Hybridfahrzeuge sind in Deutschland nach wie vor Exoten. Selbst nach Dieselgate und der Diskussion um neue Umweltzonen waren es im ersten Halbjahr 2016 gerade einmal 16.000 Hybrid-Pkw, die erstmals zugelassen wurden – bei 1,6 Millionen Neuzulassungen insgesamt.
Noch exotischer jedoch ist der Einsatz eines Hybrid-Pkw als Zugfahrzeug. Viele Hersteller geben gar keine, andere nur lächerlich geringe Anhängelasten für ihre Hybride frei. Einziger bisheriger Leuchtturm in der Menge und unter Caravanern durchaus bekannt ist der Lexus RX als Hybrid. Doch den muss man sich leisten können, auch im Unterhalt – die Versicherungsprämien sind enorm.
Toyota RAV4: Hybridfahrzeug mit hoher Anhängelast
Nun gibt es jedoch aus gleichem Hause eine Alternative. Mit der Technik des Lexus NX 250h tritt seit diesem Jahr der Toyota RAV4 an. Toyota hat dem Dieselmotor mit Ausnahme im Nutzfahrzeugbereich abgeschworen und forciert deshalb die Hybridtechnik. Im Ergebnis ist der Toyota RAV4 seit dem jüngst erfolgten Facelift praktisch dieselfrei. Es gibt zwar noch eine Alibiversion, doch ohne Auswahl – keine Automatik, kein Allrad, keine Ausstattungsvarianten. Das hat dazu geführt, dass zuletzt nur noch 15 Prozent der Toyota RAV4 einen Selbstzünder unter der Haube tragen. Um das einordnen zu können: Der vergleichbar große X3 von BMW (seit neuem Dieselmotoren-Lieferant von Toyota) hat aktuell einen Dieselanteil von 95 Prozent bei den Neuzulassungen.
Um aus dem RAV4 Hybrid (ab 29.990 Euro) ein ordentliches Zugfahrzeug zu machen, muss allerdings die Allradvariante her, mit der praxistaugliche 1.650 kg Anhängelast freigegeben werden. Allrad beim Toyota-Hybriden bedeutet eine unkonventionelle Arbeitsweise. An der Vorderachse macht sich der bewährte Hybridverbund mit E-Motor, Benziner und stufenlosem Planetenradgetriebe ans Werk. Die Hinterachse wird von einem eigenen Elektromotor angetrieben, der im Schiebebetrieb als Generator arbeitet und wie der vordere E-Motor Strom für die Antriebsbatterie gewinnt.
Toyota setzt beim RAV4 Hybrid konsequent auf eine sehr konservative Technik. Der Verzicht auf eine große, extern ladbare Plug-in-Variante spart Kosten, dafür ist der rein elektrisch zu bewältigende Weg im Idealfall maximal drei Kilometer lang. Bei der Batterietechnik bleibt der RAV4 bei der millionenfach im Toyota Prius bewährten Nickel-Metallhydrid-Technik. Die ist nicht nur günstiger in der Produktion, sondern auch haltbarer als Lithium-Ionen-Akkus.
Wie fährt sich der Toyota RAV4 Hybrid?
Bei der Getriebeabstimmung des neuen RAV4 Hybrid hat Toyota auf die beständige Kritik reagiert und den Anteil der Hochdrehzahl-Fenster reduziert. Nicht mehr bei jeder mittelschweren Herausforderung wird der Verbrenner hochgejubelt wie früher bei den Pkw-Hybriden der Marke. Stattdessen bleibt der RAV4 Hybrid weit über die Autobahn-Richtgeschwindigkeit hinaus im niedrigen Drehzahlbereich, hebt nur an Steigungen oder bei Überholvorgängen die Stimme – und natürlich beim starken Beschleunigen. Dennoch: Auf flott gefahrener Langstrecke lassen sich Diesel-Verbrauchswerte nicht erzielen, mit 8-9 Liter darf man rechnen. Dafür wird es im Überland- und vor allem im Stadtverkehr richtig sparsam, wo der RAV4 Hybrid auch eine Fünf vor dem Komma realisieren kann.
Was aber vor allem überrascht, ist die Potenz des Antriebs aus einem Benziner- und zwei Elektromotoren. An den bei Vollgas in hohen Drehzahlen jodelnden Benziner muss man sich zwar gewöhnen, doch der Vortrieb dank des Strom-Benzin-Trios ist durchaus beachtlich. Von Tacho 130 bis 180 km/h durchbeschleunigen, das geht ziemlich fix und lässt so manchen Turbodiesel im Rückspiegel zurück. Dafür spricht auch unser Messwert bei der Standardwertung 80-120 km/h. Mit 6,2 Sekunden für diesen typischen Überhol-Sprint kann sich der RAV4 Hybrid sehen lassen.
Wie macht sich der Toyota RAV4 als Zugfahrzeug?
Nach der Solo-Etappe wollten wir dann wissen, wie es nun um die Zugfertigkeiten des RAV4 Hybrid steht. Angesichts der für ein SUV nicht gewaltigen 1,6 Tonnen, die für Nachläufer freigegeben sind, fiel die Wahl auf einen eher leichten Deseo.
Der kompakte Wohnwagen, urlaubsfertig bepackt rund 1.000 Kilo schwer, ging auf eine intensive Testrunde: Landstraße, Großstadt quer durch München im Stop-and-go-Verkehr, Autobahn-Etappe, enge Berg-Serpentinen mit ansehnlicher Steigung bis auf 1.200 Meter über Meereshöhe. Damit alles abgebildet, was Anhänger-Fahrer üblicherweise abfordern.
Die abnehmbare Anhängerkupplung sieht am neuen Toyota RAV4 ein wenig nach Bastellösung aus, ihr Bock steht weit unter dem Stoßfänger heraus. An- und abmontiert ist sie jedoch zügig und verwirrungsfrei. Die Rückfahrkamera hat die Kugel der Kupplung gut im Blick, so dass das Ankuppeln sehr entspannt und sicher abläuft.
Was auffällt: Der Nachläufer hat schon bei überschaubarer Stützlast (maximal freigegeben: 70 kg) regen Einfluss auf das Fahrwerk, besonders bei niedrigen bis mittleren Geschwindigkeiten werden deutliche Nicktendenzen ins Heck eingeleitet. Je geringer das Tempo und je schlechter der Untergrund, umso deutlicher ist das wahrnehmbar. Auf der Autobahn wird der Effekt geringer, das Gespann läuft ruhig und unauffällig.
Zwiespältig auch das Ergebnis hinsichtlich der Getriebeabstimmung, Hier können schon zwei –drei km/h, eingepegelt per Tempomat, den Unterschied ausmachen. Zwischen Drehzahl-Exzess und souveränem Gleiten. Die regelkonformen 100 km/h funktionieren akzeptabel, beim ausnutzen der 105 km/h-Grenze schwingt sich der Benzinmotor immer wieder in den Hochdrehzahlbereich auf. Das kann ein drehmomentstarker Diesel definitiv besser, souveräner. Das Verbrauchsergebnis der Testrunde mit Wohnwagen im Schlepp: 12,7 Liter.
Auffällig jedoch: Selbst mit dem Caravan am Haken fährt der RAV4 Hybrid im unteren Tempobereich ziemlich oft rein elektrisch. Und was die gegenüber Geräuschen hochkritischen Campingplatz-Nachbarn besonders bestaunen, ist das Rangieren des Wohnwagens im Schritttempo. Denn das passiert mit leisem fiepen der E-Motoren ohne Motorbrummen. Auf der Stellplatzsuche den kompletten Campingplatz elektrisch durchmessen: Funktioniert.