Clemens G. Arvay wurde 1980 in Graz geboren. Er studierte angewandte Pflanzenwissenschaften und Landschaftsökologie. Heute ist Arvay Mitglied im österreichischen renommierten Forum Wissenschaft & Umwelt. Seine Arbeit dreht sich um die Beziehung zwischen Mensch und Natur, wobei er die gesundheitsfördernden Wirkungen des Kontakts zu Pflanzen, Tieren und Landschaften in den Mittelpunkt rückt.

Sofern man nicht auf einer englischen Rasenfläche campiert, sondern umgeben von Bäumen, Sträuchern und natürlicher Vegetation, kommt man in den Genuss der bioaktiven Stoffe aus der Pflanzenwelt. Bäume beispielsweise geben große Mengen sogenannter Terpene gasförmig ab. Studien der letzten Jahre haben belegt, dass Terpene beim Einatmen unser Immunsystem ausbalancieren. Konkret werden dabei unsere natürlichen Killerzellen mehr und aktiver. Das sind wichtige Abwehrzellen gegen Krankheitserreger. Terpene stärken auch die natürlichen Anti-Krebs-Geschütze unseres Immunsystems. Als besonders wirksam haben sich in Experimenten die Pinene erwiesen – das sind Terpene der Kiefern. Es empfiehlt sich also, wenn möglich, das Lager in der Nähe einer Kiefer aufzuschlagen.
Das gilt für alle Menschen. Die Natur ist voll von bioaktiven Wirkstoffen, die wir mit ihren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus gerade erst zu verstehen beginnen. Für Kinder besonders relevant sind Mikroben aus dem Humusboden, spezielle Bakterienstämme, die nachweislich unser Immunsystem trainieren und bei Kindern der Entstehung von Allergien entgegenwirken können. Früher Naturkontakt ist das beste Mittel, Allergien in Zukunft den Kampf anzusagen. Deswegen fordere ich auch mehr Natur in der Stadt.
Die Studien rund um Terpene, Mikroben und andere Stoffe des Waldes wurden in renommierten wissenschaftlichen Journalen für Immunologie und Umweltmedizin veröffentlicht. Eine in NATURE veröffentlichte, sehr aufwendige Studie des Neuropsychologen Marc Berman von der Universität Chicago zeigte außerdem, dass mehr Bäume und Sträucher in der Stadt zu einem signifikanten Rückgang chronischer Erkrankungen bei Stadtbewohnern führen würden. Wir brauchen auch im Alltag mehr Naturerfahrungen – auch dann, wenn wir in einer Metropole leben.
Die Beobachtung von friedliebenden Wildtieren in der freien Natur – etwa von Rehen, Eichhörnchen oder Vögeln – aktiviert nachweislich den Parasympathikus, das ist der Nerv der Ruhe, der gegen Stressbelastungen wirkt und uns bis auf die Ebene der Zellen in den Modus der Regeneration schaltet. Es ist auch nachgewiesen, dass das Zusammenleben mit Hunden statistisch gesehen das Risiko eines Herzinfarkts reduziert. Das liegt nicht nur an der Bewegung beim Spazierengehen mit dem Tier, sondern auch daran, dass Freundschaften mit Hunden mehr von dem Beziehungshormon Oxytocin in unserem Blut zirkulieren lassen. Dieses Hormon hat nachgewiesene positive Wirkungen auf unsere Herzgesundheit.
Der Begriff "Waldbaden" beschreibt das Eintauchen in das biochemische Milieu des Waldes und in die Waldatmosphäre mit allen Sinnen. In Japan sind Waldbaden und Waldmedizin offiziell anerkannte Therapiemethoden. Was aber fast niemand weiß: Der Begriff "Waldbaden" geht auf eine 2500 Jahre alte Tradition in China zurück, die dort "Senlinyu" – eben Waldbaden – genannt wird. Schon die alten Kung-Fu-Meister gingen in den Wald, um mit intensiven Bewegungen und Atemtechniken das "Qi des Waldes", wie sie es nannten, aufzunehmen. Heute beweist die Wissenschaft, was Menschen seit Jahrtausenden spüren: Der Wald schützt unsere Gesundheit.
Ich bin davon überzeugt, dass jede Naturlandschaft ihre eigenen Qualitäten aufweist. Im Wald schwirren besonders viele gesunde Substanzen herum, Graslandschaften, Seen und Strände haben dafür eine besonders beruhigende Wirkung. Auch das ist wichtig für unsere Gesundheit. An Wasserfällen und an der Meeresbrandung entstehen massenweise Anionen, das sind elektrisch negativ geladene Sauerstoffteilchen. Diese unterstützen beispielsweise die reinigende Funktion unserer Flimmerhärchen, indem sie deren Bewegungen schneller machen, und helfen uns so, Schadstoffe und Krankheitserreger auszustoßen. Deswegen plädiere ich dafür, wieder mehr Flüsse und Wasserfälle in die Stadt zu holen. Wir haben zahlreiche urbane Flüsse in Rohre verbannt. Es ist Zeit, sie zu befreien und die Anionen wieder in die Stadtluft zu holen.
Generell reicht es, anwesend zu sein und die Wirkstoffe der Natur über die Atmung aufzunehmen. Natürlich kann körperliche Bewegung aber dabei helfen, durch die Anregung des Stoffwechsels noch mehr von den gesundheitsschützenden Substanzen der Natur aufzunehmen. Ob wir gesund bleiben, hängt natürlich nicht nur vom Camping im Freien ab. Unser Körper sollte auch über die Nahrung möglichst viele gesunde, bioaktive Substanzen zugeführt bekommen. "Junkfood" passt nicht zum Camping in der Natur, davon bin ich überzeugt.
Ein naturnaher Campingplatz sollte sich an dem Vorbild des Waldes orientieren. Im Wald hat alles eine Funktion, jede Nische ist besetzt und alles steht mit allem in Verbindung. Wenn sich Campingplätze zu kleinen Ökosystemen entwickeln, tragen sie dadurch auch zu einer ökologischen Erholung der Erde bei. Ich hoffe außerdem, dass durch diese Naturerfahrung auch ein gesteigertes Bewusstsein für den Wert unserer natürlichen Lebensräume entstehen kann.
In meinem Buch "Biophilia in der Stadt" habe ich die umfassendste jemals veröffentlichte Liste mit Stadtwäldern im deutschen Sprachraum integriert. Manche Stadtwälder, wie die Dresdner Heide, reichen bis ins geografische Stadtzentrum. Der Grunewald in Berlin ist mit der S-Bahn vom Alexanderplatz in 20 Minuten erreichbar. In Hamburg liegt das idyllische Raakmoor ganz in der Nähe der U-Bahn-Station Langenhorn Nord. Ich empfehle es sehr, auch nach Feierabend Ausflüge in Stadtwälder zu machen. Im Büro kann man die heilsamen Kräfte der Natur nur schwer nachbilden. Allerdings haben auch Waldbilder und Naturgeräusche von Tonbändern eine beruhigende und regenerative Wirkung, das ist nachgewiesen. Im Google-Büro in Tel Aviv wachsen beispielsweise kleine "Indoor-Wälder" und die Wände sind mit Waldpostern tapeziert, weil sich gezeigt hat, dass Mitarbeiter dann leistungsfähiger und weniger gefährdet sind, ein Burnout zu entwickeln.
Mehr Infos in den Büchern

Clemens G. Arvay:
Biophilia in der Stadt – Wie wir die Heilkraft der Natur in unsere Städte bringen, 352 Seiten, Goldmann, 22 Euro
Der Heilungscode der Natur – Die verborgenen Kräfte von Pflanzen und Tieren entdecken, 288 Seiten, Riemann, 11 Euro