Traktionshilfen für den Wohnwagen
Schlammschlacht

Festgefahren mit dem Gespann: Was hilft wirklich? 10 neue und bewährte Traktionshilfen im CARAVANING-Test.

Schlammschlacht
Foto: Foto: Konstantin Tschovikov

Traum-Campingplatz, tolle Aus­sicht, saftiges Grün ringsum – doch seit Tagen hat es geregnet, die Wiese ist aufgeweicht, der ganze Platz gleicht einer Lehmgrube. Mit dem Caravan da durch? Die Reifen unseres modernen SUV sind primär und zu Recht auf trockenen und nassen Asphalt ausgelegt – feuchtes Gras und schlammige Pisten mögen sie nicht.

Was tun? Die meisten werden sagen: "Augen zu und durch!" Gut, wenn’s klappt. Wenn nicht, ist Improvisations­talent gefragt. Ein Spaten gehört grundsätzlich schon zur Standardausstattung. Fußabstreifer helfen nur bedingt weiter. Und dann? Im Zubehörhandel und bei renommierten Expeditions­ausrüstern werden wir fündig. Hier gibt’s diverse Problemlö­ser – von einfachen Traktions­hil­­fen bis hin zu Hebekissen.

Bevor wir aber in Schlamm und Sand aufbrechen, machen wir uns mit der Fahrzeugtechnik vertraut: Moderne Zugfahr­zeuge verfügen heute, ganz gleich ob mit Front,- Heck,- oder Allradantrieb, meist über zusätzliche elektronische Trak­tionshilfen. Dazu zählt das Antriebs-Schlupf-Regelsystem ASR sowie die elektronische Differenzialsperre EDS.

Während Differenzialsperren in den meisten Fällen das Fortkommen verbessern, kann sich eine aktive Antriebsschlupf-Regelung durchaus auch mal negativ auswirken. Untergründe wie Sand, Schotter oder Kies, teils aber auch Schnee lassen sich mit leicht durchdrehenden Rädern besser bewäl­ti­gen. Hier empfiehlt es sich, gegebenenfalls die Regelung aus­zuschalten.

Den Schlupfregler zu de­akti­vie­ren, kann auch bei sehr geringen Geschwindigkei­ten sinnvoll sein. Speziell bei Turbomotoren kann bei niederen Touren schnell das Drehmoment wegbrechen. Wer dann durch ein wenig Schlupf in der Kupplung oder am Rad die Drehzahl gefühlvoll im Bereich des optimalen Drehmoments hält, profitiert letztlich von konstant hoher Zugkraft.

Am Vortrieb haben die Reifen entscheidenden Anteil. Für viele SUV sind grobstollige AT- oder MT-Pneus zu haben. Wäh­rend etwa ein AT-(All Terrain-)Reifen auf 50 Prozent Ge­lände ausgelegt ist, sind MT-(Mud Terrain-)Reifen bereits auf 90 Prozent offroad optimiert. Der Preis für hervorragende Traktion in Sand, Fels und Schlamm sind lange Bremswege, indifferentes Kurvenverhalten und nicht zuletzt das laute Abrollgeräusch auf Asphalt. Wer öfter in traktionssensible Bereiche vorstößt und diesen Kompromiss nicht eingehen will, ist mit guten Allwetterreifen oft auch schon gut beraten.

Zum Testprozedere: Je nach Art des Untergrunds zeigen die hier vorgestellten Anfahrhilfen unterschiedliche Qua­­litäten. Ihre Effizienz beurteilen wir schwerpunktmäßig mit einem frontgetrieb­e­n­en Fahrzeug (da in Mitteleuropa wohl am häufigsten anzutreffen) auf lehmigem Un­ter­grund sowie auf nassem Gras. Sollte ein Produkt speziell auf Sand besondere Qualitäten zei­gen, ist dies bei den Testergebnissen vermerkt.

Jetzt ist es also passiert: Wir sitzen fest. Doch bevor sich das durchdrehende Rad unrett­bar tief in die Erde eingräbt, sollte entweder der mitgeführte Spaten oder eine der hier vorgestellten Traktionshilfen zum Einsatz kommen.

Praktisch, weil platzsparend, die Canoll-Traktionsmatten: Einfach lassen sie sich unter die Räder schieben, die schlanken Zungen lassen die Reifen gut auffahren. Bei Schlamm und nasser Wiese noch o.k., bedeutet klebriger Lehm für sie aber das Aus. Schnell sind die quer verlaufenden Rillen zugesetzt, und der Vortrieb ist dahin.

Anders die Multifunktionsrampe Uniko: Hier wird der Lehm durch die offene Struktur der Elemente hindurch­gedrückt. Auch unter schwierigen Bedingungen bietet Uniko den erwünschten Grip. Und das in einer überzeugend sicheren Art und Weise. Während die konventionellen, rund zwei Meter langen Sandbleche militärischer Herkunft beim Anfahren aus einer tief ausgefahrenen Spur zum plötzlichen Hochschnellen neigen, bleibt die viergliedrige Uniko brav am Boden und vermeidet wie auch die Canoll-Matte Beschädigungen am Fahrzeug.

Ähnlich elastisch auch die beiden Anfahrhilfen namhafter australischer Outdoor-Ausrüster: Sta­bile Querstege aus profilier­tem Gummi oder Aluminium sind hier leiterartig entweder mit Stahlseil respektive solidem Nylonband verbunden. Ihre Stärken spielen die beiden Konzepte speziell auf Sand aus. Wird’s hingegen feucht, ist erst die glattflächige Alu- und dann die schwere Gummi-Variante am Ende. Bei Schrägfahrt am Hang ist es gar unmög­lich, die Alu-Leiter effektiv einzusetzen. Zu schnell rutschen die Reifen zur Seite weg. Auch das Auffahren gestaltet sich wegen der recht hohen Stege schwierig.

Schneeketten: Können auch die helfen? Na, klar! Speziell auf nassem Gras oder Laub und auf erdigen Untergründen funktionieren Ketten prächtig. Auf Sand und losen Untergrün­den taugen sie nichts. Schwierig und schmierig fällt die Montage aus. Speziell wenn das Auto bereits festgefahren ist, funktioniert dies nur noch nach Anheben der Räder.

Dies versuchen wir mit dem AirJack, einem Luftwagenheber, der ähnlich den bei Rettungsdiensten eingesetzten He­be­­kis­sen Gegenstände durch Luft­druck anheben kann. Im Gegen­­satz zu professionellen Geräten, die meist durch Press­luft befüllt werden, wird der AirJack am Auspuffrohr des Zugwagens angeschlossen. Dessen nicht unerheblicher Druck reicht aus, um rund vier Tonnen Last 75 Zentimeter hochzuheben. Die große Aufstandsfläche verhindert dabei das Einsinken des Lufthebers bei weichem Untergrund, am Unterboden des Fahrzeugs werden durch die großflächige Krafteinleitung Beschädigun­gen vermieden. Allerdings sol­l­te der Fahrzeugboden dazu möglichst flächig und entsprechend tragfähig sein. Wenn auch der Einsatz radgebundener Traktionshilfen nicht weiterführt, muss geschleppt oder gezogen werden: Abkuppeln ist angesagt. Das Zugfahrzeug auf festen Untergrund gefahren, ein entsprechend langes und geeignetes Schleppseil zum Caravan verlegt – auch so lässt sich der Hänger zur Not aus dem Dreck ziehen.

Besser und weitaus sicherer funktioniert dies mit manuell oder elektrisch be­triebenen Seilwinden. Während sich leichte Wohnwagen deutlich unter 1000 Kilogramm noch mit einer an der Caravandeichsel montierten Kurbelwinde versetzen lassen, sind für größe­re Kavenzmänner schon elektri­sche Seilwinden notwendig.

Empfehlenswert sind Modelle zum vorübergehen­den Aufsetzen auf die Kupp­lungskugel. Die notwendige Zugkraft der Winde ist abhängig vom Caravangewicht und der zu überwindenden Steigung und/oder des Reibwiderstands. Um einen 1500-Kilogramm-Hänger am Hang zu ziehen, sind nach einer mathematischen Formel idealisiert und ohne Reibung bei 50 Prozent Steigung mindestens rund 670 Kilo Zugkraft an der Winde nötig. Kräfte, die bereits von kleineren Profi-Elektrowinden wie beispielsweise der Warn RT 25 aufgebracht werden können. Praktisch, weil sehr flexibel in der Handhabung, ist die neue Warn-Pullzall-Akkuwinde. Ihre Höchst-Zugkraft von rund 450 Kilo reicht für die meisten Anwendungen, auch wenn die Zugseillänge von sechs Metern etwas kurz ausfällt.

Alternativ, wenngleich bei langen Zugstrecken auch etwas beschwerlich, lassen sich ebenso zwei kräftige Zurrgurte als Windenersatz einsetzen. Sie erreichen fast das gleiche Zugniveau, sind konkurrenzlos günstig in der Anschaffung und oft ohnehin bereits an Bord. Noch preiswerter könnte es sein, freundliche Mitcamper um Schiebe- oder Schlepphilfe zu bitten – am Ende nicht die eleganteste, aber sicherlich die kommunikativste Art, festen Boden zu erreichen.

Bushranger Airjack

Foto: Konstantin Tschovikov

Beschreibung: Zylinderförmiges Hebekissen aus festem Planengewebe. Wird durch die Abgase des Zugfahrzeugs aufgeblasen. Der AirJack hebt bis zu vier Tonnen rund 75 Zentimeter hoch.

Vorteile: Mit 2,6 Kilogramm Eigengewicht recht leicht. Der Airjack ist platzsparend und einfach zu handhaben.

Nachteile: Kann nur in Verbindung mit Einrohr-Auspuffanlagen verwendet werden. Nur an Fahrzeugen mit flachem und solidem Unterboden einsetzbar, zum Anheben von Wohnanhängern nur bedingt geeignet.

Preis: 118 Euro.

Canoll-Traktionsmatten

Foto: Konstantin Tschovikov

Beschreibung: Beidseitig in Querrichtung pro­filierte Traktionsmatten aus hochabrieb­fes­tem Gummi. Zum besseren Auffahren sind die TH-Matten an beiden Enden verjüngt.

Vorteile: Geringer Raumbedarf, gute Anpassung an Geländeunebenheiten, akzeptabler Preis. Beim Abrutschen sind keine Beschädigungen am Fahrzeug zu erwarten.

Nachteile: Die geschlossene Oberfläche der Canoll-Traktionshilfematten setzt sich im Lehm schnell zu. Bei Schrägfahrt am Hang nur sehr mäßige Traktion und Seitenführung.

Preis: 70 Euro/Paar.

Rampe Uniko

Foto: Konstantin Tschovikov

Beschreibung: Viergliedrige Multifunktions­rampe aus hochfestem Kunststoff. Kann als Anfahr­hilfe, Hocker, Trittstufe, Auffahrrampe oder massiver Unterlegkeil verwendet werden.

Vorteile: Durch die große Auflagefläche und die offene Struktur gute Druckverteilung und optimale Ableitung glitschigen Erdreichs. Beste Traktionseigenschaften auf Sand, Lehm und Gras.

Nachteile: Großes Transportvolumen, hohes Gewicht von zirka zehn Kilogramm pro Paar, hoher Preis. Durch die gewollt scharfen Kanten der Kunststoffteile besteht bei der Benutzung ohne Schutzhandschuhe Verletzungsgefahr.

Preis: 89 Euro/Stück.

Sandtracks Bushranger

Foto: Konstantin Tschovikov

Beschreibung: An zwei hochfesten Edelstahl­seilen sind leiterartig quer zur Fahrtrichtung profilierte Hartgummistege montiert.

Vorteile: Sehr solide Konstruktion, mit je 1,5 Meter Länge auch zum Freifahren mit Caravan ausreichend bemessen. Traktionsvorteile überwiegend auf losem, jedoch trockenem Untergrund.

Nachteile: Schwieriges Auffahren mit ver­schmutz­­ten, nassen Reifen. Auch das hohe Gewicht von insgesamt 24 Kilogramm pro Paar und das Packmaß beschränken das Anwendungsspektrum auf professionellen Einsatz vornehmlich im Sand.

Preis: 71 Euro/Stück.

Alu-Traktionsleiter

Foto: Konstantin Tschovikov

Beschreibung: An zwei hochfesten Nylonbändern sind leiterartig quer zur Fahrtrichtung ge­riffelte Aluminium-Stege angeschraubt.

Vorteile: Recht solide Konstruktion mit relativ geringem Gewicht. Gute Druckverteilung, mäßige Anpassung an die Geländestruktur, mit je 1,5 Meter Länge auch zum Freifahren mit Caravan ausreichend bemessen. Traktionsvorteile ausschließlich auf trockenem Untergrund.

Nachteile: Die glatte Aluminium-Oberfläche wird bei Feuchtigkeit schnell schmierig, die hohen Stege erschweren in kritischen Anfahrsituationen das Auffahren auf die erste Aluminium-Rippe.

Schneeketten Rudmatic

Foto: Konstantin Tschovikov

Beschreibung: Konventionelle Gleitschutzkette mit Federbügel für den Wintereinsatz.

Vorteile: Leicht verfügbare Traktionshilfe mit Vorteilen bei winterlichen Straßenverhältnissen sowie bei lehmigen, erdigen und feuchten Untergründen. Besonders auf nassem Gras macht die Kette Punkte.

Nachteile: Vergleichsweise diffiziles und zeitaufwendiges An- und Abmontieren. Bei durchdrehenden Rädern starke Fräswirkung – das Fahrzeug gräbt sich schnell ein. Bei bereits festsitzendem Fahrzeug kann die Kette nicht oder nur erschwert montiert werden. Ungeeignet im Sand.

Preis: Rudmatic classic 225/75 R 16: 140 Euro

Handseilwinde ALKO

Foto: Konstantin Tschovikov

Beschreibung: Handseilwinden von 350 bis 900 Kilogramm Zugkraft zum Ziehen und Heben diverser Lasten. Im CARAVANING-Versuch mit Konsole oder Windenstand durch U-Bügel in Fahrtrichtung auf der Anhängerdeichsel montiert. Unter­schiedliche Größen und Getriebeüberset­z­­un­gen, als Seil- oder Band­winde sowie teils mit Lastdruckbremse oder Freilauf lieferbar.

Vorteile: Leichte Montage, geringer Wartungs- und Betriebsaufwand. Durch die feste Montage ist die Winde schnell einsatzbereit.

Nachteile: Bei dauerhafter Montage im Winter­betrieb sind Stahlseile oft rostanfällig.

Preis: Al-ko-Winden mit Seil: 147 bis 313 Euro.

Akkuwinde Warn Pullzall

Foto: Konstantin Tschovikov

Beschreibung: Akkubetriebene, tragbare Seilwinde mit 454 Kilogramm Hub- oder Zuglast. Die Warn Works Pullzall wird mit Ersatzakku und passendem Autoladegerät geliefert.

Vorteile: Die tragbare, rund acht Kilo schwere Winde ist flexibel einsetzbar und kann bedingt auch mal helfen, ein schwereres Zugfahrzeug aus kniffligen Lagen zu befreien.

Nachteile: Tief festgefahrene Fahrzeuge lassen sich mit der kleinen Winde nicht mehr bergen, die kurze Seillänge von rund sechs Metern begrenzt darüber hinaus den Aktionsradius.

Preis: Inkl. zwei Akkus und Ladegerät 680 Euro.

Seilwinde Warn RT 25

Foto: Konstantin Tschovikov

Beschreibung: Profi-Seilwinde zur Montage am Fahrzeug mit 1134 Kilogramm Zugkraft und 15 Meter Seillänge sowie Seilfreilaufkupplung. Zu­sammen mit einem Multimount-Set lässt sich die Winde direkt auf die Kugelkopfkupplung montieren.

Vorteile: Schon im Einfachzug lassen sich auch sehr schwere Caravans aus dem Dreck ziehen. Die Kabel-Fernbedienung erlaubt das Steuern der Winde aus sicherer Entfernung.

Nachteile: Für optimale Funktion muss die Win­­de fest montiert sein, auch groß dimensionier­te Leitungsquerschnitte zur Batterie sind nötig.

Preis: Winde 440 Euro, Multimount-Set 390 Euro.

Ratschengurte

Foto: Konstantin Tschovikov

Beschreibung: Gurte aus Polypropylen zur Ladungssicherung. Einseitig angebrachtes Ratschen­schloss zum Festzurren und Spannen der Gurte. Im CARAVANING-Versuch durch wechselweises Nachspannen zum Versetzen von Fahrzeugen verwendet. Das Heben von Lasten ist nicht erlaubt.

Vorteile: Günstiger Preis, geringes Gewicht, gute Verfügbarkeit, Mehrfachnutzen.

Nachteile: Zum gleichmäßigen Ziehen sind zwei Gurte parallel notwendig, ein kontrolliertes Ablassen ist mit Ratschengurten nicht möglich,

Preis: Je nach Breite, Länge und Belastbarkeit. Ein Gurt mit fünf Tonnen Zuglast und acht Meter Länge ist ab etwa 20 Euro zu haben.

Fahrtipps vom Offroad-Profi

Foto: Konstantin Tschovikov

Fahrtipps von Volker Lapp, Outdoor-Profi und Offroad-­Fahr­trainer.

"Wichtig ist vor allem, das Festfahren grundsätzlich zu vermeiden. Wenn ich auf mich allein gestellt bin, gehe ich die schwierige Strecke erst mal zu Fuß, prüfe die Tiefe der Schlamm- oder Wasserdurchfahrt und taste den Untergrund nach griffigen Stellen ab. Auch achte ich darauf, hochstehende Steine oder Äste zwischen den Fahrspuren zu umgehen oder zu entfernen. Erst dann gehe ich die Passage mit mittlerer Drehzahl und mäßiger Geschwindigkeit konzentriert an. Durchdrehende Räder und ein Aufsetzen der Fahrzeuge sind unbedingt zu vermeiden. Eine aufgerissene Ölwanne oder ein abgerissener Kühlerschlauch bedeuten in den meisten Fällen das Aus."

Weitere Informationen über Fahrtechnik im Gelände oder zum richtigen Verhalten bei brenzligen Situationen in freier Natur gibt’s in Volker Lapps Standardwerk: "Wie helfe ich mir draußen." (Paul Pietsch Verlag, ISBN 978-3-613-50536-0; 12,95 Euro).