Elektrocamping im Knaus Sport 400 QD E-Power
Selbstversuch mit E-Auto und Wohnwagen ohne Gas

Autotester Clemens Hirschfeld wagt sich samt Familie mit Kia EV6 und gasfreiem Knaus auf seinen allerersten Wohnwagen-Trip in die Schweiz. Na, wenn das mal keine spannende Reise wird.

Elektro-Camping Parkplatz fŸr E-Camper
Foto: Dino Eisele

E-Auto und gasfreier Wohnwagen, so heißt die Kombi für unseren Elektro-Campingtrip in die Schweiz. Abgesehen von ein paar erfolgreich verdrängten Campingerlebnissen in der Kindheit sind wir absolute Beginner in Sachen Urlaub auf sechs Rädern. Und dann gleich mit einem Elektroauto als Zugwagen? Na, das kann ja heiter werden – und wird es auch!

Das Basis-Wissen gibt’s vorab im Crashkurs beim CARAVANING-Chefredakteur Ingo Wagner, dazu noch eine Einweisung in die Technik des Knaus Sport 400 QD E-Power. Von Wassertechnik über Elektrik bis Kassetten-Toilette – da kann man schließlich viel falsch machen. Vertrauter ist einem als Autotester da schon der Kia EV6.

Alles zur Urlaubsmesse

Beladen und Strom im Wohnwagen

Die erste Aufgabe heißt dann auch gleich: laden. Also nicht den Kia, denn dessen 77,4-kWh-Akku zieht sich gerade schon Strom an der heimischen Wallbox rein. Nein, es gilt, den Wohnwagen einzurichten. Trotz überschaubaren sechs Metern Länge reicht der Platz in den vielen kleinen Schränken locker für die Klamotten, Campingmöbel und Vorräte, die unsere vierköpfige Familie für eine Woche benötigt.

Auch das eigene Kochgeschirr zieht in den Wohnwagen ein, denn der E-Power hat einen Induktions- statt Gasherd, verzichtet also auf schwere Gasflaschen, wodurch sogar das sperrige Stand-up-Paddleboard in den Frontladeraum alias alter Gaskasten passt.

Elektro-Camping Kochen
Dino Eisele
Fast wie zu Hause: Dank Induktionskochfeld sind Milch und Kaffee in wenigen Minuten heiß.

Woher der Strom kommt? Nun, Knaus versteckt im Kleiderschrank ein 18-Volt-Wechselakku-System von Einhell. Ganz schön clever, denn die Akkus dienen nicht nur dem Betrieb von Kühlschrank, Beleuchtung und E-Herd, sondern lassen sich auch in Staubsauger, Kompressor und Akkuschrauber einsetzen. Mehr zu den gasfreien Wohnwagen von Knaus erfahren Sie hier.

Aber was, wenn der Strom ausgeht? Nun, dann kommt das E-Auto ins Spiel, das mit seinem V2D-Adapter (Vehicle-to-Device) als externer Stromversorger einspringt. Klingt einfach, doch funktioniert das auch in der Praxis? Na, schaun wir mal!

Planung

Elektro-Camping Navigationssystem
Dino Eisele
Selbst ist der Navigator: Dem Navigationssystem fehlt die automatisierte Ladestopp-Planung.

In diesem Fall aber zuerst aufs Navi-Display – Sie wissen schon: Planung ist das halbe (Urlaubs-)Leben. Und deshalb haben wir für den ersten Campingplatz am Vierwaldstätter See auch schon reserviert. Jetzt gilt es, die Route zu planen, was aufwendiger ist als zunächst gedacht. Zwar erkennt der EV6 beim Ankuppeln, dass da rund 1,5 Tonnen am Haken hängen, und halbiert in vorauseilendem Gehorsam die, wie sich zeigen wird, zuverlässige Reichweitenprognose. Somit sind also nur rund 200 km drin, die vorher die Testabteilung bei der Verbrauchsfahrt mit einem Gespannverbrauch von 36,6 kWh pro 100 km verifizierte.

Neben der beschränkten Reichweite gibt’s aber noch ein Problem: Der Testwagen hat noch nicht das Software-Update, das Ladestopps in die Routenberechnung einbindet. Somit muss man Ladestationen selbst im System suchen, und so planen wir in die direkte Route zum Ziel einen kleinen Umweg ein.

E-Auto in der Schweiz laden

Los geht’s! Die erste Etappe führt 180 Kilometer über Autobahn und Landstraßen vorbei an Zürich nach Suhr in der Schweiz. Dort hat das Navi eine Fastned-Ladestation ausgemacht. Praktisch, denn hier kann man – wie bei einer klassischen Tankstelle – einfach durchfahren, ohne den Wohnwagen abzukuppeln oder, wie auf dem Rückweg, in einem Ionity-Ladepark quer parkend die Hälfte der Säulen zu blockieren.

Wie wichtig die Stationsauswahl ist, zeigt sich, als wir nach fast drei Stunden Fahrt an den überdachten Schnellladern ankommen, denn es gießt in Strömen.

Elektro-Camping Camper von hinten
Dino Eisele
Quer und längs: Knifflig wird es oft an Schnellladern, meist geht’s nicht ohne Abkuppeln.

Blöd nur, dass sich der EV6 den 300-kW-Lader mit einem Audi e-tron teilen muss. Deshalb braucht er statt rund 25 Minuten von zehn bis 80 Prozent mehr als eine halbe Stunde. Schade, denn der Kia kann, dank 800-Volt-Bordnetz, auch konstant mit weit über 200 kW laden.

Immerhin gibt uns das die Gelegenheit, die Kinder einmal durchzulüften und den Kühlschrank um ein paar Süßigkeiten zu erleichtern. Bis hierhin hält der auch kalt, da er ja vom mitgeführten 18-Volt-Akku gespeist wird. Allerdings ist das System keine verlässliche Dauerlösung, wie sich später noch zeigen wird.

Da es sich auf der angrenzenden Autobahn A1 ohnehin staut, laden wir hier bis 100 Prozent, auch wenn man das mit Blick auf Batterieschonung und Kosten nicht sollte. Aber neben der Reichweitenangst droht Versorgungsnot. Denn abgesehen von einer verlässlichen Streckenplanung samt Ladestopps verweigert der Kia die Auskunft darüber, wie viel Akkukapazität voraussichtlich am Ende der Route noch vorhanden ist. Fürs autarke Campen wäre das jedoch essenziell, denn im Akku sollten noch deutlich mehr als 20 Prozent Restkapazität vorhanden sein, damit man den EV6 als Energiequelle anzapfen kann.

Fahren mit Gespann aus Kia und Knaus-Wohnwagen

Doch jetzt ist die Batterie erst mal voll, und wir stromern zügig weiter. Denn die Power des Zugwagens ist verlockend, zumal man das Gewicht des Caravans kaum merkt. So fädelt man sich dank 605 Nm Drehmoment auf dem Beschleunigungsstreifen flotter als mit manch starkem Diesel-SUV in den fließenden Verkehr ein und überholt locker auch mal eine Lkw-Kolonne.

Ja, der stets spürbare Kraftüberfluss ist verlockend. Doch wenn der Momentanverbrauch beim Beschleunigen in Richtung 60 kWh ausschlägt, zügelt man freiwillig den rechten Fuß.

Elektro-Camping Zugwagen von vorne
Dino Eisele
Ladeblockade: Gut, dass der EV6 an der 300-kW-Ladesäule meist weniger als 30 Minuten braucht, bis der Akku wieder zu 80 Prozent voll ist.

Auf langen Autobahnetappen lehnt man sich lieber entspannt zurück – nur bitte nicht bis in die Ladestopp-Liegeposition der elektrischen Sitze; sonst klemmt man ja die Kinder ein. Dabei hat der Fahrer ohnehin genug zu tun: Die automatische Tempolimitübernahme regelt nicht bei 100 km/h ab, sondern beschleunigt auch mit Anhänger munter weiter. Ebenso deaktiviert man den aktiven Spurhalter lieber dauerhaft, da er das gesamte Gespann nervös zwischen den Fahrstreifen tänzeln lässt.

Genial dagegen: die Übersicht bei den Spurwechseln. Beim Blinkersetzen blendet der Kia das Bild der Außenspiegelkameras ein. Fürs Rangieren wünscht sich der Fahrer dann aber doch Zusatzspiegel. Denn wir sind nach weiteren 100 Kilometern angekommen.

Vorteile auf dem Campingplatz dank Strom-Wohnwagen

Nicht irgendwo, sondern auf einem Campingplatz, der all unsere Befürchtungen an eng parzelliertes Wohnen auf der hügeligen Wiese eines alten Bauernhofes zerstreut. Zudem haben wir quasi freie Platzwahl, da wir ja nicht an einen Stromanschluss gebunden sind.

Elektro-Camping Caravan lŠdt Zugwagen
Dino Eisele
Das beigelegte Kabel ist zu kurz, die Kabeltrommel wiederum zu lang. Idealerweise konfiguriert man sich eines selbst.

Also anmelden, ausrichten und abhängen. Dann den V2D-Adapter auspacken und den Wohnwagen via Schuko-Kabel mit dem E-Auto verbinden. So einfach ist das wirklich. Während sich die Sonne langsam hinter den grünen Hügeln verabschiedet, herrscht im hell LED-erleuchteten E-Power-Wohnwagen rege Betriebsamkeit.

Küche ohne Gas

Das Induktionsfeld erhitzt im Nu das Öl in der Pfanne und das Nudelwasser im Topf, während fleißig Obst und Gemüse in der geräumigen Essecke geschnippelt wird. Ja, so entspannt hätten wir uns das Campingabenteuer nicht erträumt. Und so bleibt noch Zeit für einen kurzen Abstecher zum Seeufer, bevor sich die Familie mangels Vorzelt heute Abend schnell wieder nach drinnen verkrümelt. Jetzt noch die Essecke mit wenigen Handgriffen zum Schlafplatz umbauen, auf dem jedoch nur unsere Halbwüchsigen bequem liegen können. Dann gehen die Lichter aus.

Elektro-Camping Vater und Soohn beim Essen
Dino Eisele
Prost! Der Wassertank reicht für zwei bis drei Tage. Fehlt eigentlich nur noch eine Dusche.

Am nächsten Morgen weckt die Eltern nicht etwa der hofeigene Hahn, sondern der etwas brummige Kompressorkühlschrank, der direkt an das Elternbett grenzt. Doch das Geräusch beruhigt auch: Offensichtlich ist noch Strom da. Aber wie viel Saft ist nach dem Frühstück wirklich im Autoakku übrig? Tatsächlich hat der Wohnwagen nur zehn Prozent Kapazität abgezweigt, trotz warmem Abendmahl sowie Kaffee- und Eierkocherei am Morgen. Ganz nebenbei wurde auch noch der 18-Volt-Akku aufgeladen.

Wie lange hält der 18-Volt-Akku des Wohnwagens?

Voller Energie lassen wir den Wohnwagen stehen, stromern mit dem Kia zum nächsten Seebad, in dessen Nähe sich der EV6 in Ruhe seine Batterie an einer öffentlichen AC-Ladestation füllt. Gut so, denn, wie wir am Nachmittag feststellen, reicht der Stromvorrat des 18-Volt-Akkus des Wohnwagens nicht aus, um den Kühlschrank einen ganzen Tag am Laufen zu halten. Damit haben wir gleich noch mehr Gesprächsstoff beim abendlichen gemeinschaftlichen Geschirrspülen.

Elektro-Camping Kinder schauen aus dem Fenster
Dino Eisele
Ladestopps sind eigentlich kurzweilig, häufen sich aber auf langen Strecken wegen nur rund 200 km Reichweite. Schönes Wetter hilft ebenfalls.

Denn auf dem überschaubaren Gelände fällt das E-Gespann neben Diesel-Zugwagen und -Reisemobilen natürlich auf. Und ja, die Skepsis bei den erfahrenen MitcamperInnen überwiegt, die gern mal 1000 Kilometer am Stück bis zur Adria oder an die Nordsee reisen. Und zugegeben: Trotz souveräner Schnellladefähigkeit erfordert das mit dem E-Auto eine große Portion Idealismus.

Entmutigen lassen wir uns aber nicht. Am folgenden Tag erklimmen wir einen der umliegenden Gipfel und entdecken dabei einen schönen Stellplatz oberhalb des Sees, wohin wir am nächsten Morgen umziehen. Kabelsalat gibt’s beim Abbau nicht: einfach den V2D-Adapter mit der Taste an der Oberseite ausschalten, das Fahrzeug entriegeln und das Anschlusskabel samt Adapter im Kofferraum verstauen. Zudem lässt einen der Kia EV6 dank Allrad und fein dosierbarem Fahrpedal auf der morgentauigen Wiese nicht im Stich.

Fahren im Kia EV6

Gleiches gilt auf der steilen Passstraße, die sich mit zweistelligen Prozentwerten den Berg hinaufwindet. Selbst kräftige Diesel oder Benziner müssten hier jetzt richtig ackern. Doch im 239 kW starken E-Auto drückt man einfach auf das Fahrpedal und überwindet ausgewachsene Berge, als wären sie kleine Hügel.

Elektro-Camping Caravan von hinten
Dino Eisele
Bergauf geht’s flott, talwärts wird fleißig rekuperiert. Ohne Auflaufbremse wäre die Energierückgewinnung noch effizienter.

Talwärts wird die Sache am Folgetag schon etwas spannender: Denn mit einem E-Auto will man ja möglichst viel Energie zurückgewinnen. Blöd nur, dass, während der Kia vorn rekuperiert, der Wohnwagen hinten mitbremst. So geht natürlich viel Energie als Wärme verloren, was man durch das Quietschen der Wohnwagenbremsen erst hört und beim Stopp im Tal auch riecht. Ja, hier gibt’s wohl noch Potenzial.

Nicht zu toppen sind dafür die nächsten Stell- und Campingplatz-Übernachtungen südlich des Bodensees und auf dem Rückweg nach Deutschland. Denn statt an einem Platz zu bleiben, nutzen wir wie Reisemobilisten die Freiheit, uns treiben zu lassen und dort autark zu wohnen, wo es uns gefällt. Ein ganz neues Urlaubsgefühl mit einem Wohnwagen.

Fazit

Autor Clemens Hirschfeld macht in seinem ersten Campingurlaub mit Wohnwagen und ganzer Familie direkt einen Selbstversuch. Anstatt auf einen Verbrenner und einen herkömmlichen Wohnwagen zu setzen, startet er mit E-Kia und einem gasfreien Wohnwagen von Knaus in die Schweiz. Er erklärt, wo die Vorzüge des diesel- und gasfreien Gespanns liegen und zeigt, wo es noch Luft für Optimierung gibt.

Gasfreie Caravans gibt es auch von Weinsberg. Hier erfahren Sie mehr zum Weinsberg Caracito.

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Caravaning 06 / 2023

Erscheinungsdatum 09.05.2023

92 Seiten