Die Geschichte der Kultmarke: Airstream-Importeur im Interview

Der deutsche Airstream-Importeur im Interview Die Geschichte der Luxus-Kultmarke in Deutschland

Vom Traum des eigenen Kult-Wohnwagens zum Importeur gleich einer ganzen Caravanmarke: Armin Heun lässt die Airstream-Legende in Deutschland wieder aufleben.

Caravanmarke Airstream Dieter S. Heinz
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Der American Way Of Drive hat einen Namen: Airstream. Zumindest bei Caravanern. Sie sind ebenso rar wie teuer, doch wer kennt sie nicht, die silberfarbenen Legenden aus Ohio, USA? Nach 1993 waren neue Airstreams in Europa eine Zeit lang nicht mehr zu haben, doch seit 2006 gibt es sie wieder. Und das ist im Wesentlichen einem Mann zu verdanken, der seine Träume real werden ließ: Armin Heun (47). Mit dem Roka-Chef und Importeur der Luxus-Caravans sprach Dieter S. Heinz im Interview.

Welcher ist Ihr Lieblingsvogel?

Das ist eine gute Frage (lacht). Natürlich mag ich die rosa Flamingos ganz gern, denn die haben einen traditionellen Bezug zu Airstream. Seit den 50er Jahren werden sie von vielen Airstream-Besitzern mit auf Reisen genommen. Heute gelten sie einfach als cool.

Die Firma Roka baut Großküchen. Eine Vorliebe für blankes Blech ist bei Ihnen also unverkennbar.

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Dieter S. Heinz
Einfach beeindruckend: Niet für Niet – bis heute von Hand gesetzt –werden die Alubleche des Aufbaus zusammengefügt.

Angefangen hat das Ganze tatsächlich mit Rollladenkästen bei Beck & Heun, und mit Roka fertigen wir seit über 50 Jahren Einrichtungen für Großküchen. Weshalb wir zu Airstream gekommen sind, hat sicher etwas mit der Liebe zum blanken Blech zu tun, denn bei meinem ersten Wohnwagen, einem Kali, kam beim Abbeizen blankes Alu zum Vorschein. Mit dem Bild eines Airstreams im Kopf haben meine Kumpels und ich den alten Kali dann auf Hochglanz poliert. Eine völlig verrückte Nummer.

Was war der Anlass, Airstreams zu importieren?

Ich hatte tatsächlich mal überlegt, einen eigenen Wohnwagen zu bauen, weil ich hierzulande kein Modell fand, das meinen Vorstellungen entsprach. Ich wollte etwas haben, das genauso solide wirkt, wie mein Wohnzimmer zu Hause. Ein Airstream kam dem richtig nahe und ich fragte mich, weshalb man den hier nicht neu kaufen konnte. Ich hatte dann Kontakte aufgebaut und überlegte, Airstreams selbst zu importieren. Erst hatte ich Bedenken, ob das für unsere kleine „Klitsche“ (lacht) nicht eine Nummer zu groß sei. Was ich nicht wusste, war, dass Airstream damals keine 200 Mitarbeiter hatte und damit praktisch kleiner war als unser Betrieb.

Was waren die größten Hürden, US-Caravans hierher zu bringen?

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Armin Heun
Eine Europa-Version wird mit Kranunterstützung auf das feuerverzinkte BPW-Chassis gehoben.

Wir standen vor der Frage, US-Modelle zu importieren und diese irgendwie umzubauen. Aber da spricht viel dagegen. Das Hauptproblem bleibt immer das gleiche: die Stützlast. Wir reden da von 350 Kilo. Wenn wir für eine in Europa praxisgerechte Stützlast sorgen wollen, müssen wir zum einen die Achsen versetzen und damit die Radkästen.

Das wiederum hat wesentlichen Einfluss auf die Grundrissgestaltung. Bei unseren Grundrissen liegen Radkästen beispielsweise unterm Küchenblock und auf der gegenüberliegenden Seite unter der kleinen Sitzbank in der Dusche. Zum zweiten ging es um andere Größen, ums Gewicht und spezielle Grundriss-Vorlieben. Ich denke da an die Rundsitzgruppe. Zudem brauchen wir in den USA Lieferanten, die 230-Volt-Geräte und einen Service in Europa haben. Jetzt werden in Jackson Center, Ohio, Airstream-Modelle genau nach unseren Vorgaben speziell für Europa gebaut. Unser 684 beispielsweise wird in den USA gar nicht angeboten.

Was hat letztlich dazu geführt, dass das Stammwerk wieder extra für Europa produziert?

Erste Pläne, in Europa wieder Fuß zu fassen, wurden mit den Engländern Michael Hold, Antony Slokock und David Rowell geschmiedet. Beginnend mit der Chassiskonstruktion von BPW, hat man sich an den europäischen Grundrissen orientiert und dann von Grund auf begonnen, einen neuen Airstream zu entwickeln.

Roka ist seit 2007 als Entwicklungspartner von Airstream im Boot und seit 2010 auch der weltweit erste Lizenzpartner für den Ausbau von kommerziellen Airstreams. Im Jahr 2013 wurde dann als logische Konsequenz der Europavertrieb zu Roka verlagert.

Airstream und Maserati wollten bislang nicht zusammenpassen, doch jetzt gibt es den Basecamp.
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In den deutschen Airstreams findet sich Bekanntes vom BPW-Chassis bis hin zur Thetford-Toilette. Gibt es diese auch in den US-Versionen?

Nein, alle nötigen Komponenten werden tatsächlich von Airstream per Container nach Ohio geholt und dort im Werk installiert. Früher hatten wir ja leere Hüllen importiert und hier ausgebaut. Die jetzige Methode ist aber weit effizienter.

Welche Stückzahlen müssen Sie jeweils bestellen und abnehmen?

Da die Modelle mittlerweile existieren, können wir auch vergleichsweise kleine Margen ordern. Sinnvoller ist es natürlich, größere Chargen aufzulegen, da sich die Europamodelle doch schon wesentlich von den amerikanischen unterscheiden. Größere Stückzahlen vereinfachen die Arbeitsabläufe, weshalb wir in der Regel sechs bis acht identische Fahrzeuge auflegen lassen. Unser Ziel ist es, für Europa mal auf 200 Einheiten pro Jahr zu kommen.

Wie kommen die Airstreams nach Deutschland?

Sie werden von Jackson Center nach Baltimore transportiert und auf ein Roll-on/roll-off-Schiff gezogen. In Container passen sie jedenfalls nicht, denn deren Türen sind zu schmal. Sie landen entweder in Antwerpen, Amsterdam oder Bremen an und werden per Lkw hierher nach Merenberg transportiert. Von Tür zu Tür dauert dies insgesamt etwa vier Wochen.

Wer macht Service, wer repariert?

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Dieter S. Heinz
Einfach solide: Applikationen und Anbauelemente aus dem Vollen – das macht den Charakter der „Silver bullet” aus.

Momentan nur wir. Ein weiterer Standort in Süddeutschland ist geplant. Probleme an Standardkomponenten wie Heizung oder Kühlschrank kann auch die Caravanwerkstatt vor Ort beheben. Bei Unfallschaden können wir jedes Segment einzeln tauschen, wofür wir ein spezielles Reparaturverfahren haben. Die Teile werden ohne sichtbare Änderung und ohne Demontage von Innenteilen von außen ausgewechselt. Wir haben alle nötigen Teile hier – Blechteile zigfach, Scheiben, Rahmen, alles. Witzigerweise passen die Karosserieteile über Kreuz, denn Airstreams sind symmetrisch. Die linke hintere Ecke passt also auch rechts vorn; so braucht man weniger Teile vorzuhalten.

Wer sind Ihre Kunden, und kann man einen Airstream auch mieten?

Erstaunlicherweise sind 90 Prozent unserer Kunden echte Neueinsteiger, die von Airstream fasziniert sind und vor Kosten ab 85.000 Euro nicht zurückschrecken. Auf unserer Homepage airstream-germany.de haben wir Campingplätze gelistet, wo Urlaub im Airstream möglich ist. Die Mietkosten bis zu einer Woche erstatten wir übrigens innerhalb von 12 Monaten beim Kauf eines Neufahrzeugs.

Gehen Sie selbst campen?

Ja ich nutze regelmäßig meinen Airstream; das mag ich sehr gerne. Den Sommer über steht er auf einem Campingplatz bei Limburg direkt am Wasser. Im Winter parkt er hier bei der Firma. Ich habe da meinen eigenen Rückzugsort, wo ich mir mittags auch mal etwas koche. Die Flamingos allerdings stelle ich im Hof nicht extra auf.

Tradition am laufenden Band

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Armin Heun

Eine Idee mit Zukunft hatte der Luftfahrtingenieur William Bowlus, als er seine stromlinienförmigen Wohnwagen wie ein Flugzeug mit genieteten Aluminiumtafeln beplankte. 1935 kaufte Airstream-Gründer Wally Byam die Pleite gegangene Firma und ließ fortan seine Modelle nach diesem Prinzip bauen. Und das ist bis heute so in Jackson Center, Ohio. Rund zwei Drittel aller Airstreams rollen noch auf den Straßen. Damit liegt die Quote höher als bei Rolls-Royce. Kein Wunder, dass diese Caravans längst Kult geworden sind.
Mehrere tausend Nieten halten das Aluminiumblech auf der tragenden Rippenstruktur. Noch heute wird jeder Airstream nach den Regeln und Techniken der ersten Erbauer gefertigt. Dichtheitsprüfung einmal anders: Jeder produzierte Caravan wird für Stunden intensiv besprüht. Dann sind Isolierung, Innenwandmontage, Technik sowie der Einbau sämtlicher Möbel an der Reihe.

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