Caravan-Plattformen
Welche Fabrik baut welchen Caravan?

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Immer mehr Wohnwagen sind eng miteinander verwandt. Das Markenschild ist kein Hinweis mehr auf die Herkunft. Wir sagen, welcher Wagen woher kommt und vergleichen die Ausstattungen.

LMC-Werk in Sassenberg
Foto: CARAVANING-Archiv

Wer sich für eine Marke entscheidet, will damit Zeichen setzen. Man kauft Deutsch, Europäisch, Japanisch oder auch Amerikanisch. Ja, selbst regionale Vorlieben ließen sich mit der Wahl einer Marke zum Ausdruck bringen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Porsche mit dem Stuttgarter Pferd im Wappen werden auch in Leipzig montiert. Die SUV-Karosserien kommen aus der Slowakei, wo übrigens auch einige der in Rüsselsheim entwickelten Wagen der koreanischen Schwestermarken Hyundai und Kia gebaut werden.

Und so mancher Mercedes dieselt "powered by Renault" durch die Welt, während Toyota-Fahrer nichts vom BMW-Motor unter ihrer Haube ahnen. Das Mischen und Teilen geht aber auch innerhalb von Konzernen weiter. Aus dem Modularen Querbaukasten des VW-Imperiums entstehen zehn Autos von vier Marken.

Plattform-Caravans: Die Hersteller sparen Entwicklungskosten

Die Idee, mit Hilfe einer gemeinsamen technischen Basis Entwicklungskosten zu sparen, flexibler zu planen und obendrein Qualitätsprobleme zu minimieren, hat nun auch die Caravan-Industrie durchdrungen. Auch hier gibt es zwei prinzipielle Herangehensweisen. Die Erste: Alle oder zumindest einige Modellreihen eines Herstellers teilen sich Technik, Aufbau und demzufolge auch viele Grundrisse. Unterschiede betreffen dann noch optische Ausgestaltung und den Ausstattungsumfang.

Als Vorreiter gelten hier Hobby und Fendt. Mit Ausnahme der Top-Baureihen Premium und Landhaus (Hobby) und des Brillant (Fendt) zeigen sich hinter den Fassaden identische Konstruktionen. Bei Dethleffs sind Camper und Nomad auf der einen, die neuen Beduin und Exclusive auf der anderen Seite technische Zwillinge. Seit 2016 ergänzt LMC mit den Drillingen Vivo, Musica und Maestro den Reigen. Die Marke aus dem Münsterland gehört wie die Geschwister Bürstner, Carado, Dethleffs, Eriba und Sunlight zur Erwin Hymer Group und ist damit ein Paradebeispiel für die zweite Herangehensweise: Eine Marke entwickelt und baut auch im Auftrag für die anderen Konzernmarken Wohwnagen. Somit werden aus den Drillingen Fünflinge: Denn auch der Eriba Exciting und der in Skandinavien und den Niederlanden verkaufte Solifer Nordic teilen sich die konstruktive Basis. Und das Verteilen ist vermutlich noch nicht zu Ende. Zum Modelljahr 2017 kommt ein neuer Bürstner Averso, der bei Dethleffs in Isny gebaut werden könnte.

Die Möbel sind zunächt farbneutral

Einige Argumente für diese Strategie sind durchaus stichhaltig: Die Marken können sich die Entwicklung und die anfallenden Kosten teilen. Bei den Zulieferern von Möbelelementen wird das Mobiliar farbneutral konstruiert und geplant – die Bestückung mit den entsprechenden Dekors und Beschlägen ist dann nur noch ein Handstreich, der auch den Beschäftigten der jeweiligen Fabrik routiniert von der Hand geht. Beide Argumente schlagen in dieselbe Kerbe: Eine Entwicklung mit weniger Zeit- und Kostendruck trifft auf bessere Verarbeitung. Dabei scheint die Kostenersparnis nicht nur den Händlern und deren Margen zugutezukommen. Bei LMC findet auch eine Kostenverteilung innerhalb der Marke statt. Durch die Gleichteilestrategie steigen die Preise von Vivo und Musica zwar um 2,9 respektive 2,6 Prozent, doch das Top-Modell Maestro wird 7,5 Prozent günstiger. Dabei sind laut LMC die Lohn- und Materialkosten um 3,5 respektive 1,2 Prozent gestiegen. Und die Qualität? Die beiden letzten Supertest-Kandidaten mit Heimathafen Sassenberg, der LMC Vivo und der Eriba Exciting, haben bei der Verarbeitung tatsächlich sehr gut abgeschnitten. Bleibt nur zu hoffen, dass weniger Wettbewerb nicht zu weniger Weiterentwicklung führt.

Für Kunden stellt sich trotzdem die Frage: Warum die eine Marke kaufen, wenn die andere fast identische Caravans im Angebot hat? Kunden sind übrigens nicht nur Käufer, sondern auch Händler. Das Risiko, dass Marken nicht mehr als eigenständig wahrgenommen werden, ist beträchtlich.

Trotz gemeinsamer Plattform individuell bleiben

Damit konfrontiert, finden Giovanni Marcon, der für die "Mainstream"-Marken Bürstner und Dethleffs verantwortliche Vorstand in der Erwin Hymer Group, sowie Dethleffs-Geschäftsführer Günther Wank beschwichtigende Worte. Von Markenkernen ist die Rede, die von der Gleichteilestrategie nicht angegriffen würden, weil sich, so betonen beide unabhängig voneinander, die in einem gemeinsamen Werk gebauten Fahrzeuge optisch nicht zu nahe kämen. Außerdem sei es entgegen der Befürchtungen durchaus möglich, auf einer gemeinsamen Plattform sehr individuelle Fahrzeuge zu entwerfen. Doch die 2016er-Programme zeigen: Der Zeitpunkt für die Diversifikation liegt wohl in der Zukunft.

Die Schwierigkeit ist, dass es anders als beim beliebten Beispiel Volkswagen-Konzern, beim Caravan keine Möglichkeit gibt, den Charakter über Dinge wie Motorsound, Fahrwerksabstimmung oder die Herkunft zu definieren.

Schließlich erwähnt Hymer-Vorstand Marcon noch sein Musterbeispiel dafür, dass das Konzept aufgeht, identische Fahrzeuge zu bauen, die sich nicht in die Quere kommen: In Neustadt/Sachsen produziert Capron Caravans und Reisemobile der Schwestermarken Carado und Sunlight, die sich lediglich bei Möbel- und Polsterdekoren unterscheiden, jedoch über eigene Händlernetze vertrieben werden. Allerdings agieren beide Marken im Günstigsegment. Die Fahrzeuge fließen also zu nicht unerheblichen Stückzahlen ins Vermietgeschäft und werden von Einsteigern gekauft, die vermutlich keine oder nur eine schwache Markenaffinität haben. Kurz gesagt: Die Marke ist zweitrangig, wenn das Produkt gut und günstig ist. Ähnlich wie Capron verfahren die französischen Marken Caravelair und Sterckeman aus dem Trigano-Imperium.

Allerdings hat man in der Konzernzentrale in Tournonsur-Rhône entschieden, dass nur Caravelair mit dem Venicia Premium die gehobene Mittelklasse abdeckt. Die Caravelair-Baureihen Antares, Antares Style und Allegra entsprechen im Wesentlichen den Sterckeman-Modellen Starlett, Starlett Comfort und Alizé Concept.

Weiche Faktoren wie Markenidentitäten und Firmenphilosophien sind das eine, Zahlen und Fakten das andere. Darum haben wir die druckfrischen Preislisten von Bürstner, Dethleffs, Eriba und LMC gewälzt und die Geschwister, sortiert nach der gemeinsamen Basis, miteinander verglichen. Bei den anderen hier in den Kastenelementen erwähnten und gezeigten Fahrzeugen verhält es sich ähnlich.

Messen wie der Caravan Salon Düsseldorf und auch die CMT in Stuttgart sind ideal dafür, sich die Mitglieder der immer größer werdenden Caravan-Familie einmal genau anzusehen und sich Angebote einzuholen. Zwei Dinge kann aber keine Kostenanalyse der Welt ersetzen: Den ersten Eindruck und den persönlichen Geschmack. Wenn Ihnen ein Caravan viel besser gefällt als der andere – dann sollte es bei der Entscheidung zwar nicht auf den letzten Euro, aber durchaus auf die Qualität ankommen. Schließlich muss man sich auf Reisen vor allem eins: Wohlfühlen.

Markenvergleich Bürstner Premio, Dethleffs C´Go und LMC Style

Alle Serien- und Paketausstattungen sind anders zusammengestellt. Das macht den Vergleich schwer. Dethleffs schnürt unkonventionelle und dadurch teure Pakete, Bürstner bietet keine Dusche an. Am exaktesten auf den persönlichen Geschmack trimmen lässt sich der LMC Style. Allerdings ist er wegen seines serienmäßig holzfreien Aufbaus der teuerste.

Markenvergleich Eriba Exciting und LMC Vivo

Beiden Wagen fehlen in der Basis wichtige Ausstattungen. Der LMC ist bei vergleichbarer Ausstattung trotz holzfreiem Aufbau und 12 Jahren Garantie günstiger. Zweiter Malus für Eriba: Es gibt laut Liste keine stärkere Gebläseheizung als die S 3004 – wer mehr Heizpower will, muss das Arktis-Paket 2 mit Alde-Warmwasserheizung ordern.

Woher kommen die beliebten Marken?

Made in Neustadt/Sachsen: Carado und Sunlight

Das Capron-Werk (Caravan-Produktion Neustadt) war ein Pilotprojekt der Hersteller Dethleffs und Hymer, die als Elternmarken für Sunlight und Carado fungierten. Heute sind die beiden jungen Marken eigenständigere Teile der Erwin Hymer Group. Doch am Konzept hat sich nichts geändert. Die Caravan-Baureihen Carado Delight und Sunlight Njoy unterscheiden sich lediglich durch Holz- und Polsterfarben sowie das Außendekor. Gleichschritt sogar bei den Paketnamen und -preisen: Bei Carado und Sunlight kostet das Performance-Paket (Schlinger- und Stoßdämpfer, Frisch- und Abwassertank) 349 Euro, das Wohlfühl-Paket mit wohnlicherer Ausstattung 229 Euro und das Relax-Paket mit Fliegengittertür, Heki, Therme und Umluftanlage 629 Euro. Das Light-Paket für 379 Euro kombiniert Panorama-Dachhaube mit Design-Oberschränken und Fliegengittertür.

Fabriqué En France: Caravelair und Sterckeman

Allegra und Alizé Concept ist eine Geschwister-Baureihe aus dem Werk Tournon des Camping-Imperiums Trigano, Antares (Style) und Starlett (Comfort) sind die beiden anderen. Der Allegra deckt die Größenklassen 390 bis 556 zu Preisen von 14 290 bis 18 150 Euro ab, Sterckeman schickt den Alizé als 420er (2,10 Meter schmal) bis 550er zu Kursen von 14 270 bis 18 150 Euro ins Rennen. Die Unterschiede betreffen neben den Grundrissen hauptsächlich die Gestaltung: Der Cara¬velair ist etwas zurückhaltender, der Sterckeman dank kräftiger Farbtöne expressiver. Technisch beschreiten beide mit XPS-Schaum-Dämmung im Boden, GfK-Partien an Bug und Heck, Dächern und Wänden aus vollflächigem GfK sowie den optionalen Kompressor-Kühlschubladen mit 150 Liter Volumen denselben Weg. In Tournon-sur-Rhône werden neben Caravelair- und Sterckeman-Caravans auch Reisemobile der Marken Challenger und Chausson gebaut.

Aus Mottgers: Knaus Eurostar und Tabbert Cellini

Wie unterschiedlich Geschwister sein können, wird an Knaus Eurostar und Tabbert Cellini deutlich, die im neuen Tabbert-Werk in Mottgers gebaut werden. Knaus hat zur CMT im Januar die Baureihe auf das Modell 650 ES reduziert, das zusätzlich mit dem exklusiven Yacht-Interieur der Studie Caraviso aufgepeppt wurde. Der Eurostar hat Einzelbetten im Bug und eine opulente Lounge-Sitzgruppe inklusive Arbeitsplatz im Heck und kostet mindestens 49 990 Euro.

Vom Tabbert Cellini gib es sechs Variationen, eine sogar mit Slide-Out. Vergleichbar mit dem Eurostar ist der 655 DF, der 48 370 Euro kostet und ein Queensbett im Bug trägt. Das Interieur ist deutlich viel klassischer gestaltet. Außerdem hat der Cellini das typische unterlüftete Tabbert-Dach, auf das der Knaus ebenso verzichten muss wie auf die Dachklimaanlage, die Fußbodenerwärmung und die Multimedia-Ausstattung. Dafür hat er einen holzfreien Aufbau und digital bedruckte statt beklebte Wände.