Wir sind mit dem Caravan hier, waren eine gute Woche in Marseillan Plage, jetzt geht’s ins Herz der Camargue. Und da ich schon vor 25 Jahren hier war, legen sich auf seltsame Weise die Bilder übereinander, wechseln Wiedererkennen und Staunen ab. In Vauvert habe ich mich wie einst gefühlt. Als wir am frühen Abend vom Campingplatz in Saintes-Maries-de-la-Mer in Richtung Kirche radeln, fremdle ich wieder ein wenig.
Wie bitte? Yachten, Sportboote, ausgedehnte Apartmentanlagen? Hier war früher einmal fast nichts – außer einem weiten, wilden, wunderschönen Rhône-Flussdelta – dem größten Europas übrigens – und einem verschlafenen Nest mit vielen Sinti und Roma, die einem gegen ein paar Francs die Zukunft voraussagten (je mehr man gab, desto positiver vermutlich).
Christiane Würtenberger
Himmelszeichen: Les Saintes-Maries-de-la-Mer ist ein wichtiger Wallfahrtsort. Vom Dach der Kirche Notre-Dame-de-la Mer sieht man das Wasser.
Eines ist jedenfalls geblieben in Saintes-Maries – man kann der Kirche Notre-Dame-de-la-Mer noch immer aufs Dach steigen. Unten in einem kleinen Raum steht die berühmte Schwarze Sara, eine von den Sinti und Roma sehr verehrte Heiligenfigur. Von hier oben hat man einen unvergesslichen Blick – auf die umliegenden Ziegeldächer, die Landschaft und das Meer. Und als wir recht spät wieder zum Platz zurückkehren, liegt auch wieder dieses einzigartige Licht über der Camargue: intensiv, fast geheimnisvoll.
Über 300 Vogelarten, darunter Flamingos und Reiher, leben in dieser weiten Schwemmlandebene, dazu unter anderem die typischen weißen Camargue-Pferde und schwarze Stiere. Bei Ausritten oder Wanderungen kann man die wilde Camargue immer noch am besten erleben.
Badetage, Städtetrips und Radtouren
Wir machen in diesen knapp drei Wochen mit dem Auto immer wieder Ausflüge– nach Sète, Arles, Montpellier zum Beispiel –, legen aber zwischendurch auch faule Badetage ein: morgens Croissants kaufen, später am Strand lesen, abends frischen Fisch grillen und bis in die Nacht bei Rosé und Kerzenlicht dem Grillenzirpen zuhören.
Für mich ist das auch nach so vielen Jahren immer noch der Südfrankreich-Sound. Kleinere Ausflüge unternehmen wir mit den Rädern, und erstaunlich oft gibt’s Radwege, was wir den Franzosen so gar nicht zugetraut hätten. Es ist eben wirklich nicht alles einfach so beim Alten geblieben.
Nadine Maier
Zeit zum Entspannen: Montpellier hat viele Studenten und eine sehenswerte Altstadt mit vielen schönen Cafés und Läden.
Vor allem die Städte wirken auf mich zauberhaft wie eh und je: lebensfroh, voller Restaurants und cooler Bars und sympathischer Boutiquen. In Montpellier, das wir von Marseillan Plage aus besuchen, parken wir am Einkaufszentrum Odysseum, nehmen die Tram zum Zentrum und bummeln zu Fuß durch die Altstadt: zur Kathedrale mit ihrem mächtigen Portal, unter dem man sich ganz klein vorkommt. Durch die Gassen mit ihren Cafés voller Studenten bis zur Place de la Comédie und dem Kunstmuseum Fabre. Anschließend statten wir noch dem MoCo Hôtel des Collections einen Besuch ab, dem nagelneuen, beeindruckenden Zentrum für zeitgenössische Kunst im Hôtel Montcalm.
Ausflugstipp in der Region
Wallfahrt im Mai: Immer am 24. und 25. Mai feiern Sinti und Roma aus ganz Europa in Saintes-Maries-de-la-Mer ihre Schutzheilige – die Schwarze Sara. Die Heiligenfigur, die in der Krypta der Kirche Notre-Dame-de-la-Mer steht, wird dann gemeinsam mit anderen Figuren durch den Camargue-Ort getragen und mit Meerwasser benetzt – ein beeindruckendes Spektakel mit Volksfestcharakter, auch für Gäste. Wer jene schwarze Sara wirklich war und ob es sie überhaupt je gab, darüber gibt es viele Legenden. Eventuell war sie eine im ersten Jahrhundert aus dem Nahen Osten gekommene christliche Missionarin. An der Prozession nehmen auch berittene Hirten und der Bischof von Arles teil.
Die Region im Überblick
Sechs Städte, die am Meer oder malerisch im hügeligen Hinterland liegen: Wer typisch französisches Flair, gemütliche Gassen und Kultur erleben möchte, der ist hier bestimmt richtig.
Marseillan
Christiane Würtenberger
Die kleine Gemeinde liegt am Mittelmeer zwischen Agde und Sète und hat einen gemütlichen Fischereihafen, wo man ausgiebig Schiffe gucken und etwas essen kann. Tipp: Von hier kommt der berühmte Wermut Noilly Prat, auf Führungen durch den Weinkeller darf man ihn verkosten.Infos: www.marseillan.com, www.noillyprat.com
Sète
Nadine Maier
Vom 183 Meter hohen Hügel Mont Saint-Clair, einem Kalksteinfelsen am südlichen Stadtrand von Sète, genießt man einen wundervollen Blick auf die Landschaft rund um die Hafenstadt, die zwischen Mittelmeer und L’étang du Thau liegt. Sète besitzt viele Kanäle und einen zwölf Kilometer langen feinen Sandstrand. Infos: www.tourisme-sete.com
Le Grau-du-Roi
Christiane Würtenberger
Ein netter, alter Ortskern und Gassen beidseits des Fischereihafens machen den Charme von Le Grau-du-Roi aus. Der Ort hat auch schöne Strände. Mit etwa 4500 Anlegeplätzen bietet sich Le Grau-du-Roi, das in der Nähe von Aigues-Mortes liegt, vor allem als Gastgeber für Segler an. Rundherum gibt es noch viele frei lebende Flamingos.
Saintes-Maries-de-la-Mer
Christiane Würtenberger
Wer den Ort mitten im Parc naturel régional de Camargue von früher kennt, wird ihn kaum wiedererkennen: Es gibt dort mittlerweile auch viele Apartmentanlagen und einen Sportboothafen. Noch immer ist die Gemeinde ein wichtiger Wallfahrtsort (jährlich am 24. und 25. Mai). Infos: www.saintesmaries.com
Arles
Christiane Würtenberger
Etwa 300 Bilder hat Vincent van Gogh in Arles gemalt – muss man mehr wissen? Die Stadt mit einem antiken Amphitheater und kleinen Gassen liegt im Hinterland. Zum Pflichtprogramm gehört ein Besuch der Fondation Vincent Van Gogh, die Werke des Meisters zeigt und aktueller Künstler, die sich auf ihn beziehen. Infos: www.arlestourisme.com