Die Angst geht um: Haben moderne Autos tatsächlich immer weniger Anhängelast? Und wie steht es um die Zukunft des Verbrennungsmotors? Ein Blick zurück und nach vorn.
Die Angst geht um: Haben moderne Autos tatsächlich immer weniger Anhängelast? Und wie steht es um die Zukunft des Verbrennungsmotors? Ein Blick zurück und nach vorn.
"Wenn die Anhängelasten weiter sinken, kommen wir um extremen und teuren Leichtbau gar nicht mehr herum", orakelte vor nicht allzu langer Zeit die Geschäftsführung eines großen Caravanherstellers. Auch im Herstellerverband CIVD war immer wieder von der Gefahr die Rede, die der von Abgasgrenzwerten befeuerte Trend zu kleineren Hubräumen, im Fachjargon Downsizing genannt, für die Caravaning-Branche bedeute. Ganz zu schweigen von der E-Mobilität.
Man kann es auch so zusammenfassen: Die Angst geht um, dass es schon bald keine Autos mehr gibt, die einen ausgewachsenen Caravan überhaupt oder weit genug ziehen können.
Zu allem Überfluss ist durch Abgas-Tricksereien auch noch der Lieblingsantrieb aller Caravaner in Verruf geraten, Diesel-Fahrverbote haben den Restwert älterer Diesel von heute auf morgen in sich zusammenfallen lassen.
Wird es Diesel- und Verbrennungsmotoren auf absehbare Zeit noch geben? Was ist, falls elektrisch gefahren werden muss?
Haben Pkw in den vergangenen zehn bis 15 Jahren tatsächlich Anhängelast eingebüßt? Um das herauszufinden, haben wir in der Datenbank gewühlt und eine Auswahl beliebter Zugwagen getroffen. Entschieden haben wir uns für diese Autos:
Bei den Audis, die sich nach 2018 von ihren Hubraumbezeichnungen 2.0 TDI und 3.0 TDI verabschiedeten und in "Leistungsklassen"-Muster einsortierten, sieht es gut aus. Im Jahr 2007 trat der A4 Avant Modell B7 mit 170 PS (Frontantrieb/DSG) an und durfte 1.600 Kilogramm ziehen. Dieses Niveau hat er sogar erhöht: Der A4 30 TDI mit 163 PS, DSG und 400 Newtonmeter Drehmomenthat 1,7 Tonnen eingetragen. Der große A6 begann mit 225 PS und 1,9 Tonnen, durfte zwischenzeitlich 2,1 Tonnen und heute, als 45 TDI mit 235 PS, wie alle A6 Avant mit Allrad 2,0 Tonnen ziehen – weniger zwar, aber nicht dramatisch.
Die beiden BMW haben nichts verloren: Der X3 mit Vierzylinder-Diesel hat seit 2007 eine wechselvolle Anhängelasthistorie von 2,0 bis 2,4 Tonnen, doch 2021 steht der höhere Wert in den Papieren – und nur das zählt. Der 530d Touring hat zwar seine Leistung kontinuierlich von 231 auf 286 PS gesteigert, unabhängig davon durfte und darf er zwei Tonnen an den Haken nehmen.
Der Ford Mondeo war und ist als 2.0 TDCi mit einst 140, heute 150 PS ein wackerer Zugwagen: Die Handschalter dürfen bis heute 1,8 Tonnen bewegen, mit Automatik und/oder Allrad sogar zwei oder gar 2,2 Tonnen. Also auch hier Entwarnung.
Bei Mercedes hieß der erste Kompakt-SUV auf Basis der C-Klasse GLK, heute GLC. Auch das Diesel-Modell 220 hat überdauert: lange Jahre mit 2,15 Litern Hubraum und 170 PS, später mit nur zwei Litern, aber 190 PS unterwegs – jedoch immer mit 2,5 Tonnen Anhängelast und 400 Newtonmeter Drehmoment.
Auch die E-Klasse aus Stuttgart hat ihre Leistung trotz schrumpfender Hubräume stetig gesteigert. Egal ob 300 D (1994, 3,0 L, 139 PS) oder 220 CDI/220d (2,15/2,0 Liter Hubraum, 170/194 PS): 2,1 Tonnen Anhängelast waren und sind gesetzt.
Opel hat beim Insignia selektiert: Bei etlichen Motoren sind die Anhängelasten gesunken. 1,9 Tonnen darf nur noch der Kombi Sports Tourer mit 174 PS starkem Zweiliter-Diesel und Schaltgetriebe schleppen – aber nur mit werkseitiger Anhängekupplung. Mit Nachrüsthaken sind es deutlich weniger! Automatik und Allrad reduzieren die Anhängelast ebenfalls.
Beim VW Tiguan gibt es seit der Markteinführung einen Zweiliter-TDI mit 140, später 150 PS. Auch wenn dieser stetig sauberer wurde, hat VW nicht an den Anhängelasten geschraubt: 2,2 bis 2,5 Tonnen, je nach Ausstattung (die Offroad-Varianten dürfen mehr ziehen) waren und sind es bis heute. Auch beim Passat TDI mit DSG hat VW nicht reduziert: Der 170-PS-TDI hat sich auf 190 PS hochgearbeitet, die Anhängelast von 1,8 auf 2,0 Tonnen.
Bei den Importmarken ist das Bild gemischt: Hyundai und Kia haben sich mit Tucson und Sorento bei 2,2 respektive 2,5 Tonnen eingependelt. Beim Subaru Forester hat der Wegfall des Diesel 130 Kilo Anhängelast gekostet (jetzt 1.870 kg), beim Mitsubishi Outlander 400 Kilo (jetzt 1,6 Tonnen). Dem Toyota RAV4 hat die Umstellung auf Hybrid quasi die Zugtauglichkeit geraubt (800 kg Anhängelast). Mazda indes hat sich beim Modell 6 mit Diesel auf 1,8 Tonnen eingeschossen.
Jens Dralle, Test- & Technik-Chef bei auto motor und sport, über die Zukunft der Autos und Zugwagen.
Durch Downsizing sind die Hubräume vieler Motoren geschrumpft, um die immer strengeren Abgasnormen zu erfüllen. Geht diese Entwicklung noch weiter? Und hat das Auswirkungen auf die Eignung als Zugwagen?Die Zeit des extremen Downsizings ist vorbei, die Hubräume wachsen teils sogar wieder. Kleine Motoren waren beim bisher gültigen NEFZ-Messverfahren sparsamer. Doch um viel Leistung und Drehmoment aus kleinen Motoren zu holen, war und ist enormer Aufwand nötig. Ich erinnere da gerne an den 1,4-Liter-Twincharger von VW, der mit kombinierter Turbo- und Kompressoraufladung auf 150 PS kam. Ein technischer Wahnsinn und in Sachen Kosten, Wartung und Zuverlässigkeit ebenfalls kritisch.
Auch beim Caravanziehen mit kleinen aufgeladenen Motoren ist es schnell vorbei mit der Sparsamkeit. Im neuen Messzyklus WLTP, bei dem der Verbrauch im realen, schnelleren Fahrbetrieb ermittelt wird, sind großvolumigere Motoren eher wieder im Vorteil. Man sieht das auch schon bei den Herstellern.
Zum Beispiel ist bei VW der 1,6-Liter-TDI aus dem Programm geflogen. VW setzt jetzt voll auf den 2.0 TDI, den es dafür auch in schwächeren Leistungsvarianten gibt. Das "Ein-Motor-für-alle-Prinzip" ist für Autohersteller zunächst billiger – Geld, das dann in die immer aufwendigere Abgasreinigung investiert werden kann. So muss nur ein Motorblock entwickelt und produziert werden, die Leistungsunterschiede entstehen durch unterschiedliche Turbolader und natürlich durch die Elektronik.
Ein gutes Beispiel ist auch Volvo: Alle Diesel- und Benzinmotoren sind Vierzylinder mit zwei Litern Hubraum, die sogar viele identische Bauteile nutzen. Hier sorgen neben der mechanischen Aufladung unterschiedlich starke E-Motoren für ein breites Leistungsspektrum. V8-Bigblocks werden aber trotzdem kein Revival feiern.
Der Diesel steht am Pranger. Dabei ist er gerade im Zugbetrieb sparsamer als jeder Benziner. Hat er überhaupt eine Zukunft?Dem Diesel geht es noch gut! Er ist sauberer als je zuvor. Wir bei auto motor und sport messen die Emissionen auf unserer eigenen Strecke im normalen Verkehr. Moderne Diesel unterschreiten regelmäßig die aktuellen Euro-6d-Grenzwerte. Allerdings macht die aufwendige Abgasreinigung den Diesel in der Anschaffung teurer als einen vergleichbaren Benziner. Auch die Unterhaltskosten sind höher.
Mehr denn je lohnen sich Diesel erst ab einer Fahrleistung von rund 20.000 Kilometern oder mehr im Jahr. Wer weniger fährt, ist mit einem Benziner meist günstiger unterwegs. Selbst wenn er im Jahr ein paar hundert Kilometer den Caravan zieht.
Mehr Spaß macht ein drehmomentstarker Diesel vor dem Caravan natürlich trotzdem. Klar ist auch, dass die E-Mobilität von der Politik gewollt und deshalb gefördert wird. Ich glaube aber auch, dass die Politik zwischenzeitlich stärker zur Technologieoffenheit tendiert als bisher und erkennt, dass man von den Leuten nicht verlangen kann, viel Geld in ein elektrisches Fahrzeug zu investieren, das Stand heute noch nicht alle Bedürfnisse abdeckt.
Zu diesen Bedürfnissen zählt neben der Reichweite auch Transportieren oder einen Wohnwagen zu ziehen. Man darf ja nicht vergessen, dass nicht alle Autofahrer in einem Eigenheim oder im Erdgeschoss wohnen, wo man sein Auto laden kann.
Dem Diesel von regulatorischer Seite aus sofort den Hahn abdrehen kann man aber auch nicht, weil es einfach noch keine vernünftige Alternative dafür gibt, wenn es um die Kombination aus Reichweite, Transportnutzen und Geschwindigkeit geht. Verbrennungsmotoren werden auch immer effizienter, hier ist die Entwicklung ja nicht stehen geblieben.
Auch wenn die Budgets zugunsten von hybrid- und batterieelektrischen Antrieben und der Batterieforschung drastisch gekürzt werden. Und darum glaube ich auch, dass uns der Diesel und der Verbrennungsmotor überhaupt noch eine ganze Weile erhalten bleibt.
Ist ein Plug-in-Hybrid (PHEV) die Alternative zum Diesel?Das batterieelektrische Auto soll den Verbrenner als Erstwagen ja irgendwann ablösen, und das wird es auch. Und deswegen sind wir bei auto motor und sport auch der Meinung, dass man sich gut überlegen sollte, den Zwischenschritt über den PHEV zu gehen oder lieber noch eine Verbrennerrunde drehen soll, bis es in drei bis fünf Jahren Elektroautos gibt, die auch den Ansprüchen einer breiteren Masse genügen.
Denn klar ist auch: Die Entwicklung geht schneller voran, als viele noch vor zwei, drei Jahren erwartet hätten. Die Verlockung, durch die staatliche Förderung zu einem PHEV zu greifen, ist aktuell sehr hoch.
Ich würde jedoch davon abraten, wenn man Barzahler ist. Einen PHEV würde ich nur leasen oder finanzieren, weil die Technik da so rasante Fortschritte macht; die Restwerte aktueller PHEV will ich nach drei, vier oder fünf Jahren nicht sehen, ehrlich gesagt. Wenn ich einen Plug-in-Hybriden bar kaufe, muss ich ihn fahren, bis er auseinanderfällt.
Hybrid-SUVs sind eher für Geschäftskunden spannend und Ex-Benzinerfahrer. Oder für Dieselfahrer, bei denen sich der Diesel wegen zu geringer Kilometerleistungen nicht rentiert hat. Ein PHEV ist ohnehin nur sinnvoll, wenn ich ihn regelmäßig lade. Ansonsten fahre ich eine schwere Batterie spazieren, die mich Anhängelast kostet: VW Tiguan Hybrid und Mercedes GLC Hybrid dürfen zwar zwei Tonnen, damit aber eine halbe Tonne weniger ziehen als die schwächeren Dieselversionen.
Für Vielfahrer sind momentan die "de"-Modelle von Mercedes, die E- und Dieselmaschinen kombinieren, eine Alternative – wenn es ein PHEV sein muss.
Immer mehr Autohersteller vollziehen die Abkehr vom Verbrennungsmotor. Womit ziehe ich denn dann meinen Caravan?Bis 2030 rechnen diverse Hersteller mit einem Verkaufsanteil von 50 Prozent batterieelektrischer Autos in Deutschland. Deutschland ist eines von wenigen Länder, die überhaupt in der Lage sein werden, die nötige Infrastruktur aufzubauen. In anderen, sogar europäischen Ländern gibt es von der Politik noch nicht mal Bestrebungen, irgendwie in E-Infrastruktur zu investieren. Also werden auch weiterhin Autos mit Verbrennungsmotoren für den Weltmarkt gebaut.
Außerdem zeigt sich in Ländern, in denen die Förderung von E-Autos eingestellt wurde, dass auch der Verkauf dieser teuren Fahrzeuge nachlässt. Auch in China wollen immer mehr Menschen Autos kaufen, können sie aber in den großen Städten nicht laden. Dort werden jetzt riesige Motorenfabriken gebaut, die topmoderne, saubere Benzinmotoren entwickeln und produzieren.
Übrigens auch für deutsche Premiumhersteller, die sich am Standort Deutschland um die Entwicklung von eigenen E-Antrieben kümmern. In China sind die Abgasgrenzwerte aktuell strenger als in Europa und könnten es auch bleiben.
Lange Rede kurzer Sinn: Der Verbrenner an sich wird uns noch eine ganze Weile erhalten bleiben, der Diesel sicher auch, wird aber ein immer lokaleres Phänomen mit in Zukunft eingeschränkter Verfügbarkeit; es wird Diesel nicht mehr in zig Leistungsvarianten geben. Oder anders gesagt: je größer das Auto, desto Diesel.
Ich persönlich habe ein wenig die Hoffnung, dass es mit dem Elektro-Hype so ist wie mit dem autonomen Fahren: Da haben sich die Hersteller vor vier Jahren überboten mit Ankündigungen und Versuchsfahrten und jetzt eben doch gemerkt, dass das alles viel komplizierter ist.
Nochmal: Die E-Mobilität kommt und wird den Verbrenner in bestimmten Bereichen verdrängen. Aber eben nicht in allen. Und nicht von heute auf morgen.
Aber denken wir mal elektrisch weiter: Wie könnte das mit dem Laden unterwegs denn klappen?Es gibt seitens großer Lkw-Herstellergruppen das Bestreben, auf batterieelektrische Lkw umzustellen, die für die Kunden viel billiger zu betreiben sind als Diesel-Lkw. Und diese E-Lkw brauchen eine eigene Ladeinfrastruktur, von der auch Pkw-Fahrer profitieren könnten. Die Lkw-Hersteller reden nicht von Ladeleistungen, wie wir sie aus dem Pkw-bereich kennen, sondern von 900 kW. Das können E-Autos aktuell noch gar nicht.
Dennoch: Diese Ladestationen hätten eine Auslastung von Montag bis Samstag, und alle vier Stunden muss so ein Lkw ja eh raus und 45 Minuten Pause machen. Für Energieversorger wären solche Ladestationen lukrativer zu betreiben als Pkw-Ladeparks, die eher in Urlaubszeiten stark frequentiert werden. Mit dem Lkw als Vorreiter wären dann auch Urlaubsreisen mit dem elektrischen Zugwagen ohne lange Zwischenstopps möglich. Aber auch das wird noch dauern.