Wenn die Tschechen sich – unter welchen politischen Umständen auch immer – mit etwas identifizieren, dann ist es ihr Bier. Es ist Kult(ur), Nation, Leben. Wie in anderen Teilen Europas auch, wurde in Böhmen, dem größten Teil des heutigen Tschechiens, gelegen gleich hinter Erz- und Fichtelgebirge, schon seit dem frühen Mittelalter Bier gebraut, ein schwach alkoholisches, nahrhaftes, dunkles Gebräu von wechselnden Qualitäten. Weil es den Mönchen in den Klöstern über die Fastenzeit hinweghalf, galt es als "flüssiges Brot", dem der Papst nicht zürnte.
Die Brauereigeschichte Pilsens

In Plzen (Pilsen) brachten die brauberechtigten Bürger öfter Bier in Umlauf, das nicht nur schlecht schmeckte, sondern auch gesundheitsschädlich war. 1838 nahmen das die Pilsener Biertrinker nicht mehr hin, schütteten 38 Fässer eines solchen Gesöffs vor dem Rathaus aus.
Den Braubürgern war das Anlass, ein Bürgerliches Bräuhaus zu bauen, um fürderhin ein exzellentes Bier anzubieten. Sie holten sich den bayerischen Braumeister Josef Groll in die Stadt, der schon Erfahrung mit einem untergärigen, einem stabileren Bier gesammelt hatte, das allerdings nur im Winter gebraut werden konnte. Seine Gärung und Lagerung verlangte nach niedrigen Temperaturen.
Die 1842 fertiggestellte Brauerei sammelte über den Winter viel Eis von den umliegenden Seen und lagerte es in ihren felsigen Kellern ein. Nun war eine ganzjährige Produktion eines untergärigen Bieres möglich. Zusammen mit dem besonders weichen Grundwasser in der Pilsener Gegend, dem aromatischen Hopfen aus der Zatecer (Saazer) Region und einem hellen Gerstenmalz entstand eine bis dato nicht gekannte Bierqualität, die sich durch Bittergeschmacksvarianten auszeichnet und sich in einem appetitanregenden Gelb präsentiert: ein untergäriges helles Lagerbier.

Bald entstanden in Pilsen weitere Brauhäuser, die nach diesem Prinzip brauten. Und auch außerhalb Böhmens setzte das nach Pilsner Art gebraute Bier seinen Siegeszug fort. Alle diese Biere heißen heute kurz "Pilsner", nur das in der Ursprungsbrauerei gebraute setzt sich als Marke "Pilsner Urquell" davon ab.
Wer es in seinem originärsten Zustand, also noch nicht feinfiltriert und pasteurisiert, genießen möchte, der nehme an einer Führung durch die Pilsner Urquell-Brauerei teil. Höhepunkt ist eine Verkostung dieses Bieres im weitläufigen kühlen und feuchten Felsenkeller direkt vom Fass. Alternativ gibt es dieses Bier nur im Pilsener Restaurant Na Parkanu.
Pilsen erleben

Was mancher vielleicht von Praha (Prag) her kennt, findet er in Pilsen wieder. Eine sehenswerte Altstadt ohne Kriegsschäden, Jahrhunderte in Baustilen verkörpert, in der sich kleine Geschäfte reihen und dazwischen immer wieder gut besuchte Restaurants und Bierstuben. Hier treffen sich die Pilsener zu jeder Tageszeit auf ein Pilsner, auf ein Schwätzchen. Allein der Marktplatz, einer der größten Europas, hält Geschichten von Häusern vor, die sich während einer Stadtführung anzuhören lohnen. Die den Platz dominierende St.-Bartholomäus-Kathedrale erfuhr jüngst eine gründliche Restaurierung. Ihre vergoldeten Figuren glänzen frisch wie ein ebenso gezapftes Pilsner Bier.
Von den weiteren, kleineren Brauereien in Pilsen sei die Minibrauerei Purkmistr mit eigenem Stellplatz hervorgehoben, der zum Nächtigen mit dem Caravan genutzt werden kann. Sie lädt nicht nur zum Trinken von kühlem, sondern auch zum Baden in heißem Bier ein – Biergenuss äußerlich und innerlich soll positive Wirkungen auf die Haut haben und allerlei Wonnegefühle hervorrufen.
Etwas Ähnliches kann man 70 Kilometer nordwestlich von Pilsen in Chodova Plana erleben. Von mehreren Möglichkeiten, das Chodovarer Bier vor Ort zu genießen, ist Ve Skale, ein Restaurant in einem ehemaligen Bierkeller, wohl die romantischste. Allein der lange Zugang im Felsen mit historischen Reminiszenzen ist ein Erlebnis.

Dem Geschichtsinteressierten bietet Pilsen mit dem Brauereimuseum Einblick in frühere Brauwerkzeuge und -technologien. Recht amüsant sind, sozusagen als Zugabe, einige Sammlungen rund um das Bier: von Etiketten und Deckeln über Flaschen und Fässer bis hin zum kleinsten Humpen und zum größten Krug.
Die Welthauptstadt des Hopfens

Einmal im nördlichen Böhmen unterwegs und dem Bier auf der Spur, sollte besucht werden, wo der spezielle Hopfen für das "Pilsner" zu Hause ist: Zatec (Saaz). Die Stadt gilt als Welthauptstadt des Hopfens. Historische Karten belegen, dass die Gegend seit Jahrhunderten vom Anbau, der Aufbereitung und dem Versand des Hopfens lebt. Davon zeugen heute noch 23 ehemalige Hopfenmagazine, die inzwischen von einem einzigen großen Lager- und Verarbeitungsunternehmen abgelöst wurden.
Einen zusammenfassenden Überblick bieten das Hopfenmuseum und der Hopfen-und-Bier-Tempel. Das Museum, eher technologisch strukturiert, vom Hopfenanbau bis zum Versand der Hopfenballen, zeigt Maschinen und Geräte, zeitgenössische Dokumente und historische Fotos. Inzwischen hat die Mechanik schwere körperliche Arbeit stark reduziert. Trotzdem muss der Hopfenbauer weiterhin auf die Knie gehen, wenn er die Pflanze einsetzt. Respekt!

Der dem Museum gegenüberliegende Tempel lässt es ein wenig emotionaler angehen. Nach dem Labyrinth durch historische Hopfenballen und dem Blick in eine Alchemistenwerkstatt öffnet sich der Wappensaal, der ahnen lässt, wie wichtig der Hopfen für die Gemeinden dieser Region war und ist. Eine Sammlung von (leeren) Bierflaschen aus aller Welt legt Zeugnis von der Verbreitung und Beliebtheit des Bieres ab, das ohne Hopfen nicht auskommt.
Dem Tempel vorgelagert ist der Hopfenleuchtturm, dessen Hauptattraktion eine 3-D-Animation während der Auffahrt in 30 Meter Höhe ist. Hauptsächlich soll er bei städtischen Bierfesten nachts einem Leuchtturm gleich den Bierseligen eine Orientierung bieten, falls sie einmal zu tief oder zu oft ins Glas geschaut haben. Den Campern hilft das nicht. Sie müssen zum Übernachten ins 30 Kilometer entfernte Autokemp Prunerov, ohne Bier genossen zu haben. In Tschechien gilt das Null-Promille-Gebot. Immerhin: Das Bier gibt es auch in Flaschen.

Durch Böhmen reisen, auf Straßen sehr unterschiedlicher Qualität, heißt, zahlreichen Möglichkeiten zum Besuch von Burgen, Schlössern und Klöstern zu begegnen. Wer sich an den mittelalterlichen Mauern erfreuen kann, wird vielerorts fündig. Führungen bringen relativ wenig, weil hauptsächlich die Ahnengalerien böhmischer Adliger vorgetragen werden.
Dagegen können Spaziergänge in den angeschlossenen Gärten sehr empfohlen werden. Auch sonst lädt die Landschaft zur Bewegung per Fuß oder Fahrrad ein. Dabei hilft ein dichtes Wegweisernetz für die Radler ungemein. Es fehlt auch nicht an Flüssen sowie natürlichen und angelegten Seen, die gern wassersportlich genutzt werden. Und immer liegt ein Restaurace (Restaurant) am Wege. Na zdraví! Zum Wohl!
Tschechien und das Bier

- Der tschechische Bierkonsum ist mit rund 130 bis 140 Litern pro Person und Jahr der höchste der Welt. Der deutsche liegt mit 100 Litern auf Platz drei. Dazwischen rangiert Österreich mit 110 Litern.
- In Tschechien werden 90 Prozent aller Biere nach Pilsner Art gebraut. In Deutschland sind es rund 50 Prozent. Der Deutsche Brauer-Bund geht davon aus, dass Pilsner Biere auch weltweit absolut dominieren.
- Wer in Tschechien ein Bier bestellt, bekommt einen halben Liter. Wer nur ein kleines Bier haben möchte (0,3 Liter), muss es ausdrücklich bestellen.
- "Hladinka" heißt die klassische tschechische Art, ein Bier zu zapfen. Dabei entsteht eine relativ hohe Schaumkrone. Man sollte nicht verlangen, das Glas bis zum Eichstrich zu füllen.
- Üblicher Preis für 0,5 Liter Bier im Restaurant: 35 bis 50 CZK (25 CZK ≈ 1 Euro).
Die Region Pilsen
Übernachten
1. Camperpark Purkmistr
Gebührenpflichtiger Stellplatz für 15 Campingfahrzeuge auf ebenem, gepflastertem Untergrund. Strom, Frischwasser, Entsorgung Grauwasser und Chemie-WC, direkt gegenüber am Restaurant und Spa. Ganzjährig nutzbar.
2. Autocamp Ostende
Campingplatz im nördlichen Pilsen für 80 Campingfahrzeuge an einem See, ebene Wiese, üblicher Service, Restaurant, Kiosk, günstige ÖPNV-Verbindung ins Zentrum.
3. Transkemp Hracholusky
Campingplatz nordwestlich von Pilsen für 100 Campingfahrzeuge an einer Talsperre. Ebene Wiese auf drei Ebenen, üblicher Platzservice, Restaurant, Bistro, Sportanlagen, Tretboote.
4. Kemp La Rocca
Campingplatz für 72 Campingfahrzeuge auf einer ebenen Wiese. Üblicher Platzservice, Swimmingpool, Tennisplatz, nur ein Kilometer Fußweg zum Heilbad Konstantinsbad.
5. Taboriste Kobylka
Campingplatz für 20 Campingfahrzeuge an einem Fluss. Ebene Wiese, üblicher Platzservice, Kiosk, Gaststätte, Kanuverleih.
Brauereien und Restaurants
Alle Aktivitäten rund um das Pilsner Urquell, von der einfachen Führung durch die Brauerei mit einer Bierverkostung im Bierkeller über thematische Führungen bis zu Biertouren durch die Stadt können im Besucherzentrum gebucht werden – oder auch vorab telefonisch, per E-Mail oder am einfachsten direkt auf der deutschsprachigen Homepage.
1. Pilsner Urquell Brauhaus Besucherzentrum
Infos: U Prazdroje 7, CZ-301 00 Plzen 3, reservations@asahibeer.cz oder exkurze@prazdrojvisit.cz, prazdrojvisit.cz/de
2. Brauereimuseum und Pilsener historischer Keller
Infos: Veleslavinova 6, CZ-301 00 Plzen, Kontaktdaten wie Pilsner Urquell Brauhaus.
3. Brauereischänke Na Parkánu
Infos: Veleslavinova 4 (auf der Rückseite des Brauereimuseums).
4. Brauerei, Restaurant und Spa Purkmistr
Infos: Selska naves 21, CZ-326 00 Plzen 8 – Cernice, chodovar.cz
5. Familienbrauerei Chodovar
Infos: Pivovarska 107, CZ-348 13 Chodova Plana
Weitere Restaurants, spezielle Bierstuben und Bierfestivals in Pilsen unter pilsen.eu, Suchwort "Bierstuben".
Kureinrichtung, Schloss & Kloster
1. Heilbad Konstantinsbad
Ein kleines Heilbad im nordwestlichen Bädereck Böhmens, nahe Marianske Lazne (Marienbad). Alle Anwendungen können auch von Tagesgästen wahrgenommen werden. Praktisch für Caravaner: der nahe Campingplatz La Rocca.
Infos: Plzenska 58, CZ-349 52 Konstantinovy Lazne, Telefon 0 04 20/3 74 61 55 11, rezervace@konstantinovy.lazne, konstantinovylazne.cz/de
2. Schloss Kozel
Klassizistisches Jagdschloss mit Nebengebäuden und sehenswertem Park am Rand eines bewaldeten Erholungsgebietes mit Kinderbespaßung.
Infos: Stahlavy 67, CZ-332 03 Stahlavy
3. Kloster Plasy
Restauriertes Kloster aus dem 12. Jahrhundert: Informationen zum Klosterleben, herrliche Deckengemälde, selbsttragende Treppenhäuser und mittelalterliche Apotheke. Gegenüber fürstliche Brauerei Plasy, Essen und Trinken in Brauereiatmosphäre oder speziellem Restaurant, auch Flaschenbierverkauf.
Infos: Plzenska 285, CZ-331 01 Plasy, klaster-plasy.cz
Zatec und Umgebung
Übernachten
Autokemping Prunerov
Campingplatz mit 25 Stellflächen für Campingfahrzeuge. Ebene Wiese, üblicher Platzservice, Gaststätte, nahes Freibad.
Sehenswertes
1. Hopfen-und-Bier-Tempel
Infos: nam. Prokopa Velkeho 1951, CZ-438 01 Zatec, chchp.cz
2. Hopfenmuseum
Infos: nam. Prokopa Velkeho 1952, CZ-438 01 Zatec, chmelarskemuzeum.cz
3. Schloss Steknik
Eine ehemalige Festung, umgeben von Hopfenfeldern, die andeuten, welche Rolle der Hopfen für diese Gegend spielt. Reich an Dekorationen und Statuen.
Infos: Steknik c.p. 1, CZ-438 01 Zatec, zamek-steknik.cz
4. Franziskanerkloster Kadan
Kloster mit bewegter Geschichte, interessanter Innenarchitektur. Seltenes quadratisches Kirchen-Hauptschiff und beeindruckende Gemälde, Einblicke in und Informationen zum Leben im Kloster.
Infos: Svermova 474, CZ-432 01 Kadan, kadan.eu
Wichtige Reisehinweise für Tschechien
- Vor Reiseantritt die elektronische Vignette für Kfz bis 3,5 t per Internet unter edalnice.cz/de besorgen. Das Autokennzeichen wird registriert, es gibt keinen Aufkleber mehr. Der ebenfalls mögliche Vignettenkauf in Tschechien ist umständlich und nicht empfehlenswert. Für den Caravan ist keine separate Vignette erforderlich.
- "Autokemp-Plätze" sind keine Caravaning-Stellplätze, sondern vorwiegend für Pkw-Reisende gedacht, die dann in den beliebten Hütten auf den Plätzen übernachten.
Fazit
Tschechien ist immer eine Reise mit dem Caravan wert. Außer den Brauereien warten dort wunderschöne Städte, tolle Natur und zahlreiche andere historische Sehenswürdigkeiten auf Urlauber.