Die Fünf-Prozent-Klausel verbirgt sich im Kleingedruckten und ist meist nur mit der Lesebrille zu erkennen. Die Formulierungen ähneln sich: Bei Maß- und Gewichtsangaben räumen sich Caravan-Hersteller mögliche Abweichungen von plus/minus fünf Prozent ein. Den Hinweis auf Maßtoleranzen dieser Größenordnung können Käufer getrost vernachlässigen: Keiner käme auf die Idee, einen laut Katalog sechs Meter langen Caravan-Aufbau mit 5,70 oder 6,30 Metern auszuliefern.
Ungenaue Gewichtsangabe beim Caravan
Viel heikler ist die Gewichtsangabe. Basis der irritierenden Toleranz ist die Richtlinie 92/21 EWG vom 31. März 1992 für die Homologation von Fahrzeugen – die Prüfung der Übereinstimmung mit den Zulassungsvorschriften. Gewichtsprüfungen gelten unter dieser Voraussetzung als erfüllt: „Die Massen des leeren Fahrzeugs entsprechen mit einer Toleranz von plus/minus fünf Prozent den Herstellerangaben." Das kann spannend werden, denn mit Zubehör, gewichtigem Vorzelt an Bord plus Urlaubsgepäck gerät die Zuladung schnell an Grenzen. Dazu die Toleranz von 60 bis 80 Kilogramm – nun wird’s knapp.
Warum aber eine Toleranz von fünf Prozent?
Fendt zum Beispiel begründet mögliche Schwankungen in seiner Preisliste „durch die Verarbeitung natürlicher Werkstoffe“. Wer dem Hinweis nachgeht, stößt auf Überraschungen. Ludger Reinker, Chefkonstrukteur von LMC/TEC, deutet auf Toleranzen beim Sperrholz. Wer 15 Millimeter starkes Material bestellt, bekommt 14,5 bis 15,5 Millimeter, „das ist weltweit üblich“. Und macht sich beim Gewicht bemerkbar. Pro Fahrzeug sind, so Reinker, „ruckzuck 20, 30 Kilo drin“. Ebenso drückt sich der Feuchtigkeitsgehalt verschiedener Lieferchargen auf der Waage aus. Auch unnatürliche Materialien sind nicht identisch. Reinkers Kollege Kurt Wachtveitl von Knaus weist etwa auf Schäume hin. Ob Styropor-Isolierung oder Polster von Matratzen und Sitzen: Je nachdem, ob sie vom Rand oder vom Kern des Schaumblocks stammen, kann das Raumgewicht um zehn Prozent variieren.
Ludger Reinker weist ebenfalls auf Gewichtsdifferenzen je nach Jahreszeit und Wetter hin. Schon leichte Nässe auf den großen Dachflächen macht sich nachteilig bemerkbar. Holz und Stoffe im Innenraum nehmen Feuchtigkeit auf: „Das sind 20, 30 Kilo." Trotzdem – fünf Prozent potenzielle Abweichung sind arg viel und verunsichern. Wachtveitl bestätigt: „Das sind Toleranzen, die sehr weit gegriffen sind." Hobby-Geschäftsführer Reiner Ritz schlägt in die gleiche Kerbe: „Wir haben Abweichungen in Größenordnungen von 20 bis 30 Kilo.“
Wohnmobile sind beim Kampf gegen die Pfunde schon etwas weiter, sie sind näher an der Führerscheingrenze von 3,5 Tonnen. Bei Wohnwagen ist der Druck nicht gar so heftig, der Preiskampf noch größer – Leichtbau ist teuer. Auch lassen Auflastungen einen gewissen Spielraum. Hobby-Chef Ritz verweist auf zunehmend stämmige Zugwagen à la VW Tiguan mit Allradantrieb. Doch Vorsicht: Die Grenze des aktuellen Pkw-Führerscheins der Klasse B mit 3,5 Tonnen Gespanngewicht ist schnell erreicht. Hier wird erst nächstes Jahr Luft geschaffen.
Wohnwagen werden immer schwerer
Generell haben Wohnwagen zugelegt. Einzelbetten, große Kühlschränke, Wassertanks und Autark-Pakete erhöhen das Gewicht. 1500 bis 1800 Kilo Gesamtgewicht sind in der Mittelklasse Normalfall. Die Tragfähigkeit der Achse definiert die Grenze, vor Tandemachsern haben Caravaner eine natürliche Scheu. Prompt steht bei Hymer und Fendt schon der Zweitonnen-Monoachser in der Preisliste, Hobby hat ihn in Vorbereitung, andere ebenfalls.
Doch dieser Weg führt in die Irre, wenn Zugwagen abspecken. „Es wird sich in die Gegenrichtung drehen“, ist Ludger Reinker überzeugt. Darum beginnen Hersteller, um jedes Kilo zu kämpfen. Bürstner etwa setzt den Premio seit Jahrgang 2012 auf einen neuen Boden. Dessen Isolierkern besteht aus XPS (Styrodur, Styrofoam), die Deckschichten sind aus Glasfasermatten, getränkt mit Polyurethanharz. Die Gewichtsersparnis beträgt trotz höherer Festigkeit 35 bis 40 Prozent, beim Premio rund 40 Kilogramm. „Wir sind noch nicht am Ende“, verspricht Technikchef Thomas Zint, im nächsten Schritt sollen die Randleisten und Anschraubpunkte aus Holz entfallen.
Leichtbau beim Caravan?
Die neue Radkastenisolierung aus EPP der Knaus-Reisemobile wird auch in den Caravans Einzug halten. Man kennt den Schaum von Isolierverpackungen des Pizza-Service, er ist leicht, stabil und isoliert gut. Als „Material der Zukunft" bezeichnet Technikchef Kurt Wachtveitl Sperrholz-Möbelwände mit Deckschichten aus Pappel und einem Kern aus dem leichten Tropenholz Albasia. Bei LMC und TEC wird die Lisocore-Möbelplatte mit einer Wabenkonstruktion im Innern ebenso den Weg in den Caravan finden wie Sperrholzplatten mit Styroporkern.
In der Oberklasse sieht die Welt noch anders aus. Der spektakuläre Hobby Premium wiegt „etwa 60 bis 70 Kilogramm mehr" als vergleichbare Modelle, räumt Reiner Ritz ein. Die Rundungen des Designerstücks verlängern Grundrisse, der Heckstaukasten drückt ebenso auf die Waage wie die vorgehängten Fensterverlängerungen. Schönheit muss leiden. Leiden müssen auch Caravaner unter unrealistischen Gewichtsangaben. Manche Hersteller schicken in ihren Tabellen ausgewachsene Caravans mit einer einsamen Aluminium-Gasflasche auf die Reise – legal, aber Kosmetik.
Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels. Kurt Wachtveitl weist auf eine künftige EURichtlinie hin: Ab November 2014 müssen Hersteller das konkrete Gewicht jedes Fahrzeugs beziffern. Und die EU-Kommission strebt zurzeit an, die Toleranzgrenze auf drei Prozent zu drücken. Kilos verschwinden zu lassen, wird dann schwieriger.
So wiegt CARAVANING
Es geht um Präzision und um Realität: Seit vielen Jahren ermittelt die Redaktion das Gewicht von Test-Caravans mit gefülltem Wassertank und vollen Gasflaschen. Die Gewichtsnorm hat sich in dieser Zeit angeglichen. Die Branche wiegt nach DIN 1645-2: Wasser und Gas zu 90 Prozent, dazu vier Kilo für die Kabeltrommel. Beim Gas reduzieren manche Marken auf eine Aluminium-Flasche – erlaubt, aber nicht gerade praxisgerecht. CARAVANING ist dies nicht genug: Mit Präzisionswaagen prüft die Redaktion beim TÜV außer der wichtigen Stützlast die Radlasten. So werden Ungleichheiten links/rechts deutlich – wichtig fürs Fahrverhalten und die Reifentragfähigkeit. Auch sie steht im Supertest.
Führerschein: Der B96 kommt
Am 19. Januar 2013 wird sich die Caravan-Welt ein ganzes Stück weiterdrehen. Dann tritt eine EU-Richtlinie in Kraft, laut der Besitzer der Führerscheinklasse B eine Erweiterung der Fahrerlaubnis auf 4,25 Tonnen zulässiges Gespanngewicht erreichen können. Zur Erinnerung: Die aktuell gültige Klasse B bis 3,5 Tonnen Gewicht hatte Anfang 1999 die frühere Führerscheinklasse 3 abgelöst. Nötig für den neuen B96 ist eine eintägige Fahrerschulung aus 2,5 Stunden Theorie, 3,5 Stunden Praxisübungen und einer Stunde Fahrzeit mit dem Gespann auf der Straße. „Neben Einzel- sind Gruppenschulungen möglich, etwa auf Übungsplätzen“, erklärt Jost Krüger vom Herstellerverband CIVD. Eine Abschlussprüfung erfolgt nicht. Fahrschulen werden sich der Sache annehmen.