Seit 15. Juni gilt die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung in Deutschland. Seitdem wissen die Anbieter, wie E-Tretroller beschaffen sein müssen, um das nötige Kennzeichen für die Haftpflichtversicherung zu bekommen. Zum Zeitpunkt unseres Tests standen die E-Scooter-Hersteller allerdings noch beim KBA in der Warteschlange für ihre Typenzulassung. Wer sich so ein Gefährt zulegen möchte, erhält durch unsere Messwerte und Testeindrücke aber trotzdem Erkenntnisse über die neuen E-Fahrzeuge, denn viel hat sich nicht geändert zwischen den Testmodellen ohne Zulassung und deren gesetzkonformen Nachfolgern.
Für unseren Test haben wir gleich drei Exemplare angeschafft, einen Ninebot by Segway ES2, einen Moovi und den chinesischen Xiaomi Mi M365 – und standen im Alltagstest kurz davor, eine neue urbane Sportart zu etablieren: Treppen erklimmen mit Scooter. Das nervt manchmal, ist aber gut für die Arm- und Beinmuskulatur.
E-Roller im Überblick
Modell | Xiami Mi M 365 | Ninebot by Segway ES2 | Moovi |
Vielseitig: Mit guter Federung, stylischer Unterbodenbeleuchtung und informativem Display. | Klein und leicht: 10,1 Kilo und S-Bahn-taugliches Packmaß: Der Alltagssieger mit wenig Fahrkomfort. | Reichweiten-Champ: Selten laden, annehmbar bremsen bei halbwegs gutem Federungskomfort des M365. | |
Leistung | 300 Watt | 150 Watt | 250 Watt |
Motorart, -position und -leistung | Radnabenmotor im Vorderrad, 250 Watt | Radnabenmotor im Vorderrad, 300 Watt | Radnabenmotor im Hinterrad, 150 Watt |
Bauform der Bremse | vorn Rekuperation; hinten Scheibenbremse - über Handhebel | vorn Rekuperation; hinten Schutzblechbremse | vorn ungebremst; hinten Rekuperation und Schutzblechbremse |
Fahrwerk | ohne Federung | in Lenksäule integriertes Federbein vorn; Monofederbein mit verstellbarer Vorspannung hinten | in Lenksäule integriertes Federbein vorn |
Reifen und Räder | Luftreifen; 8,5 Zoll vorn und hinten | Vollgummireifen; 7,9 Zoll vorn, 7,6 Zoll hinten | Vollgummireifen; 5,7 Zoll vorn und hinten |
Beleuchtung | LED vorn und hinten, inkl. Bremsleuchte | LED vorn und hinten, inkl. Bremsleuchte | LED vorn und hinten, keine Bremsleuchte |
Akku-Typ | Lithium-Ionen | Lithium-Ionen | Lithium-Ionen |
Akkukapazität und -spannung | Kapazität: 280 Wh; Spannung: 36 V | Kapazität: 187 Wh; Spannung: 42 V | Kapazität: 149,6 Wh; Spannung: 36 V |
Zuladung | 100 kg | 100 kg | 100 kg |
Kaufpreis | 499 Euro | 539 Euro | 599 Euro |
Dem Moovi kommt hier sein geringes Gewicht von nur rund zehn Kilo zugute. Der Ninebot ES2 ist mit 12,5 Kilo unser schwerster Brocken, knapp darunter rangiert mit 12,2 Kilo der Xiaomi. In allen drei Fällen eine alltagskompatible Gewichtsklasse.
Damit das Tragen aber nicht noch nerviger ist, heißt es: zusammenklappen. Das gelingt mit dem Roller von Xiaomi am flottesten (5,85 Sekunden), allerdings ist der Moovi in seiner kompaktesten Gestalt nach 7,1 Sekunden etwas handlicher, weil sich auch die Griffe abwinkeln lassen. Den ES2 falten wir zwei Zehntel schneller zusammen. Wer seinen E-Scooter statt im Auto auch mal in einem kleineren Stauraum transportieren möchte, fährt mit dem Moovi dank der überschaubaren Abmessungen (96 x 16 x 30 cm) am besten. Der Xiaomi nimmt hier am meisten Platz ein.

Im direkten Vergleich ist der Scooter von Xiaomi, diplomatisch ausgedrückt, am effizientesten gestaltet. Es gibt keine Spielereien wie Displays oder Unterbodenbeleuchtung à la „The Fast and Furios“, über die etwa der ES2 verfügt. Der M365 bringt eine Smartphone-App mit, die zum Beispiel eine Wegfahrsperre aktivieren kann. Wird der Tretroller dann bewegt, blockiert das Rad und der Roller sendet einen Warnhinweis ans Smartphone – solange es in Reichweite ist. Der ES2 verfährt nach dem gleichen Vorbild. Der Moovi kommt ohne Vernetzung und App aus. Zur Sicherung reicht ihm eine Öse unten an der Lenksäule, an der ein Fahrradschloss befestigt werden kann.
Fahrkomfort auf schlechten Wegen oder Kopfsteinpflaster findet man rudimentär nur beim Segway mit seiner Federung vorne und hinten. Am schlechtesten schneidet der Moovi ab. Auf Kopfsteinpflaster wird man hier so durchgeschüttelt, dass man es kaum schafft, irgendwelche Hindernisse zu fokussieren. Auf den ersten Blick erstaunlich, hat der Moovi doch zumindest eine Federung in der Lenksäule. Der Xiaomi kommt dagegen komplett ohne Federung vom Band. Hier machen sich aber die größeren mit Luft gefüllten Räder bemerkbar. Der Moovi kommt nur mit kleinen Vollgummi-Pendants.
Gute Beschleunigung sorgt dagegen für Fahrspaß. Hier punktet der Ninebot, der in 7,4 Sekunden von 0 auf 20 km/h sprintet. Knapp dahinter folgt der Moovi mit 7,6 Sekunden, beim Xiaomi vergehen 9,2 Sekunden. Im Handlingparcours holt der Xiaomi auf, was aber nicht an seiner um 2 km/h höheren Endgeschwindigkeit liegt. Denn schneller als 20 km/h wurde im Slalom keiner der Scooter gemessen.

Den circa 100 Meter langen Handlingparcours mit Slalom und schneller Rechtskurve absolviert der Xiaomi Mi M365 auch deshalb so gut, weil sein Akku im Trittbrett sitzt. Der tiefe Schwerpunkt erzeugt mehr Fahrstabilität als die im Lenker eingebauten Batterien des Segway ES2. Außerdem hat der Xiaomi mit 8,5 Zoll die größten Räder im Testfeld, was für Vertrauen sorgt. Dafür punktet der Ninebot von Segway mit dem deutlich besseren Elastizitätswert. In 4,8 Sekunden geht es von 10 auf 20 km/h. Der Moovi kommt beim Handling nicht gut weg: Die kleinen Räder, der wacklige Lenker und die schlechte Federung sorgen für ein unsicheres Fahrgefühl. So nutzt man das Potenzial der guten Gasannahme nicht aus.
Wie lange halten die Akkus aus?
Und die Reichweite? Kaum etwas stört das Rollervergnügen mehr als ein leerer Akku. Aus diesem Grund haben wir die drei auf eine rund 2,5 km lange Testrunde geschickt. Dort fuhren die Tester auf der kurvigen, teils hügeligen Strecke so lange im Kreis, bis der Akku leer war und die E-Scooter nur noch zum Tretroller taugten. Bereits nach einer Dreiviertelstunde und elf Kilometern ging dem Moovi die Puste aus, wobei der Hersteller fast das Doppelte verspricht.
Der Ninebot ES2 von Segway hielt eine Stunde durch und brachte es auf 15,9 Kilometer – auch rund zehn Kilometer weniger als die Herstellerangabe. Im Gegensatz dazu wirbt Xiaomi beim Mi M365 mit realistischen Zahlen. Mit 27,3 Kilometern im Test liegt er nicht einmal zehn Prozent neben dem versprochenen Wert, so dass unser Tester knapp 1,5 Stunden seine Kreise ziehen konnte. Der Grund für diese Unterschiede findet sich in den Akkus, denn der Xiaomi hat mit einem 280-Wh-Paket mit Abstand den größten an Bord. Das zeigt sich allerdings auch beim Laden. Da das mitgelieferte Netzteil nur 71 Watt Spitzenleistung liefert, vergingen über sieben Stunden, bis der Akku voll war. Das ist zu viel. Beim Moovi dauerte eine volle Ladung 3:45, beim Ninebot 4:30 Stunden.

Wer meint, mit Xiaomi, Ninebot oder Moovi in einer Gefahrensituation rechtzeitig zum Stehen zu kommen, dem raten wir: Abspringen ist im Zweifel sicherer. Die mit dem Xiaomi erreichten 3,89 Meter Bremsweg aus 20 km/h sind deutlich mehr als bei einem guten Fahrrad. Und das ist der Bestwert im Test. Der Ninebot benötigt 4,84, der Moovi 5,64 Meter. Die hintere Scheibenbremse des Xiaomi ist per Handhebel gut zu bedienen, vorn verzögert nur die Rekuperationsbremse. Auch der Ninebot bremst vorn nur per Rekuperation, hinten muss der Fahrer das Schutzblech auf den Reifen drücken. Den Moovi konnten wir ausschließlich hinten bremsen – per Motor- und Schutzblechbremse, so erklärt sich der schlechteste Bremsweg.
Empfehlung: Nur Roller mit mindestens einer Scheibenbremse kaufen. Moovi rüstet nach; die überarbeitete Version kommt mit Trommelbremse, dann für 799 Euro. Besitzer eines alten Moovi bekommen Rabatt. In Sachen Licht überzeugen Ninebot und Xiaomi mit gut sichtbaren LEDs vorn und hinten, während das Konzept des Moovi nicht aufgeht. Die seitlich am Trittbrett angebrachten LEDs sorgen weder für ausreichend Sicht noch für gute Sichtbarkeit.
Testergebnis und Wertung
Modell | Xiami Mi M365 | Ninebot by Segway ES2 | Moovi |
Fahreigenschaften | |||
Beschleunigung 0-20 km/h | 9,2 s | 7,4 s | 7,6 s |
Elastizität 10-20 km/h | 5,7 s | 4,8 s | 5,5 s |
Höchstgeschwindigkeit | 24 km/h | 22 km/h | 21,5 km/h |
Handlingkurs (rund 100 Meter) | 19,49 s | 19,93 s | 21,97 s |
Sicherheit | |||
Bremsweg aus 20 km/h | 3,89 m | 4,84 m | 5,64 m |
Akkuleistung | |||
Reichweite | 27,29 km | 15,92 km | 10,96 km |
Ladezeit | 7:05 h | 4:30 h | 3:45 h |
Alltagstauglichkeit | |||
Zusammengeklappt in... | 5,85 s | 6,97 s | 7,1 s |
Packmaß LxBxH | 109 x 43 x 47 cm | 114 x 42 x 34 cm | 96 x 16 x 30 cm |
Gewicht | 12,2 kg | 12,5 kg | 10,1 kg |
Punktewertung | |||
Wertung Fahrverhalten (max. 35 Punkte) | 23,5 Punkte | 24,3 Punkte | 17,1 Punkte |
Sicherheit (max. 25 Punkte) | 14,3 Punkte | 10,5 Punkte | 5 Punkte |
Akkuleistung (max. 15 Punkte) | 8 Punkte | 7 Punkte | 6,3 Punkte |
Alltagstauglichkeit (max. 15 Punkte) | 9,1 Punkte | 9,4 Punkte | 9,6 Punkte |
Verarbeitung (max. 10 Punkte) | 6,5 Punkte | 7,5 Punkte | 4,5 Punkte |
Gesamtwertung | Platz 1: 61,4 Punkte | Platz 2: 58,7 Punkte | Platz 3: 42,5 Punkte |
Fazit
Die Sache mit den E-Scootern steckt noch immer in den Kinderschuhen, daran ändert auch das Gesetz von Verkehrsminister Scheuer nichts. Denn wenn sie wirklich einen Beitrag zur Mobilität – auch auf dem Campingplatz – leisten sollen, müssen die Fahrzeuge besser werden, vor allem was die Sicherheit angeht.