Warten ist angesagt, warten auf die blaue Stunde im Museumshafen von Flensburg. Zwischen alten Frachtseglern und historischen Dampfschiffen schiebt sich der Kirchturm von St. Jürgen ins Bild. Drüben am Ostufer der Förde steht er, ein echter Hingucker hinter einem grobmaschigen Netz aus Masten, Rahen und Takelage. Die fünf Freunde vom Foto-Stammtisch bauen ihre Stative auf und machen die Kameras bereit für die Langzeitbelichtung. 28 Minuten lang ist heute die Zeitspanne nach Sonnenuntergang, in der der Himmel in diesem besonders tiefen, geheimnisvollen Blau erstrahlen kann.
Alles Maritime zieht die fünf Freunde magisch an, die mit ihren Gespannen aus Süddeutschland hergekommen sind - Landratten also, kein Wunder, dass sie so vom Wasser und dem ganzen Drumherum fasziniert sind. Rund um die Förde finden sie wahrlich genug davon, zudem gute Campingplätze wie etwa das Ostseecamp Glücksburg-Holnis oder, auf der dänischen Seite des Fjords, Gammelmark Strand Camping in Broager. Schiffe und Meer, Leuchttürme, Fischer, geblähte Segel, Muscheln am Strand, Wind und Wellen, das Kreischen der Seevögel, den Geschmack eines Heringsbrötchens, aber auch stolze Bürgerhäuser, große Handelshöfe, alte Zollspeicher, schöne Schlösser, Reetdachkaten, all das gibt es an der knapp 40 Kilometer langen Förde reichlich.
Flensburger Förde: deutsche Ostsee und dänische Südsee
Zwei Länder teilen sich diese Ostsee-Meeresbucht, die in Dänemark Flensborg Fjord genannt wird. Sie trennt die Dänische Südsee (die wirklich so heißt) von der Landschaft Angeln auf deutscher Seite. Hier ist man mittendrin in zwei Kulturen, mal deutsch, mal dänisch, mal Euro, mal Kronen, mal alles gemischt. Bis zum Krieg 1864 war Flensburg dänisch.
Wir treffen die fünf Männer vom Foto-Stammtisch mehrmals. Sie suchen sich die besten Standorte für die Bilder aus, die sie nachher für ihren Club ins Netz stellen wollen. Wir wollen vor allem Flensburg besser kennenlernen, außerdem mal wieder Dänisch hören und uns Wörter wie Sønderhav Rasteplads auf der Zunge zergehen lassen - ein Parkplatz vor den Ochseninseln heißt so -, Lakritze kaufen und einen neuen Behälter für Süßstoff-Tabletten, auf dem nur ein Wort stehen darf, nämlich sød, süß.
Die Entdeckungsreise starten wir mit dem Caravan auf der deutschen Fjord-Seite am Leuchtturm von Falshöft mit den Schafen auf dem Deich, dem herrlich naturbelassenen Strand, der Holzbank mit dem Blick auf die Außenförde. „Lass die Seele baumeln" steht auf einem Täfelchen an der Lehne. Man kann darüber streiten, ob der Turm wirklich den Beginn der Flensburger Förde markiert, er steht auf der Birk-Halbinsel, aber er ist einfach schön. Wir werden ihn später den Foto-Stammtischlern als Motiv empfehlen. Die dänische Insel Als liegt gegenüber auf der anderen Seite.
Die Form ist das Besondere an diesem deutsch-dänischen Fjord. Er schiebt sich nicht schlank und gerade ins Festland, sondern ist voller Kanten und Winkel. Spitze Landnasen wie die von Holnis bei Glücksburg, die die Förde in eine Innen- und Außenförde teilt, wechseln mit größeren Halbinseln ab, die größte heißt Broager Land und gehört zu Dänemark.
Von sandig bis steinig - die Buchtenvielfalt in der Börde
Drum herum gibt es Buchten, in denen sich Strand an Strand reiht, mal sandig, mal steinig, etwas für jeden Geschmack. Besonders gute Exemplare liegen an der Geltinger Bucht, rund um Glücksburg/Holnis, in Langballigau oder in der Bucht von Vemmingbund auf der Broager Halbinsel, bequem erreichbar mit dem Caravan-Gespann und ein gefragtes Revier zum Segeln, Surfen, Schwimmen, Planschen und Angeln.
Trotz der Vielfalt wirkt die Förde beschaulich, überschaubar. Man trifft überall nette Leute. Die dänische Kapitänin zum Beispiel, mit der wir in Flensburg in einem Fischlokal ins Gespräch kommen. Beruflich hat sie 17 Männer „unter sich“, wie sie sagt. Regelmäßig kommt sie von ihrer Heimatinsel nach Flensburg, besucht den Zahnarzt, kauft ein, geht fein essen: „Hier ist alles viel billiger als bei uns.“
Die schönste Küstenstraße Dänemarks
Der Kapitänin verdanken wir einen super Tipp: Von der Grenzstation Kruså aus Richtung Sønderborg mit dem Caravan nicht die Primærrute Nr. 8 nehmen, sondern nach Kollund abbiegen und dem Schild „Fjordvejen" folgen. Es markiert eine der schönsten Küstenstraßen Dänemarks, rechts immer wieder die glitzernden Fluten. Noch idyllischer wird es, wenn man kurz vor Rinkenæs Richtung Golfplatz in Stranderød fährt, dort parkt und zu Fuß weitergeht.
Direkt am Steilufer führt der Gendarmenpfad entlang, ein zauberhafter Wander- und Radweg hoch über der Förde zwischen pinienartigen Bäumen, unten das blaue Meer, weiße Segelboote. Ein Bild wie am Mittelmeer, wären nicht die vielen Reetdachhäuser am Wegesrand.
Was sonst noch so geht? Man könnte sich zum Beispiel in Sønderborg in ein Straßencafé am Radhustorvet setzen und wie der Däne am Nebentisch reichlich Rhabarberkompott mit Vanillesahne zum Kaffee bestellen. Oder im Glücksburger Wasserschloss die Salons der Herrschaften und die Dienstbotenquartiere unterm Dach besichtigen.
Zum Schluss lohnt noch ein Abstecher in die Rote Straße in Flensburg. In einem der letzten Rumhäuser etwas Rum probieren, ein feines Fläschchen erwerben. „Den können Sie pur trinken wie Cognac“, sagt der Verkäufer. Prima als Souvenir für daheim – oder für einen gepflegten Absacker abends im Caravan mit einem geruhsamen Blick aufs Wasser.
Mehr zum Flensburger Ru(h)m, Infos und alle Orte entlang der Route gibt es auf der nächsten Seite.