Unwuchten lassen Pkw-Räder springen und taumeln. Sind auch die Caravanräder betroffen? CARAVANING hat Stichproben genommen und nennt das Pro und Kontra.
Unwuchten lassen Pkw-Räder springen und taumeln. Sind auch die Caravanräder betroffen? CARAVANING hat Stichproben genommen und nennt das Pro und Kontra.
Von Haus aus laufen Rad und Reifen niemals rund. Fast an jedem Pkw-Rad kann man deshalb die Gewichte zum Ausgleich von Unwuchten besichtigen – nicht jedoch an den Rädern der Caravans. Laufen diese demnach besser rund? Wohl kaum, denn auch der Caravan bedient sich normaler Pkw-Räder und -reifen (und zunehmend der tragfähigeren Transporterreifen "C"). Auch hier erzeugen Rad und Reifen, wie CARAVANING bei einer fachmännischen Probe aufs Exempel ermitteln ließ, zum Teil erhebliche Unwuchten (siehe unten). Nur bei drei von zwölf noch neuwertigen Testrädern waren die Unwuchten so gering, wie sie Hersteller für ihre Pneus reklamieren: im Toleranzbereich von fünf bis 20 Gramm.
Während Stahl- und Alurad meistens brav die Toleranzgrenze für Unwuchten (nach DIN 7817, Teil 1) unterschreiten, fallen Fertigungstoleranzen der Bereifung stärker ins Gewicht: Davon vor allem zeugen die Ausgleichsgewichte an Pkw-Rädern; schwere Stellen, seltener geometrische Unrundheiten, sind die häufigste Ursache. Unzureichend gewuchtet, können Pkw-Räder unter anderem ab 80 km/h das Lenkrad flattern lassen und bis 120 km/h lästige Vibrationen erzeugen. Selbst kleinere Unwuchten werden deshalb beseitigt, bevor der Neuwagen ausgeliefert wird.
Dagegen gelangen Caravanräder in aller Regel ungewuchtet zum Kunden. Mit Reifen zweiter Wahl ("Sekunda"-oder "DA"-gestempelt) wurden in früheren Jahren selbst größere Unwuchten mitunter bewusst in Kauf genommen. Die Gegenfrage: Fallen die Unwuchten oder Formfehler der Bereifung am Caravan überhaupt ins Gewicht? Abgesehen davon, dass der Wohnwagen keine Fahrgäste befördert, seien die Radunwuchten nur geringfügig, so Rudolf Zahn von Caravan-Reifenausstatter Just. "In 99 von 100 Fällen", so Zahn, "würden wir beim Auswuchten mit Kanonen auf Spatzen schießen." Als Störungsursache kommen für ihn vor allem die Luftdrucksünden der Caravaner in Betracht. Die von CARAVANING ermittelten, überwiegend recht hohen Radunwuchten sprechen allerdings eine eigene Sprache. Zahn hält sie dennoch nicht für symptomatisch. Zudem, so hört man hier und da aus Expertenmund, könne es andere Störquellen am Caravanchassis geben, die eine Radunwucht überdecken würden – die schlechte Zentrierung des Rades auf der Nabe zum Beispiel. Und schließlich sei nicht einmal sicher, ob Unwuchten bei 80 oder 100 km/h schon störend zum Tragen kämen.
Eine Grauzone, gewiss. Die Tatenlosigkeit in Sachen Auswuchten kann sie dennoch nicht rechtfertigen. Denn nach der geübten Praxis, nämlich nur Stichprobentests auf Laufunruhe, kann den Ausrüstern eine größere Unwucht oder ein Formfehler doch "durch die Lappen" gehen. Selbst Kundendienstler der Reifenhersteller bestreiten nicht, dass Radunwuchten ab etwa 30 Gramm doch vorkommen und ab 50 Gramm das Profil einseitig abnutzen. So sieht es auch der DEKRA-Sachverständige Franz Nowakowski (siehe links). Fehlende oder defekte Radstoßdämpfer können den unrunden Lauf nicht gewuchteter Räder noch steigern. Reklamationen kommen in Sachen Unwucht dennoch kaum vor – woher auch: Der Gespannfahrer wird selbst eine starke Radunwucht nicht bemerken. Allenfalls das fleckenhaft abgenutzte Reifenprofil oder ein hartnäckig ausbrechendes Türscharnier könnten ihm darauf einen vagen Hinweis geben. Auswuchten ist also nicht ganz überflüssig. Ein Wuchtlauf auf der Maschine dauert drei Sekunden und kostet nicht die Welt. Der Reisecaravaner hätte so mehr Sicherheit, der Caravanhersteller vielleicht doch eine rätselhafte Reklamationsursache weniger.
Der Reifen-Sachverständige Dipl.-Ing. Franz Nowakowski äußert sich zur Auswuchtproblematik bei Caravans. Nowakowski ist Beauftragter für Sondergutachten der DEKRA Automobil-GmbH in München.
Unwuchten der Bereifung können unruhigen Lauf verursachen. Wo liegt dafür die Toleranzgrenze?
Die gibt es weder beim Pkw noch beim Caravan, denn Fahrwerk und Fahrwerksdämpfung beeinflussen die Übertragung von Unwuchten auf Karosserie oder Aufbau. Das ist von Fahrzeug zu Fahrzeug verschieden. Erfahrene Reifenmonteure empfehlen jedoch, Unwuchten bis zu 60 Gramm durch Gewichte und noch größere Unwuchten durch Matchen zu egalisieren. Dabei wird der Reifen so weit auf der Felge verdreht, bis sich die Unwuchten von Felge und Reifen zumindest teilweise aufheben.
Wer ist der größere Störenfried: Rad oder Reifen?
Bei Unwuchten ist es in der Regel der Reifen. Er besitzt auf Grund ungleicher Materialverteilung schwere Stellen. Bei Stahl- wie bei Alurädern spielt das eine untergeordnete Rolle, zum Tragen kommen jedoch insbesondere bei Stahlrädern Höhen- und Seitenschläge, also geometrische Unrundheiten.
Pkw-Räder werden vor Auslieferung des Neuwagens generell gegen Laufunruhe behandelt, Caravanräder dagegen nicht. Kommt die Laufunruhe dort nicht zum Tragen?
Pkw-Räder werden ja deshalb ausgewuchtet, weil die Vibrationen durch die Unwucht auf Lenkrad und Fahrgastraum übertragen werden und dies subjektiv vom Fahrer und den Mitreisenden unangenehm und störend empfunden wird. Der Caravan dagegen bleibt während der Fahrt unbesetzt, sodass derartige komfortmindernde Erscheinungen dort keine Rolle spielen. Obwohl dessen Räder in der Regel nicht ausgewuchtet werden, kommt eine Laufunruhe dennoch zum Tragen. Unwuchten und Unrundheiten können nämlich den Abrieb des Reifenprofils negativ beeinflussen.
Auch bei vergleichsweise geringem Fahrtempo von 80 bis 100 km/h?
Die Zentrifugalkraft, die durch Unwuchten hervorgerufen wird, hängt von der Unwuchtmasse – dem Quadrat der Geschwindigkeit und dem Radius der Felge – ab. Schon geringere Unwuchten können sich deshalb auch bei 80 km/h deutlich bemerkbar machen; eine Unwucht von 50 Gramm vervielfältigt sich dort um das 130fache bei einem 15-Zoll-Reifen, bei 100 km/h um das 200fache. Aus 50 Gramm Unwucht werden so bei 100 km/h gleich 10 Kilogramm. Derartige Größenordnungen wirken sich sehr wohl auf den Abrieb aus.
Der Reifen nutzt sich also schneller ab?
Ja, durch starke Schwingungen des Reifens rollt das Rad pro Umdrehung mit wechselnder Belastung ab. Im Extremfall kann es sogar zu einem leichten Springen des Rades kommen.
Die Reifen am Caravan erreichen bis zur Altersgrenze meist nur geringe Kilometerleistung und verschleißen bis dahin wenig. Kann man die Unwuchten deshalb doch vernachlässigen?
Rad und Reifen laufen ja niemals vollständig rund, das fördert generell den ungleichmäßigen Profilabrieb. Deshalb empfehle ich das Auswuchten. Ungleichmäßiger Abrieb verstärkt obendrein dynamische Schwingungen und Vibrationen, was sich wiederum negativ auf das gesamte Fahrzeug auswirkt.
Inwiefern?
Die Verbindungen und Verschraubungen in Caravans unterliegen nicht den Kriterien des allgemeinen Maschinenbaus mit festen Stahl- und Schraubverbindungen, sondern meist der Leichtbauweise mit Kunststoff und Holzkomponenten. Durch Vibrationen leidet die Strukturfestigkeit, so dass sich Verschraubungen und Verklebungen sowie Zusammenfügungen von Bauteilen lockern und lösen können. Ebenso können Radlager und Achsverbindungen schneller verschleißen. Dies alles gilt natürlich auch, wenn auf überwiegend unebenen Fahrbahnen gefahren wird.
Bei einer gleichmäßig über die Reifenlauffläche verteilten Unwucht (rote Markierung im Bild 1) vibriert oder springt das Rad. Die schwere Stelle kann durch Auspendeln des Reifens in Gramm gemessen werden: hier 30 g. Fachlich handelt es sich um eine statische Unwucht. Zum Ausgleich schlägt der Monteur – um 180 Grad versetzt – links und rechts je ein Gewicht von 15 g ans Felgenhorn des Stahlrades (bei Leichtmetallrädern wird das Gewicht außen am Felgenbett verklebt). Bei breiteren Reifen (Bild 2) können zwei gleich große Unwuchtmassen genau gegenüber liegen. Folge: Das Rad taumelt, fachlich eine dynamische Unwucht. Beim Messen der Unwucht teilt die Auswuchtmaschine das Rad in Umfangsrichtung in zwei Hälften; beide werden für sich ausgewuchtet (rote Pfeile in Bild 2). Statische und dynamische Unwucht werden bei Pkw- und Caravanrädern in einem Wuchtlauf ermittelt.