen nun in einem crashsicheren Innenrahmen, der im Chassis verankert ist. Feiner dosierbare Scheibenbremsen sollen besser mit dem E-Antrieb harmonieren.
Hochspannung ist bei Dethleffs angesagt. Wie Richard Angerer — bei Dethleffs verantwortlich für die Caravanentwicklung und auch beim E-Home Coco mit im Boot — bekanntgibt, hat man zwecks Risiko- und Gefahrenanalyse gerade einen Prototyp fertiggestellt. Nur bei einem positiven Analyseergebnis dürfen erste Praxistests auf einem abgeschlossenen Versuchsgeländegefahren werden. Die Straßenerprobung ist da noch weit entfernt.
Parallel simuliert das Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren (FKFS) in Stuttgart die Auswirkungen eines Anhängerantriebs auf die Fahrstabilität des Zugwagens, zum Beispiel den Einfluss des Antriebsmoments auf die Hinterachse bei Kurvenfahrt. Die Akkus hängen hier in einem separaten Innenrahmen, der wiederum am hoch profilierten Außenrahmen befestigt ist. Ein energieabsorbierendes Crashelement zwischen den beiden Rahmen schützt die Akkuzellen im Falle eines Unfalls. Seiten- und Heckaufpralltests sind laut Ingenieur Freimann Vorschrift bei Lion-Batterien.
Die technisch kniffligste Aufgabe ist die, dass das Elektro-Chassis von der EHG und ZF die Antriebskraft stets so dosiert, dass die Anhängelast einem gewissen, individuell programmierbaren und niedrigen Wert entspricht. Kurz: Der Anhänger treibt zum Beispiel exakt so an, dass das Zugfahrzeug nur 100 Kilogramm Anhängelast zu ziehen hat. Dafür sorgen Sensoren im Zugentlastungsmodul der Deichsel, die Beschleunigung und Verzögerungen registrieren und an die Antriebseinheit weitergeben.
Apropos Vorschrift: Obwohl über die Elektromotoren stark verzögert werden kann, fordert der Gesetzgeber weiterhin mechanische Radbremsen als Rückfallebene. Im Prototyp waren Scheibenbremsen von Knott zu sehen, die laut Freimann besser dosierbar sind als Trommelbremsen.
Im Hintergrund mahlen derweil die bürokratischen Mühlen. Obwohl der ganzen Elektroentwicklung automotive Richtlinien zugrunde liegen, gibt es noch keine Leitlinie für die zulassungsrechtliche Einordnung eines Caravans respektive Anhängers mit elektrischem Antrieb. Darum machen EHG, Dethleffs, der Bundesverband E-Mobilität (BEM) und auch der deutsche Caravaning Industrie Verband (CIVD) Druck beim Kraftfahrtbundesamt, um in Sachen Zulassungskategorie und Führerscheinregelung Klarheit zu bekommen. Klares Ziel ist eine sogenannte Neutralstellung für die Zulassung – die Zusatzmasse der Akkus, die 80-kWh-Batterie soll rund 560 Kilogramm wiegen, soll bei der Leermasse ignoriert werden. Würde die tatsächliche Masse des E-Caravans eingetragen, müsste auch die zulässige Gesamtmasse enorm steigen.