Puzzlefreunde wissen es: Erst wenn das letzte Teil an seinem Platz liegt, lehnt man sich entspannt zurück. Ähnlichen Nervenkitzel kann die Ersatzteilsuche für Wohnwagen mit sich bringen. Erholung und Entspannung rücken dabei in weite Ferne. Ohne das fehlende Teil schwinden die Aussichten auf die geplante Urlaubsreise.
Haben die Wohnwagen-Hersteller etwa kein Interesse an einer schnellen Ersatzteilversorgung? Genau das Gegenteil sei der Fall, versichern die Verantwortlichen großer Hersteller. Karl-Heinz Bogner leitet die Ersatzteilversorgung bei Knaus-Tabbert: „Wir sind erst vor Kurzem in ein neues Logistikzentrum umgezogen und haben die Lagerfläche für Ersatzteile weiter vergrößert. In 95 Prozent der Fälle liefern wir die Teile innerhalb eines Tages.“
Als Maßstab für die Branche sieht Thorsten Manz die Ersatzteilversorgung bei Hymer. Der Leiter des Teileservice in Bad Waldsee verweist auf rund 20 000 vorrätige Einzelstücke, die einem Gegenwert von 4,5 Millionen Euro entsprechen. „Wir haben allein Bleche im Wert von einer halben Million Euro am Lager." Das klingt aus Sicht der Wohnwagen-Besitzer beruhigend.
Gilt das in gleichem Maße für Importmodelle? Günter Holona, Chef von Adria Deutschland: „Praktisch alle Teile sind innerhalb von maximal zwei Wochen aus Slowenien lieferbar. Es sind ganz wenige Extremfälle, die Kopfzerbrechen bereiten." Jörn Koch, der den Vertrieb von Sterckeman in Deutschland betreut, verweist auf langjährige und enge Kontakte zum französischen Zentrallager des Trigano-Konzerns. Darüber hinaus unterhält die Importagentur Koch ein eigenes Pufferlager im Münsterland: „Da haben wir schnellen Zugriff auf Teile, die in der Saison oft kaputtgehen.“
Bei Trigano geht man von einer generellen Lieferfähigkeit für bis zu zehn Jahre alte Fahrzeuge der Konzernmarken aus. Meist kann das Lager auch bei noch älteren Wohnwagen-Modellen weiterhelfen.
Klare gesetzliche Vorgaben für die Bevorratung existieren nicht. Die meisten Hersteller verpflichten sich jedoch ihren Händlern gegenüber für eine Teileversorgung über ein Jahrzehnt. Karl-Heinz Bogner von Knaus nennt 15 Jahre als Altersgrenze, versichert aber, dass man in Einzelfällen auch noch Teile von 20 Jahre alten Knaus-Freizeitfahrzeugen liefern kann. Bei Hymer ist man sich bewusst, dass zahlreiche Oldies der Marke auf den Straßen unterwegs sind und hat ein sogenanntes Stoffarchiv angelegt. Die dort gelagerten Polster, Vorhänge oder Teppiche versorgen bis zu zwei Jahrzehnte alte Modelle mit passenden Teilen für die Innenausstattung. Bei so viel Fürsorge, stellt sich die Frage, warum die Ersatzteilsituation in einigen Fällen so knifflig ist. Brancheninsider wissen: Während des Krisenjahrs 2009 reduzierten große Hersteller ihre Lagerkapazitäten und schrauben sie erst jetzt wieder hoch. Manche Puzzleerfahrung der jüngeren Vergangenheit muss sich also nicht wiederholen.
Auffälliger machte sich die Wirtschaftsflaute an anderer Stelle bemerkbar: Marken wie Cristall und Delta verabschiedeten sich stillschweigend vom Markt. Die Teilesuche wird dann oft zur Quizfrage ohne rechte Lösung. Doch auch bei stabilen Herstellern hinterließ die Krise Lücken. Die Lieferung eines Leuchtenträgers oder eines Fensters kann schon einmal mehrere Wochen dauern. Der Hintergrund: Insbesondere Kunststoff-Teile entstehen bei Zulieferern. Manch kleinerer Betrieb blieb während der Krise auf der Strecke.
Die Wohnwagen-Hersteller versuchen gegenzusteuern und vergrößern in jüngster Zeit wieder ihre Lagerkapazität - was nicht unbedingt der größte Wunsch der Finanzverantwortlichen ist. Thorsten Manz, der Leiter des Hymer-Teileservice, stellt jedoch klar: „Bei uns geht Kundenzufriedenheit vor Wirtschaftlichkeit.“
Wenn das Teil nicht mehr im Lager liegt, bleibt dem Hersteller nur eine Nachfertigung, die auf jeden Fall Zeit kostet. Für Manz eine oft unvermeidliche Geduldsprobe: „Freizeitfahrzeuge sind bei der Ersatzteilversorgung nicht mit Pkw vergleichbar. Wer eine neue Schublade für seine Küche zu Hause braucht, der muss auch Lieferzeiten in Kauf nehmen.“
Die Wartezeit hat nicht immer mit der Verfügbarkeit von Teilen zu tun. Mitunter kommt es zu erfolglosen Reparaturversuchen, weil falsche Teile geliefert wurden. Kleine Ungenauigkeiten in der Kommunikation zwischen Käufer, Händler und Werk genügen oft, um aus dem Puzzle eine offenbar unlösbare Knobelei zu machen.
Nicht zuletzt deshalb sind sich fast alle Hersteller in einem Punkt einig: Für Kunden führt der Weg zum fehlenden Teil grundsätzlich über den jeweiligen Vertragshändler. Dieser verfügt über elektronische Bestellmöglichkeiten und hat die Chance, einen Blick auf das Fahrzeug zu werfen. Thorsten Manz von Hymer: „Eine Bestellung am Telefon geht in 50 Prozent der Fälle schief." Sein Knaus-Kollege Karl-Heinz Bogner empfiehlt, bei großen Entfernungen zum Händler zumindest ein Foto zu mailen. Auch bei der Abholung muss es keine weiten Wege geben: „Der Händler kann als Lieferadresse gleich die Anschrift des Kunden angeben."
Importeur Jörn Koch verweist bei der Teilesuche ebenfalls zunächst auf Händler, kennt aber die Probleme in der Praxis. Seine Importagentur Koch-Freizeitfahrzeuge kümmert sich direkt um Anfragen der Endkunden, was oft der schnellere Weg sein kann.
Zu Unrecht befürchten viele Kunden dagegen beim Vertragshändler einen deftigen Preisaufschlag. Die Fahndung nach besonders günstigen Originalteilen dürfte in den Tiefen des Internets ebenso erfolglos bleiben wie direkt im Werk. Eine freie Werkstatt kann vielleicht auf geringere Reparaturkosten verweisen, muss die Teile aber ebenso über einen Vertragshändler bestellen.
Zündstoff enthält das Thema Teilekosten dennoch: Bei vielen Komponenten, die nicht mehr in der Serie eingesetzt werden, steigen die Kurse. Hersteller verweisen hier einmal mehr auf ihre Zulieferer. Karl-Heinz Bogner: „Bei Ersatzteilen geht es um andere Mengen als bei der Serienfertigung. Kleine Mengen führen zu höheren Preisen." Möglich außerdem, dass ein Ersatzteil gegenüber dem Original in der Funktion verbessert wurde. Thorsten Manz: „In solchen Fällen erhöhen Lieferanten die Preise um 100 bis 200 Prozent.“
Bei nicht mehr ganz frischen Teilen machen sich überdies Lagerhaltungskosten bemerkbar. Besser erfragt man also vor der Bestellung den Preis und kann zwischenzeitlich vielleicht alternative Reparaturmethoden ausloten. Etwas Geduld zahlt sich nicht nur beim Puzzeln aus.
Nachgefragt bei Carl-Heinz Niesmann. der Chef des Handelsbetriebs Niesmann Caravaning in Polch kennt die Ersatzteilsituation aus jahrzehntelanger Erfahrung.
CARAVANING: Wie erleben Sie im Handel die Teileversorgung für Freizeitfahrzeuge?
Niesmann: Die Ersatzteilversorgung ist ein großes Problem für den Handel. Unsere Branche hat hier nicht im Entferntesten das Niveau der Automobilindustrie. Für einen Pkw-Käufer wäre eine Lieferzeit von zwei Wochen eine Katastrophe, für uns wäre es bei vielen Artikeln eine Wunschvorstellung.
CARAVANING: Wo liegen Ihrer Meinung nach die Ursachen für das Dilemma?
Niesmann: Die Probleme sind dort am größten, wo Produktänderungen und -vielfalt besonders stark sind. Die mangelnde Zuverlässigkeit einiger Zulieferer kommt hinzu. In den Krisenjahren gingen einige im Extremfall in die Insolvenz. Der hohe Preisdruck im Einkauf geht auf Kosten der Zuliefersicherheit, wenn der Hersteller die qualitativen Ressourcen des Zulieferers hintenanstellt.
CARAVANING: Welche Auswirkungen haben die langen Lieferzeiten für Handel und Kunde?
Niesmann: Grundsätzlich stellt sich bei großen Reparaturen die Frage, ob man beginnt, obwohl noch Teile fehlen, oder so lange wartet, bis alle Teile da sind. Das verlängert wiederum die Wartezeit für den Kunden. Oft stellt sich aber erst während der Reparatur heraus, dass noch Teile fehlen. Die Werkstatt braucht daher mehr Fläche, als eigentlich nötig wäre, oder man hat endlose Rangierarbeit.
CARAVANING: Wie ließe sich die Situation Ihrer Auffassung nach verbessern?
Niesmann: Freizeitfahrzeughersteller müssen beim Einkauf nicht allein auf den Preis achten, sondern auch auf die Qualität der Zulieferer. Bei der Entwicklung geht es um einen Spagat: Offenheit gegenüber Veränderungen, aber keine Änderungen um der Änderungen willen, sondern echte Verbesserungen. Darüber hinaus kann man die Variantenvielfalt einschränken und baureihenübergreifend mehr standardisierte Teile verwenden.
Vorbildlich mit eigener Teileversorgung: TRUMA und DOMETIC
Ohne Kühlschrank und Heizung läuft im Caravan fast nichts. Führende Komponentenhersteller kümmern sich auch bei älteren Modellen um Teile. Truma sichert Ersatz für bis zu zehn Jahre alte Heizungen, in bestimmten Fällen weit darüber hinaus. Erst wenn eine Reparatur alter Geräte nicht mehr sinnvoll erscheint, wird die Versorgung eingestellt. Kunden, die Ersatz benötigen, sollten den genauen Heizungstyp kennen und sich an Truma-Händler wenden.
Dometic - früher Electrolux - hilft bei der Ersatzteilsuche für Kühlschränke. Kunden können direkt mit dem Werk Kontakt aufnehmen (Telefon 01 80/5 36 63 84 oder per E-Mail: ersatzteile@dometic.de). Für bis zu zehn Jahre alte Modelle sind nach Herstellerangaben sämtliche Teile lieferbar. Wichtige Ersatzteile wie Brenner oder Heizpatrone lagert Dometic doppelt so lang. Sollte es keine neuen Teile mehr geben, verweist Dometic auf weitgehend standardisierte Einbaumaße unterschiedlicher Gerätegenerationen.