Waldviertel in Niederösterreich
Wackelsteine, Moore und große Freiheit

Mit seiner herben Schönheit ist das Waldviertel im Nordwesten Niederösterreichs ein spannendes Ziel für eine Reise mit dem Caravan. Leckere Speisen, Natur und gotische Klöster warten auf Reisende. Es wird noch besser: Die Ausstattung mit Campingplätzen ist vorbildhaft.

Waldviertel
Foto: Stefan Spath

Wo der dunkle Kamp in einer Kette von Seen aufgestaut wurde, startet unsere Erkundungstour östlich von Zwettl, in einer wenig bekannten Ecke Österreichs. In der Früh liegt noch eine angenehme Kühle in der Luft. Mit einem Kanu aus der Flottille des Campingplatzes geht es auf den Ottensteiner Stausee hinaus.

Granitbuckel ragen aus den dunklen Fluten empor. Vorbei an Anglern biegen wir in eine fjordartige Bucht ein. Birken und Rotföhren säumen das Ufer. Die Paddel eingezogen – und auf einmal ist die Welt in eine unwirkliche Ruhe getaucht. Über dem Wald- und Wassermosaik schweben Wolkenschiffe, auf ihrer Reise über das Waldviertel sind sie ganz der Langsamkeit verhaftet, die sich schon bald auf die Besucher überträgt.

Tolle Infrastruktur für CamperInnen im Waldviertel

Ein kurzer Steckbrief: Mit 4600 Quadratkilometern doppelt so groß wie das Saarland, aber nur dünn besiedelt ist diese Region im Nordwesten von Niederösterreich. Dörfer gibt es zu Dutzenden, aber nur eine Handvoll größere Städte. Wälder, Wiesen, Äcker, Moore und gut 1000 Fischteiche prägen die Landschaft. Dichter als im Rest Österreichs ist die Infrastruktur für Urlaub auf zwei, vier und mehr Rädern: Gut 40 Stell-, Camping- und Zeltplätze verteilen sich über dieses sanfte Hügelmeer, das im Süden an der Donau anhebt und bis an die Grenze zum tschechischen Südböhmen wogt.

Waldviertel
Stefan Spath
Schatzhaus der Kunst: Zisterzienserstift Zwettl mit fast 900-jähriger Geschichte.

Kurzausflug in die historische Stadt Zwettl

Mit historischem Flair empfängt Zwettl im Herzen der Region seine Besucher. Wie sechs weitere Städte der Region duckt sich auch die Waldviertel-"Metropole" im Schutz einer historischen Ringmauer. Stattliche Bürgerhäuser stehen am Hauptplatz Spalier, in Gasthöfen werden Spezialitäten à la Schweinsbraten mit Erdäpfelknödeln aufgetischt … Doch hoppla, was plätschert denn da durch das beschauliche Bild? Ein Brunnen Marke extravagant! Kunterbunte Kacheln und eine goldfarbene Kugel on Top strahlen um die Wette. Kein geringerer als Friedensreich Hundertwasser hat den Brunnen geschaffen – eine Liebeserklärung des Künstlers an ein Fleckchen Österreich, das er einst selbst oft zur Inspiration aufsuchte.

Kunstschätze in Klöstern

Entdeckungen lassen sich im hohen Norden Österreichs an jeder Ecke machen – allen voran die mit Kunstschätzen vollgepfropften Klöster. An eine Schleife des Kamp-Flusses schmiegt sich das Zisterzienserstift Zwettl. Blüten und Knospen aus Granit verzieren die Säulen des romanisch-gotischen Kreuzgangs. In satten Farben leuchten die barocken Fresken, die die Kuppel der Stiftsbibliothek wie ein biblisches Wimmelbild überziehen. Die Ur-Mönche von Stift Zwettl – und ihre Brüder in Altenburg und Geras – waren es, die sich vor 900 Jahren als Pioniere bei der Urbarmachung des rauen "Nordwaldes" betätigten. Ihre klösterlichen Prachtbauten laden heute zu Spaziergängen durch die Jahrhunderte ein.

Waldviertel
Stefan Spath
„Teufels Bettstatt“ & Co.: Um die moosbedeckten Granitrestlinge im Naturpark Blockheide ranken sich allerlei Sagen.

Fels-Naturpark in Heidelandschaft

Mythen ranken sich zuhauf um das Waldviertel, und auch an "Kraftplätzen" herrscht kein Mangel, wenn man die örtlichen Tourismusprospekte durch schmökert. Im Fall der Blockheide besteht dieser Ruf allerdings völlig zu Recht. Die Markenzeichen dieses steinreichen Naturparks bei Gmünd an der tschechischen Grenze sind tonnenschwere, abgerundete Granitrelikte aus der Urzeit des Planeten. Wir wandern vom "Koboldstein" zum "Teufelsbett", verzehren am "Teufels Brotlaib" unser Picknick und erklimmen einen Aussichtsturm, der einen wunderbaren Blick über eine verwunschene Wald- und Heidelandschaft eröffnet.

Um viele der von Flechten und Moos überzogenen Brocken ranken sich Sagen, doch eindrücklicher sind die "Wackelsteine". Auf winzigen Auflageflächen scheinen sie der Schwerkraft zu trotzen. Doch egal, ob geballte Muskelkraft oder synchrones Schunkeln – keiner der Wackelsteine lässt sich an diesem Tag auch nur einen Millimeter aus der Balance bringen!

Spannende Naturvermittlung ist auch die Maxime im Hochmoor Schrems wenige Kilometer südlich. Die Aquarien des Naturpark-Erlebniszentrums rücken die Bewohner der örtlichen Teiche und Flüsse in die Auslage. Fischotterdame Aska fliegen die Herzen der jüngsten Besucherinnen zu. Im Wassergarten lauschen wir den hypnotischen Beats von Teichfröschen und beobachten Libellen, die auf der Jagd nach Kaulquappen über Tümpeln patrouillieren. Von der "Himmelsleiter", einer Aussichtsplattform in Wipfelhöhe, lässt sich erkennen, wie sich das lange Zeit für die Torfgewinnung umgegrabene Moor zu regenerieren beginnt – im Zeitlupentempo, aber immerhin.

Gut ausgebautes Radwegenetz

Waldviertel
Stefan Spath
Unterwegs auf einsamen Straßen und Güterwegen – für Entdeckernaturen ist das Fahrrad die erste Wahl.

Das Fahrrad muss mit auf die Waldviertel-Tour: Wenig befahrene Landstraßen, Güter- und Forstwege sowie eine stillgelegte Bahntrasse bilden das Rückgrat für eines der abwechslungsreichsten Radwegenetze Österreichs. Ein dunkles Kapitel Zeitgeschichte vergegenwärtigt der "Iron Curtain Trail", dem wir von Gmünd aus in Richtung Osten folgen. Einst verlief hier der "Eiserne Vorhang", der von 1948 bis 1990 quer durch Europa den kommunistischen Ostblock vom Westen trennte. Wo genau in diesem Mosaik von goldgelben Getreidefeldern, leuchtend grünen Äckern und dunklen Wäldern die Grenze verläuft, lässt sich heute kaum mehr ausmachen.

Für Flora und Fauna herrschten in dieser vergessenen Ecke Europas allerdings paradiesische Zustände, wie wir im Nationalpark Thayatal bei Hardegg erfahren. Der Hennerweg geleitet uns unter majestätischen Eichen und Buchen zu einer spektakulären Aussichtsloge. Tief unten strömt die Thaya in einem grünen Canyon dahin. Steilufer, Schotterbänke und Wälder entlang des Grenzflusses waren fast ein halbes Jahrhundert außer Reichweite für den Tourismus. Weil Störenfriede ausblieben, verwandelten sie sich in Rückzugsräume für Smaragdeidechsen, Schwarzstörche, Wildkatzen und weitere gefährdete Tierarten.

Mittelalterliche Erlebnisse in der Rosenburg

Lieblichere Landschaftsbilder überwiegen im Osten des Waldviertels. Mit Horn und Eggenburg kommen zwei weitere Stadtmauerstädte ins Bild, und schließlich treffen wir auf einen alten Bekannten, den Kamp. Wo er nach Süden dreht, liegt das prachtvollste der vielen Bollwerke, die das Grenzland anno dazumal vor Invasoren aus dem Norden schützten: die Rosenburg. Längst dient das Renaissance-Juwel aus dem 17. Jahrhundert der Geschichtsvermittlung. Im größten noch erhaltenen Turnierhof Europas halten im Sommer Falkner die uralte Kunst der Beizjagd zu Pferd hoch. Dicht über den Köpfen des Publikums segeln Falken, Adler und Geier dahin, bevor sie wieder auf den dicken Lederhandschuhen der Falkner Platz nehmen und für ein Foto-Shooting posieren.

Die Spezialität: Alles Mohn!

Waldviertel
Stefan Spath
Nicht nur für den kleinen Hunger: Mohnzelten sind eine Waldviertler Spezialität.

Für besondere kulinarische Akzente sorgt im Waldviertel der Graumohn. Überall erhältlich sind die saftigen Mohnzelten, Kartoffelteigtaschen, die mit einem Mohn-Zucker-Gemisch gefüllt sind. Als "Mohndorf" bekannt ist der winzige Ort Armschlag 20 Kilometer südlich von Zwettl. Hier werden die Samen der weiß-lila-rot blühenden Pflanze zu Produkten wie Mohnhonig, Mohnölpesto, "Mohnfitüre" und sogar Mohnkäse veredelt.

Waldviertel Österreich auf einen Blick

  • 4600 Quadratkilometer
  • Nordwesten von Niederösterreich
  • 40 Stell-, Camping- und Zeltplätze

Campingplatz-Tipps in Waldviertel, Niederösterreich

3920 Groß Gerungs(AT)
Waldviertel Camping
1 Bewertung
12,00 EUR/Nacht

Fazit

Bei Waldviertel mag es nicht direkt klingeln, blickt man aber auf die Angebote der Region in Niederösterreich, merken sich Wohnwagen-Urlauberinnen diesen Namen besser. Nicht nur eine tolle Infrastruktur mit vielen Campingplätzen, sondern auch die vielen Naturparks mit fast unberührten Mooren und Flusslandschaften, sowie die historischen Orte locken Reisende. Also unbedingt auf die Liste mit Ihren Zukunfts-Reisezielen aufnehmen!

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Caravaning 09 / 2023

Erscheinungsdatum 15.08.2023

116 Seiten