Man kann von Social Media ja halten, was man will, doch ab und an poppen in der einen umgebenden Infoblase doch mal Bilder und Geschichten in den Fokus, die man so nicht auf dem Schirm hatte. So führten meine Island-Affinität und die damit verbundenen Likes auf diverse Islandposts wohl dazu, dass zwei Wochen vor unserem eigentlich geplanten Südfrankreich-Urlaub mit Bulli und Hänger ein Bild meine Aufmerksamkeit erregt. Darauf zu sehen: ein kleiner Teardrop-Campingtrailer im Verleih bei Reykjavik – und das zu einem durchaus moderaten Preis.
Sofort werden Erinnerungen wach an unseren Familienurlaub in Island vor zwei Jahren mit Kindern, Kegel und Zelt. Ein Traum von einer Insel, roh, rau und besonders im Inland reduziert auf Farbnuancen zwischen moosgrün und basaltschwarz. Wenn nur das Wetter nicht wäre. Und der Wind. Der hatte mit unserem großformatigen Familienzelt seine helle Freude und hat es oft nächtelang zum Flattern und uns um den Schlaf gebracht. Aber mit so einem Wohnanhänger, kompakt, gemütlich, geländetauglich und in Sachen Schlafkomfort unendlich komfortabel, könnte man es doch noch mal probieren.
Doch bekommen wir derart spontan überhaupt einen bezahlbaren Flug auf die Vulkaninsel? Nun, auch hier scheinen Zufall und Glück auf unserer Seite: Air Berlin hat noch fünf Plätze ab München zum Normaltarif. Gecheckt, gebucht, gezahlt. Dass Air Berlin drei Stunden später Insolvenz anmeldet, hat jedenfalls nicht an uns gelegen.
Teardrop-Trailer Mink aus Island

Erdacht hat den Mink-Camper der Isländer Kolbeinn Bjornsson. Seine Idee war es, den klassischen Teardrop-Trailer auf ein Minimum zu reduzieren. Herausgekommen ist ein Bett auf Rädern, zwei Meter lang und 1,40 Meter breit, dicker Latexkern, herrlich weich. Links und rechts erinnern die runden Eingänge ein bisschen an eine Waschmaschine, dazu ist das halbe Dach plexiverglast, sodass nichts den Blick auf Sterne, Polarlichter oder eben die Mittsommernachtssonne verstellt. Außen unter der Heckklappe versteckt sich eine komplett ausgestattete Kochzeile, wenn auch nur mit einer Flamme. Dazu kommt ein Bose-Soundsystem samt Internet-Hotspot via Mobilfunk, der einen je nach Netzabdeckung sogar Netflix-Filme streamen lässt, während der Fahrt vorne im Auto. We like!
Doch wie nun in einem solchen Gespann zwei Erwachsene und drei Kinder unterbringen? Nun, Mama und Papa müssen aufgrund ihrer Größe wohl oder übel auf der Latexmatratze Platz nehmen – sehr zum Missfallen der Kids. Der Kleinste wiederum findet ebenfalls im Trailer Platz, auf einer Art Hängematte, die sich quer durch den Fußraum spannt. Der Acht- und der Zehnjährige müssen wiederum im Zugwagen schlafen, wo nach dem Umklappen immerhin 1,60 Meter Liegefläche entstehen. Somit sind wir für alle Wetter bestens gerüstet, die da kommen können. Und eines ist in Island gewiss: Sie werden kommen.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogenen Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzbestimmungen.
Die Caravan-Route: Einmal rund um Island
Nach der Ankunft in Keflavik und der Übernahme des Mietgespanns schlagen wir zunächst den Kurs Richtung Südküste ein. Der Plan: einmal den Klassiker, auf der Ringstraße rund um Island, aber mit ein, zwei Abstechern ins Hochland garniert – sofern die Geländetauglichkeit unseres Duos das zulässt. Die Hauptstadt Reykjavik lassen wir links liegen, stattdessen schlagen wir gleich einen Haken ins Gebüsch und schlängeln uns an der völlig überteuerten Blauen Lagune – einem geothermalen Freibad mit viel Pipapo – vorbei zur Küste bei Grindavik vor. Schon nach einer halben Stunde sind wir vom wuseligen Flughafen inmitten der schroffen Vulkanlandschaft der Reykjanes-Halbinsel.

Urlaub an! Nachdem der Wetterbericht für die nächsten zwei Tage gutes Wetter verheißt, lassen wir das ein oder andere Landschaftshighlight links liegen und fahren schnurstracks ins Landmannalaugur. Das heißt übersetzt ungefähr: die warmen Quellen der Leute aus der Region Landsveit. Inmitten der in vielen Erdfarben schimmernden Rhyolithberge liegt an einem heißen Bach ein wunderschöner Campingplatz, von dem aus man kindgerechte Tageswanderungen unternehmen kann. Einziger Knackpunkt: Genau am Eingang zum Paradies wartet eine zweigeteilte, etwa 80 Zentimeter tiefe Furt. Schaffen das der Mink-Camper und unser Zugwagen, ein durchaus robuster Mercedes GLC?
„Von den Locals lernen“ heißt das erste Gebot für solche Wasserdurchfahrten. Will heißen: Ist man sich nicht sicher, wartet man auf ein, zwei ortskundige Autos, die die richtige Fahrspur durch die trübe Brühe kennen. Dann heißt es ASR aus, Allrad an (falls manuell zuschaltbar) und los. Sehr zum Vergnügen der Kinder, die wir vorsichtshalber aber auf der nahen Fußgängerbrücke geparkt haben, schaffen wir die Prüfung. Und auch der Wetterbericht hält Wort. Drei Tage lang genießen wir das Easy living im Landmannalaugur, besteigen Brennisteinsalda und Bláhnúkur und beenden jeden Tag im Hot Pot – einem heißen Naturbecken, das sich durch das Aufeinandertreffen einer heißen Quelle mit einem eiskalten Bach bildet.
Je nachdem, wo man sich im Becken befindet, lässt sich so die gewünschte Wassertemperatur von eiskalt bis unerträglich heiß „einstellen“. Am vierten Tag macht Iceland dann seinem Namen doch alle Ehre und das Wetter kippt. Acht Grad, Regen waagerecht und eine durchaus steife Brise lassen es im Mink-Camper so richtig gemütlich werden. Zum Glück haben wir ein Tarp dabei, um es zwischen Trailer und Auto aufzuspannen und so unseren „Spielraum“ zu erhöhen. Auf Wandern haben wir in den folgenden Tagen weniger Lust, aber eine heiße Quelle muss jeden Tag sein.
Badekultur und sonstige Genüsse

Und so bestimmt fortan die Webseite Hotpoticeland unseren Routenverlauf auf der N1 gen Norden. Highlights gefällig? Seljavellir, das aufgelassene Schwimmbad an der Südküste, Hoffell, die kommoden Rundpools mit warmer Umkleide, Mývatn Nature Baths, die Blaue Lagune des Nordens, nur billiger, aber mit besserer Aussicht, und Grjótagjá, ein Drehort aus Game of Thrones. Dort wurde der Bastard John Snow von der rothaarigen Ygritte zum Mann gemacht.
Und obwohl der Scheibenwischer oft auf Hochtouren läuft, begeistert uns Island einmal mehr. Gerade in Kombination mit dem Wetter entwickeln die Landschaften eine Wucht, die weltweit ihresgleichen sucht. In Seyðisfjörður, dort, wo die wöchentliche Autofähre aus Dänemark anlegt, trennen wir uns für einen Tag von unserem Mink.

Am Ende der Straße, hinter drei Furten, liegt die Skálanes Mountain Lodge. Wer einen Ort in Island sucht, an dem er selbst in der Hochsaison seine Ruhe hat, ist hier im Osten der Insel genau richtig. Die von Geologie-Studenten betriebene Lodge hat sechs knarzige Zimmer und liegt an einem riesigen Vogelfelsen. Herausragend auch das Abendessen, zubereitet aus selbst angebauten Zutaten. Nirgends in Island haben wir besser gegessen. Erst als wir den Norden erreichen, spielt auch das Wetter wieder anstandslos mit. Über uns spannt sich ein wolkenloser Himmel, und die Temperaturen erreichen rekordwürdige Höhen. Bis auf 26 Grad klettert das Quecksilber – Jahresbestleistung in Island. Und damit nicht genug.
Polarlichter
Für die kommende Nacht ist Stufe 7 von 9 auf dem doch recht präzisen KP-Index angesagt. KP-Index? Dieser bewertet die Möglichkeit, Augenzeuge einer Aurora Borealis, auch bekannt als Polarlicht, zu werden. Nicht schlecht für Ende August. Diese Leuchterscheinung durch angeregte Stickstoff- und Sauerstoffatome der Hochatmosphäre wird in den Polargebieten durch das Auftreffen beschleunigter geladener Teilchen aus der Erdmagnetosphäre auf die Atmosphäre hervorgerufen.
Und so drängen wir uns final zu fünft unter der Sternenkuppel des kuscheligen Mink-Campers, genießen minutenlang die Polarlichter und beglückwünschen uns zu der Entscheidung, erneut nach Island gereist zu sein.