Eriba Touring 820 und RAM Longhorn
Zwei Fahrzeuge der Superlative

Hinter dem RAM Longhorn sieht der Eriba Touring 820 fast zierlich aus. Obwohl der eine Ami, der andere ein Schwabe ist, gibt es etliche Gemeinsamkeiten. Nur eine davon ist der Preis.

Eriba Touring 820 & RAM Longhorn
Foto: Andreas Becker

Nicht alles in dieser Geschichte ist echt. Das Aufmacherbild zum Beispiel. Nicht, dass wir im Studio gewesen wären oder sonst wie getrickst hätten. Nein, es geht um die Effekt-Beleuchtung des teuersten Eriba aller Zeiten (ab 75.990 Euro). Die darf nämlich nur neonblau mit den Positions- und Begrenzungsleuchten um die Wette strahlen, wenn der Touring 820 an der 230-Volt-Leine hängt. Drum haben wir ihn vom Auto ab-, an eine tragbare Powerstation mit Spannungswandler angestöpselt, sehr lange belichtet und genau so lange stillgehalten.

Wo wir gerade bei kleinen Schwindeleien sind: Auch die Dekore auf den Möbeln des Touring 820 und den Cockpit-Zierleisten des Ram 1500 Longhorn waren nie ein Baum. Doch alles andere an diesen beiden Fahrzeugen ist auf so spezielle und faszinierende Art authentisch und schwindelfrei, dass sich mit dem Moment des Ankuppelns eine Kombination ergibt, deren Faszination man sich schwer entziehen kann.

RAM: Ein Fahrzeug der Superlative

RAM Longhorn
Andreas Becker
Endlose Weiten: Crew Cab mit fünf kommoden Sitzen.

Schaut euch doch nur mal diesen Ram 1500 Laramie Longhorn an. Geht’s noch echter? Ich glaube kaum, denn alles an diesem Auto ist bis in die letzte Pore amerikanisch. Und das ist ganz und gar unpolitisch gemeint. Das Interieur: eine vermutlich ironiefreie und in verblüffend hoher Qualität dargebotene Orgie der Südstaaten-Symbolik mit Westernmuster auf den Ledersitzen, Holzintarsien samt Brandzeichen, mit Gürtelschnallen als Sitztaschen-Verschlüsse, ziselierten Instrumentenringen und Zierleisten und Stacheldrahtprägungen in den Gummifußmatten. Wen wundert’s bei einer Ausstattung, die den Namen einer texanischen Rinderrasse trägt?

Die Maschine: ein charakterstarker, aber sozialverträglich blubbernder V8. Vorbei die Zeiten, in denen aus besonders viel Hubraum besonders wenig Leistung geholt wurde und in denen Wenig-Gang-Automatikgetriebe wirkungsarm im Wandleröl panschten. Der Hemi-V8 mit Zylinderabschaltung (im Trödelmodus bleiben vier von acht Töpfen unbefeuert) holt aus 5,7 Litern Hubraum 400 PS und 556 Newtonmeter, die moderne Achtgang-Automatik schaut, dass ihr Kompagnon unter der Tafelberg-Haube im Wohlfühl-Bereich arbeitet. Und er ist überraschend groß: Registrieren die Sensoren den Widerstand von Wind und schierer Masse (der Ram hat zwar 100 Kilo abgespeckt, wiegt aber immer noch 2,6 Tonnen), dann jubiliert der Achtender auch mal am oberen Ende der Drehzahlskala.

Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen, dass sich die Investition in die Flüssiggasanlage mit 122-Liter-Unterflurtank schnell amortisiert. Der offizielle Ram-Importeur AEC Europe lässt sie vom Spezialisten Prins entwickeln – Leistungsverluste im Gasbetrieb sind nicht spürbar, das Sparpotenzial dafür umso mehr: Rund 20 Liter LPG à 60 Cent pro 100 Kilometer will der Ram im Hängerbetrieb, aus dem 100-Liter-Benzintank verschwinden 27 Liter des doppelt so teuren Supersprits pro 100 Kilometer. Mit Gasanlage, reichlich Unterbodenschutz, deutscher Software und serienmäßiger Anhängevorrichtung optimiert respektive bestückt AEC seine Europa-Ram übrigens gleich nach dem Entladen im Hafen von Rotterdam.

RAM Longhorn
Andreas Becker
Tritt-Brett: Beim Öffnen der Türen fährt der Longhorn die Steigbügel aus – gern auch mal vors Schienbein.

Der Ram wäre kein Ami, fühlte er sich nicht mit Kuhhaut und Haar dem Wohlergehen seines Owners verpflichtet. Kaum öffnet man die Tür, fahren die Trittbretter aus. Aber wehe, man hat es zu eilig mit dem Entern der riesigen Doppelkabine, deren Staufächer und Konsolen mehr Volumen haben als der Kofferraum eines Fiat 500 (der ist übrigens ein kleiner Bruder des Ram, der auch der Fiat-Chrysler-Familie entstammt), dann tritt einem der Pick-up ganz schön vors Schienbein. Dafür schmeichelt er sich drinnen mit allem ein, was das Leben angenehm macht. Und sollte der letzte Beweis fehlen, wie amerikanisch der Ram ist: Der Motor lässt sich durch Doppelklick auf den Zündschlüssel fernstarten. Wer will schon in ein aufgeheiztes/ausgekühltes Auto steigen?

Freundliche Landyacht im Alu-Mantel

Was die Fernsteuerungen angeht, kann der Eriba Touring 820 locker mithalten. Zwei davon sind serienmäßig an Bord: Die eine befehligt die Dachklimaanlage, die andere die hydraulische Hubstützenanlage mit zwei Achsstempeln und vier Stützen, die das Schiff mit einigem Pumpengetöse in die Waagerechte wuchtet. Aber da geht noch mehr: Für 4990 Euro wandern vier Mover-Motoren an die Räder und eine dritte Fernsteuerung in die Schublade, im Smart-Media-Paket für 3690 Euro stecken ein Smart-TV samt Sat-Antenne und Radio inklusive – logo – Fernbedienung und Bluetooth-Tastatur.

Eriba Touring 820
Andreas Becker
Hoch-Gefühle: Dank 2,03 Meter Innenhöhe und Panoramaverglasung stellen sie sich schnell ein.

Wie der Ram hat auch der Eriba ein stählernes Rückgrat, was ihn trotz seiner Größe zum akzeptierten Mitglied der kleinwüchsigen Touring-Familie macht: Das Innenskelett aus Stahlrohr lässt den Mega-Touring unerschütterlich wirken, ein Eindruck, den chromglänzende Stahl-Anbauteile unterstreichen. Nach der ersten Kritik über wellige Aluwände hat Eriba die Konstruktion nochmals komplett überarbeitet. Jetzt liegt das silberlackierte Alu-Glattblech angemessen sauber über Dämmung und Stahlkäfig.

Über die Historie des Touring 820 legt sich wie beim Ram von Fiat ein wenig schicksalhafte Ironie: Denn kurz bevor die ersten 820er-Prototypen auf den eigenen Rädern standen, kaufte Thor Industries die Erwin Hymer Group. Und damit just jenes US-amerikanische Konglomerat, zu der auch die Marke Airstream gehört. Doch vor der muss sich die Landyacht aus Oberschwaben nicht verstecken. Der Touring 820 findet seinen eigenen Stil. Das Mobiliar ist handwerklich solide zusammengefügt, wenngleich keine außergewöhnliche Finesse erwartet werden sollte. Der Touring empfängt seine Crew mit offenen Armen, gibt ihr ein solides Zuhause, das dank großer Fenster- und heller Oberflächen viel freundlicher und verbindlicher ist, als es von außen wirkt. Und das ist die letzte und vielleicht wichtigste Gemeinsamkeit zwischen dem Schwaben und dem Ami.

Technische Daten RAM 1500 Laramie Longhorn

RAM Longhorn
Andreas Becker
Tarnkleid: Der Ram fährt eigentlich gar nicht wie ein Pick-up – sondern sanft und leise.

Motor & Getriebe: V8-Benzinmotor, 5654 cm3, 295 kW (401 PS), max. Drehmoment 556 Nm bei 3950/min. Prins-Flüssiggasanlage mit 122-Liter-Tank. 8-Gang-Automatikgetriebe, autom. zuschaltender Allradantrieb m. Untersetzung u. Diff.-Sperre.
Fahrwerk: Starrachse, vorne Einzelradaufhängung. Vollluftfederung mit Niveauausgleich.
Maße & Gewichte: Leergewicht (gewogen) 2640 kg, zul. Gesamtmasse 3500 kg. Anhängelast 3500 kg, Stützlast 200 kg.
Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit: 170 km/h, Gespannverbrauch (Flüssiggas): 20 L/100 km, Super: 26 L/100 km.
Grundpreis: ca. 74.000 Euro inkl. Gasanlage (Ausstattung Longhorn).
Alternativen: Laramie Sport/Night Edition, Limited, Limited Black Appearance.

Technische Daten Eriba Touring 820

Aufbau: Selbsttragender Stahlrahmen, außen Alu, PU-Dämmung. Boden GfK, Dach Pual.
Chassis: Alko-Chassis, selbstnachstellende Trommelbremsen. Reifen 185/70 R 14 C. Hydraulische Hubstützenanlage.
Maße & Gewichte: Länge/ Breite/Höhe 848/236/279 cm. Leergewicht 2268 kg (gewogen), zul. Gesamtmasse 2800 kg.
Serien-Bordtechnik: Warmwasserheizung, Klimaanlage, elektr. Einstiegsstufe, Ventilator-Dachhaube, Effekt- Beleuchtung u. v. m.
Extras: Multimedia-Paket, Reserverad, GfK-Dach, City-Wasseranschluss, Unterflur-Abwassertank, Smart-Battery-System, Solaranlage, Mover, Wechselrichter, Markise u. v. m.
Grundpreis: 75.990 Euro
Testwagenpreis: 98.890 Euro

Die aktuelle Ausgabe
Caravaning 06 / 2023

Erscheinungsdatum 09.05.2023

92 Seiten