Die wahren Heldentaten geschehen meist im Verborgenen. Heute aber sollte alles anders sein. Die Sache begann ganz simpel. „Bitte an der nächsten Kreuzung rechts abbiegen“, sagte die Dame im Navi. Das Ortsschild von Edam kam ins Blickfeld, der Pfeil zeigte eindeutig in Richtung Zentrum. Das Sträßchen wurde eng und enger, und kurze Zeit später kam diese nette Zugbrücke.
Eigentlich ganz romantisch - o. k., aber drüberfahren? Niemals! Das Ding ist ja schmaler als der Caravan, links und rechts an den Planken sind Kratzer. Viele Kratzer, die den örtlichen Lackierer vermutlich längst zum Multimillionär gemacht haben. Was tun? An Umdrehen ist nicht mehr zu denken. Was soll ich sagen - es hat geklappt. Ohne Schramme an Brücke, Anhänger und Psyche, irgendwie. Und unter dem Beifall der Zuschauer im Straßencafé.
Wenn man dann erst mal sicher auf dem Campingplatz am Hafen steht und die Fahrräder abgeladen sind, dann ist Edam ein wunderschönes Städtchen. Regel eins und zwei für alle Touren durch den Norden Hollands: Nie aufs Navi hören, und nie durchs Zentrum fahren - es gibt in der Regel immer einen viel bequemeren Weg außen herum.
Auch zum Käse kam Edam über einen kleinen Umweg: Vor 350 Jahren gab es hier mehr als 30 große Werften - und die brachten Reichtum. Mit dem Geld wurde dem Meer Land abgerungen. Die Felder, die dabei entstanden sind, wurden für die Viehzucht genutzt - es gab Milch, viel Milch, und deshalb auch Käse. Witzig ist, dass heute der berühmte Edamer in Edam keine rote Kunstwachsrinde hat, sondern in sonnigem Gelb aus den vielen Käsegeschäften leuchtet.
Edam ist die erste Station der Reise auf dem Gouden Cirkel, der zu den schönen Städtchen am Ijsselmeer führt. Die Orte des Goldenen Kreisels lagen im 17. Jahrhundert noch an den Ufern der Zuidersee und hatten noch direkten Meerzugang. Es war wirklich eine goldene Zeit für Holland - die niederländischen Kaufleute häuften durch den Handel immense Reichtümer an. Und später eroberten sie Ländereien in Afrika, der Karibik, Südamerika und Asien. Die Vereinigte Ostindische Compagnie und die Westindische Compagnie waren die großen Zusammenschlüsse von niederländischen Kaufleuten, die eigene Soldaten unterhielten und mit Hunderten von Handelsschiffen zur See fuhren.
Die Spuren davon kann man noch heute entdecken, bei einem Besuch des Zuiderzee-Museums in Enkhuizen zum Beispiel. Oder in der wunderschönen Altstadt von Hoorn. Hier starteten früher jeden Tag die großen Handelsschiffe zu ihren Fahrten über die Weltmeere. Nach Monaten kehrten sie reich beladen wieder zurück mit Gold und Silber, mit Gewürzen, Kaffee, Salz, Tee, Zucker und exotischen Kräutern.
Heute ist das Treiben im alten Hafen von Hoorn immer noch ein Schauspiel. Nichts ist schöner, als an sonnigen Tagen auf der Terrasse einer der Kneipen zu sitzen und einfach nur zu schauen. Historische Windjammer liegen hier vor Anker, und viele Schüler aus ganz Europa starten zu Segeltouren auf dem Ijsselmeer.
Wichtigstes Gepäck: Fahrräder
Regel Nummer drei für Holland: Immer Fahrräder dabeihaben. Auf der Zeevangroute bei Edam zum Beispiel hat man schöne Ausblicke von den Deichen auf die von Kanälen durchzogenen Polder. Und man ahnt, wie dieses Land entstanden ist, spätestens wenn man bei Etersheim am tiefsten Punkt der Provinz vorbeikommt, der stolze 6,20 Meter unterhalb des Meeresspiegels liegt.
Gänzlich anders sieht es rund 50 Kilometer weiter im Westen aus. Dort entdeckt man die Badestrände und die Dünen an der Nordsee, etwa bei langen Strandspaziergängen oder bei einer Tour mit dem Rad. Der Strand von Egmond aan Zee zum Beispiel hat Sand in Sanduhrenqualität. Und in Bergen aan Zee erleben Sie im Hochsommer das pralle Badeleben: Am Strand leuchten die roten und blauen Umkleidehäuschen um die Wette, Surfer stehen auf ihren Brettern, es wird geschwommen oder auch nur geplantscht, Kinder bauen Burgen, und an den Buden gibt es Eis, Kaffee und Fritten.
Im Frühjahr und im Herbst ist es deutlich ruhiger. Die netten Dörfer wie Aagtdorp, Camperduin, Cartrijp, Groet, Hargen und Schoorl liegen im Schatten der höchsten Dünen der Niederlande. Um diese Zeit sind sie ruhig und beschaulich. Nach der Radtour oder dem Spaziergang, wenn der Wind den Kopf durchgepustet hat, gibt es heißen Tee im Caravan, und man kann sinnieren, was bleibt vom Urlaub.
Bei dieser Reise ist es das: Wenn’s bei Durchfahrten eng wird, und meine Frau sagt: es geht gut – dann ist links und rechts noch mindestens ein Zentimeter Platz. Wenn sie sagt, es wird knapp, dann handelt es sich um Millimeter. Ist es nicht schön, wenn man mit ganz neuen Maßstäben von einer Urlaubsreise zurückkommt?
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