Wie das gesamte produzierende Gewerbe ächzt auch die Caravan-Industrie unter gestörten Lieferketten und Materialmangel. Die steigenden Preise werden zunehmend an die KundInnen weitergereicht.
Wie das gesamte produzierende Gewerbe ächzt auch die Caravan-Industrie unter gestörten Lieferketten und Materialmangel. Die steigenden Preise werden zunehmend an die KundInnen weitergereicht.
Wer dieser Tage die Caravan-Preislisten für das Modelljahr 2022 durchblättert und neben jene der vergangenen Saison legt, stellt schnell fest, dass die in den vergangenen Jahren gewohnten Preissteigerungen heuer deutlich übertroffen werden. Bis zu acht Prozent Verteuerung ist da bei einzelnen Modellen bisweilen herauszulesen. Es ist unübersehbar: Die Preise steigen auf breiter Front, und sie tun das in einem bisher noch nicht dagewesenen Maße.
Die Gründe? Schon allein die Inflationsrate – im August lag sie bei fast vier Prozent, fürs Gesamtjahr erwarten die Wirtschaftsinstitute 2,4 Prozent – ist dieses Jahr ein ordentlicher Schlag ins Kontor. Doch mit der momentanen Gemengelage an den Märkten ist die Lage noch weitaus komplizierter. Sie ist geprägt von Mangel, immensen Kostensteigerungen und einer überbordenden Nachfrage.
Ausgelöst wird diese Nachfrage unter anderem durch einen ungeheuren Bauboom in China, den Aufschwung der Unterhaltungsindustrie, die Corona-Krise und nicht zuletzt durch die dadurch teils dramatisch verengten Flaschenhälse der weltweiten Logistik. Containermangel, pandemiebedingte Schließungen ganzer Häfen und Einzelereignisse wie Unwetter, der Brand eines großen Halbleiterwerks in Asien oder die Havarie des Containerfrachters Ever Given im Suezkanal haben auch die Frachtkosten in neue Sphären getrieben.
Kosteten Container aus China vor den Ereignissen 1.500 bis 2.000 Dollar, sind dafür nun bis zu 10.000 zu berappen – termingerechte Verladung aufs Schiff kostet extra. Und weil Corona auch dem Luftverkehr einen heftigen Dämpfer verpasste, steigen die Preise für Luftfracht ebenso – denn die wird oft zusammen mit Menschen in Passagiermaschinen um die Welt geschickt.
In den Fertigungshallen der Caravan- und Zubehörhersteller macht sich das immer stärker bemerkbar. Ob Grundstoffe wie Stahl, Kunststoff und Holz, chemische Produkte, Schrauben, Kabel oder so hochdifferenzierte Erzeugnisse wie Halbleiter: Es fehlt an allem. Dementsprechend volatil ist die Lage. Lange schon kennen die weltweiten Rohstoffpreise nur noch eine Richtung: nach oben. Für Stahl beispielsweise sind sie von rund 650 Euro pro Tonne Anfang des Jahres auf 1.200 Euro gestiegen.
Die Preise von Holz und Kunststoffen stiegen auf mehr als das Doppelte. Schon ist in den Medien von der größten Rohstoffkrise seit dem Zweiten Weltkrieg die Rede, und tatsächlich hat die momentane Situation das Zeug dazu, die Wirtschaft nachhaltig zu erschüttern. Da stehen ganze Automobilwerke aus Mangel an Halbleitern still, die Materialkosten für Häuslebauer explodieren und manch ein Bauunternehmer nimmt lieber Konventionalstrafen in Kauf, als Verträge einzuhalten.
Vor diesem Hintergrund seriös Preise zu kalkulieren, ähnelt der Quadratur des Kreises. "Von Herstellern und Lieferanten hören wir: ‚Wir wissen noch nicht, ob und was wir morgen liefern können, eines aber ist schon heute sicher: Es wird teurer‘", sagt Stefan Diehl, Pressesprecher der Knaus Tabbert AG. Kurzfristiges Stopfen von Löchern statt langfristiger Bedarfsplanung wird immer mehr zur Realität in den Unternehmen. "Wir müssen tatsächlich einen signifikanten Teil unseres Stahlbedarfs kurzfristig über den Spotmarkt eindecken", bestätigt Dr. Timo Schwickart, Senior Vice President Sales und Marketing beim Chassishersteller Alko.
Längst geht es nicht mehr darum, die Kosten zu drücken. Es geht darum, die Fertigung überhaupt aufrechtzuerhalten. "Da stellt sich dann die Frage: Wollen wir diesen Container zu diesem Preis haben? Wenn man Nein sagt, fertigt man nicht mehr", sagt Hans Frindte, Geschäftsführer von Fendt.
Immerhin bleibt den Caravan-Herstellern ein Problem erspart, das die Kollegen aus der Wohnmobilfertigung genauso hart trifft: Sie müssen nicht auch noch die gestiegenen Preise für die Basisfahrzeuge berappen. Ein Glück, wenn man bedenkt, dass allein der neue Fiat Ducato ausstattungsbereinigt rund acht Prozent teurer geworden ist und dass Basisfahrzeuge aufgrund der neuen EU-Auflagen zum Thema Assistenzsysteme in Serie in den kommenden Jahren noch deutlich teurer werden dürften.
Mittlerweile haben viele KundInnen von der schwierigen Lage am Rohstoffmarkt gehört und bringen deshalb ein Stück weit Verständnis für die Aufschläge mit, das haben viele Gespräche auf dem Caravan Salon gezeigt. "Ich war fast froh, dass auch ein VW-Werk in Wolfsburg in dieser Situation mal stillsteht. Spätestens dann nämlich verstehen die Menschen, dass wir keine Doofies sind", zeigt sich Dr. Holger Siebert, Geschäftsführer von Trigano in Deutschland, geradezu erleichtert.
Denn in den nach wie vor von viel Handarbeit geprägten Fertigungsstraßen der Fabrikation läuft die Produktion durch den Mangel alles andere als rund. Fehlender Nachschub führt nicht nur zu Unterbrechungen, sondern zwingt bisweilen auch zum Umplanen der gesamten Produktion. Ganze Parkplätze sind von halbfertigen Wohnwagen belegt, die bei Anlieferung der fehlenden Teile erst einmal fertiggestellt werden müssen. Auch dieser Zusatzaufwand in der Logistik wird sich auf künftige Kalkulationen auswirken.
Was die Lagerhaltung angeht, hat das Umdenken bei vielen Herstellern schon begonnen. "Wir gehen gerade ein Stück weit weg vom ‚just in time‘ und erhöhen unsere Lagerkapazitäten, wo immer es geht", sagt Stefan Diehl, und auch der Geschäftsführer von Hobby, Holger Schulz, bestätigt: "Die Mengen, die wir brauchen, können wir zwar gar nicht vorhalten und nicht alle Materialien vertragen eine Lagerung. In einigen Bereichen aber legen wir uns natürlich schon größere Sicherheiten an."
"Das Hochfahren der Lagerbestände kostet dann natürlich zusätzlich und ist ein weiterer Preistreiber", gibt Alexander Leopold, Geschäftsführer von Dethleffs, zu bedenken, und Hans Frindte von Fendt ergänzt: "Ein großes Lager muss man erst einmal haben. Weil alle das gleiche Problem haben, gibt es momentan kaum noch Lagerkapazitäten, die man anmieten kann. Viele Großkonzerne haben auf diese Situation ja auch schon reagiert."
Warum und wo auch immer die Verzögerungen im Produktionsablauf auftreten: Verschobene Liefertermine könnten für viele KundInnen die Kosten noch weiter in die Höhe treiben, denn kaum ein Hersteller kann weitere Preiserhöhungen für die laufende Saison ausschließen. Meist garantieren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Preise nur vier Monate lang. Liegt der Liefertermin später, darf er bei veränderten Grundlagen – beispielsweise durch höhere Materialkosten und Löhne – angepasst werden.
Kunden der Hersteller sind in der Regel die Händler. Wie die das dann im Einzelnen mit den Endkunden abrechnen, ist individuell. "Auch wir als Händler müssen in einer derartigen Situation Preisanpassungsklauseln in die Verträge schreiben", bestätigt Kai Dhonau, Präsident des Deutschen Caravaning Handels-Verbandes DCHV. "Ob das tatsächlich alle machen, kann ich nicht sagen."
Preispolitisch gibt es in dieser Gemengelage zwei Möglichkeiten: das Einkalkulieren eines gewissen Sicherheitspuffers oder die Weitergabe von höheren Preisen während der Saison. Von allen Unternehmen, mit denen wir gesprochen haben, legt sich nur Hobby mit seinem Geschäftsführer Holger Schulz fest: "Wir sind der Meinung, dass eine Preisliste für die gesamte Saison Bestand haben sollte. Daran versuchen wir uns auch zu halten und haben deshalb keine Anpassung mehr vorgesehen."
"Totale Sicherheit einzuplanen, geht nicht", meint dagegen Dr. Holger Siebert von Trigano. "Wir haben für alle Auslieferungen bis zum Ende des Jahres sieben bis acht Prozent Preiserhöhung eingeplant. Für danach haben wir folgenden Weg gefunden: Wir nehmen die Aufträge an, bestätigen sie aber vorerst nicht. Alle späteren Auftragsbestätigungen werden dann mit angepassten Preisen gemacht. So federn wir das Risiko ab, dass die Preise weiter durch die Decke gehen. Sollten sich die Preise deutlich entspannen, sind theoretisch auch Preissenkungen möglich."
Preissenkungen? Damit rechnet in der Branche momentan auch längerfristig niemand ernsthaft, auch wenn in den letzten Wochen die Kurven mancher Rohstoffpreise erstmals tatsächlich wieder einen leichten Knick nach unten verzeichnen konnten. Bei vielen Lieferanten aber haben die Hersteller einen derart langen Vorlauf, dass sich auch fallende Preise erst einmal kaum dämpfend auswirken werden, wie Hans Frindte von Fendt verdeutlicht: "Wir haben bei manchen Lieferanten mittlerweile 42 Wochen Vorlauf, das ist fast ein ganzes Jahr. Da sind Preissenkungen sicher bis auf Weiteres kein Thema."
Tatsächlich dürfte mit wieder fallenden Preisen wohl kaum zu rechnen sein. Denkbar wäre im Falle einer sich entspannenden Lage allenfalls eine gewisse Kompensation durch Modellpflegemaßnahmen oder eine verbesserte Ausstattung. Doch die nächsten Preistreiber lauern schon. "Vor allem die Elektronikthemen werden uns wohl längerfristig erhalten bleiben, der Bedarf ist ja in allen Lebensbereichen gestiegen und steigt ständig weiter.
Die nötigen Kapazitäten für Halbleiter aber fehlen und müssen weltweit erstmal geschaffen werden", gibt Martin Eichelbrönner vom Heizungs-Giganten Truma zu bedenken. Und ohne Halbleiter ist auch die technische Zukunft des Wohnwagens kaum vorstellbar. Ohne Stahl, Holz und Kunststoff allerdings auch nicht.
Schon seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr des vergangenen Jahres begannen die Preise für Rohstoffe und die Erzeugnisse aller nachgelagerten Produktionszweige auf breiter Front zu steigen. Das lag und liegt einerseits an einer künstlichen Verknappung durch weltweit gestörte Lieferketten: Häfen wurden geschlossen, Frachter konnten nicht mehr auslaufen und wurden nicht gelöscht und in der Folge wurden die Container knapp. Die Preise für Überseecontainer stiegen innerhalb eines Jahres um annähernd 700 Prozent. Damit sind die Frachtkosten der absolute Überflieger unter den Preistreibern.
Doch auch die Steigerungen der Rohstoffpreise führen in vielen Industrien zu Ratlosigkeit. Grund dafür ist die weltweit gestiegene Nachfrage. Nach partieller Eindämmung der Pandemie ist einerseits die Konjunktur vor allem in den USA und in China wieder voll angesprungen, andererseits konnten viele Produzenten ihre Produktion noch nicht wieder auf Vorkrisenniveau hochfahren. Stiegen die Preise bis Herbst 2020 noch mäßig, brach danach eine regelrechte Preisrallye aus.
In der Konsequenz führte das allein beim Stahl zu einer Preissteigerung auf das Vierfache, auch die Preise von verarbeiteten Holzwerkstoffen und Kunststoffen haben sich je nach Material zum Teil mehr als verdoppelt. Erst die neuesten Entwicklungen zeigen einen leichten Abwärtstrend. Wie nachhaltig der wird, trauen sich momentan auch ExpertInnen kaum abzuschätzen.
Glaubwürdigkeit wahren – Die Marktlage ist angespannt. Seit auch hierzulande Autofabriken stillstehen, bleibt die schwierige Nachschublage kaum mehr verborgen. Da sich Preise über Angebot und Nachfrage bilden, ist das Verständnis der KundInnen für Erhöhungen momentan da. Um es zu erhalten, bedarf es offensiver Kommunikation und großer Transparenz seitens der Hersteller. Sollte sich die Lage auf den Märkten aber wieder entspannen, müssen auch Kostensenkungen an den Kunden weitergegeben werden – wenn schon nicht in barer Münze, so doch zumindest in Form von Aufwertungen bei der Ausstattung. Andernfalls steht die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.